# taz.de -- Olympia-Vorschau: Im Zeichen des Zeitgeists
       
       > London ist so olympiaerfahren wie keine andere Metropole. 1908 und 1948
       > wurden hier Sommerspiele ausgerichtet, und nun dürfen sogar Frauen
       > mitboxen.
       
 (IMG) Bild: Diesmal schlagen Frauen zu: Katie Taylor (r.) aus Irland bearbeitet die Russin Sofia Ochigawa
       
       Es sollen wieder einmal die größten, besten, tollsten Spiele der
       olympischen Geschichte werden. Das Investment des britischen Staates in das
       Großevent ist in der Tat gigantisch. Zwölf Milliarden Euro hat
       Großbritannien in die olympische Infrastruktur investiert. Die Kosten für
       die Sicherheit der Spiele belaufen sich auf 1,2 Milliarden Euro, das
       Doppelte der ursprünglich avisierten Summe.
       
       Neben 12.500 Sportlern und 27.000 Medienvertretern nehmen auch 25.000
       Sicherheitskräfte, davon 18.200 Soldaten, an den Spielen teil. Die Angst
       vor Anschlägen ist groß. Auf der Themse liegt das größte Kriegsschiff der
       britischen Marine. In der Nähe des olympischen Parks sind
       Boden-Luft-Raketen stationiert. Das Sportgelände ist von einem vier Meter
       hohen, mit 5.000 Volt geladenen Elektrozaun umgeben, der 17 Kilometer lang
       ist und 100 Millionen Euro gekostet hat.
       
       London richtet nach 1908 und 1948 die dritten Olympischen Spiele aus. Das
       Programm ist üppig. Es wird 302 Entscheidungen in 26 Sportarten geben.
       Stritten 1908 Athleten noch in den Sportarten Motorbootrennen, Lacrosse,
       Jeu de Paume (ein dem Tennis verwandtes Rückschlagspiel) oder Racquets um
       die Medaillen, so stehen heute die olympischen Kernsportarten Schwimmen und
       Leichtathletik im Mittelpunkt.
       
       Damals dauerten die Spiele mehrere Monate, von Ende April bis Ende Oktober,
       heute ist das Spektakel nach gut zwei Wochen vorbei. Auch nahmen seinerzeit
       deutlich weniger Athleten teil: 2.047 Sportler, unter ihnen nur 42 Frauen.
       Legendär ist das Drama des italienischen Marathonläufers Dorando Pietri,
       der völlig dehydriert ins Ziel wankte, von Helfern gestützt werden musste
       und nach einem Protest den Siegerkranz an den US-Amerikaner Johnny Hayes
       abgeben musste. Es war sein Drama, das das olympische Credo „Dabei sein ist
       alles“ begründete.
       
       Die Londoner Sommerspiele des Jahres 1948 warteten gleichfalls mit
       Besonderheiten auf, die heute recht skurril erscheinen. Es wurden Medaillen
       in Kunstwettbewerben für städtebauliche Entwürfe, lyrische Werke,
       Kompositionen für Singstimme oder Rundplastiken vergeben. Die Rundplastiken
       des Jahres 2012 tragen Einteiler oder kurze Hosen und Leibchen und gehen im
       Gewichtheben oder Kugelstoßen an den Start.
       
       ## Frauenboxen und andere Neuigkeiten
       
       Viel hat sich nicht geändert im olympischen Programm. Spektakulär ist
       freilich die Aufnahme des Frauenboxens in den Kanon der Disziplinen.
       Gekämpft wird in drei Klassen (Fliegen-, Halbwelter- und
       Halbschwergewicht), die Männer mussten eine Disziplin opfern: das
       Fliegengewicht. Ihnen verbleiben aber immer noch zehn Gewichtsklassen. Ganz
       gestrichen wurden die Sportarten Baseball und Softball.
       
       Unübersichtlich ist die Lage beim Segeln. Alle vier Jahre kommt es zum
       Tausch einiger Bootsklassen. So ist nun ein Kielboot für drei Frauen mit
       dem kryptischen Namen Elliot 6m mit dabei, die Tornado-Klasse aber nicht
       mehr. Im Tennis werden nach 88 Jahren wieder Medaillen im Mixed vergeben.
       Damit wird erstmals nach der Wiederaufnahme 1988 das komplette Programm mit
       Einzeln und allen Doppeln wie bei den Grand-Slam-Turnieren ausgetragen.
       
       Während sich im Spring- und Vielseitigkeitsreiten nichts ändert, ist das
       Programm in der Dressur modifiziert worden. So wird ein Team nicht mehr aus
       vier, sondern nur noch aus drei Paaren bestehen. Das Streichergebnis des
       schlechtesten Reiters entfällt und alle Resultate werden für die Wertung
       zusammengezählt. Damit sollen kleinere Reitsportnationen unterstützt
       werden.
       
       Modifikationen gibt es auch im Radsport. Eingeführt werden der
       Omnium-Wettbewerb (Mehrkampf) für Männer und Frauen, die
       Mannschaftsverfolgung und der Teamsprint der Frauen. Nicht mehr dabei sind
       die Wettbewerbe Punkt- und Einerverfolgung (Männer und Frauen) sowie das
       Zweier-Mannschaftsfahren der Männer.
       
       ## Profis und Zeitgeist-Sportler
       
       Im Fechten wird wieder munter rotiert. Alle vier Jahre werden ja zwei von
       sechs Teamdisziplinen gewechselt. In London werden bei den Degenfechtern
       und den Säbelfechterinnen keine Teammedaillen vergeben, dafür bei den
       Florett-Männern und den Degen-Frauen. Turbulenter geht es beim
       Sportartentausch 2016 in Rio de Janeiro zu: Golf und Siebener-Rugby werden
       olympisch, 56 Profiboxer zugelassen. Sie müssen freilich der neu
       geschaffenen Profi-Abteilung des Weltverbandes Aiba angehören. Auch
       Kite-Surfer dürfen in Rio mitmachen.
       
       Das Ziel des Internationalen Olympischen Komitees: Alles, was irgendwie
       stark publikumstauglich ist, wird ins Programm gehievt. Profis und
       Zeitgeist-Sportler dominieren die Spiele.
       
       27 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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