# taz.de -- Film „Schwein von Gaza“: Der Moment mit dem Sperma
       
       > Ein palästinensischer Fischer macht einen Fang, der ihm absurde
       > Schwierigkeiten bringt. „Das Schwein von Gaza“ kocht einen ausweglosen
       > Konflikt auf seine Essenz ein.
       
 (IMG) Bild: Was soll er bloß machen mit dem Schwein?
       
       Würde man diesen Film ins All schießen und Außerirdische fänden ihn,
       könnten wir sicher sein, dass sie uns bis ans Ende aller Zeiten in Ruhe
       ließen. Nicht dass „[1][Das Schwein von Gaza]“ ein schlechter Film wäre, im
       Gegenteil. Eher ist es so, dass man sich keine Spezies vorstellen kann, die
       in der Lage wäre, aus dem, was sie hier zu sehen bekommt, Regeln des
       menschlichen Zusammenlebens abzuleiten.
       
       Es ist genau dieser Effekt, auf den der französische Regisseur Sylvain
       Estibal in seinem Debüt abzielt, das in Frankreich bislang immerhin 200.000
       Besucher ins Kino lockte. „Das Schwein von Gaza“ ist ein irrwitziger Film,
       der einen ausweglosen Konflikt auf die Essenz einkocht. Je märchenhafter
       und metaphorischer seine auf Malta gedrehten Szenen daherkommen, desto
       besser gelingt es ihm, die Abgründe der Völkerverständigungskomödie zu
       umschiffen und durchblicken zu lassen, wie es sich anfühlen muss, in Gaza
       zu leben.
       
       Erzählt wird die Geschichte eines armen Narren. Der Fischer Jafaar kann in
       Gaza als Palästinenser kaum überleben. Die Israelis erlauben es nicht, mit
       dem Fischkutter weit herauszufahren, und so zieht Jafaar nur winzige
       Sardinen aus dem Meer. Doch eines Tages entdeckt er zu seinem großen Grauen
       ein Schwein in seinem Netz.
       
       Was tun mit dem Tier, das sowohl den Muslimen als auch den orthodoxen
       Siedlern in der Nachbarschaft als unrein gilt? Töten kann der freundliche
       Jafaar es nicht. Doch dann hört er von einem heimlichen Zuchtprojekt in der
       Siedlung. Blöd nur, dass die junge Siedlerin Yelena gar nicht das Tier
       will, sondern nur sein Sperma.
       
       Es ist wahrscheinlich der Moment mit dem Sperma, in dem „Das Schwein von
       Gaza“ endgültig auf der sicheren Seite angelangt. Denn spätestens jetzt
       wird dem Zuschauer klar, dass es Sylvain Estebal nicht darum geht, Ursachen
       und Wirkungen des Nahostkonflikts zu analysieren. Vielmehr gewinnt der Film
       an Glaubwürdigkeit, wo er an Bodenhaftung verliert, wo etwa Jafaar einem
       jüdischen Soldaten erlauben muss, das mühsam gewonnene Sperma in der
       Annahme zu trinken, es handele sich um einen wirksamen Kräutertrank – oder
       wo Jafaar zum Märtyrer gemacht werden soll, die gewünschte Explosion aber
       nicht einmal den Sprengstoffträger selbst, das Schwein, erwischt.
       
       Respektlose Kalauer wie diese nehmen diesem kleinen, tragikomischen Film
       alle moralische Last, die ihn hätte erdrücken können. Beinahe scheint es
       sogar, dass sie auch den Darstellern Luft verschaffen. Jedenfalls schaffen
       sie es nach Zuspitzungen wie diesen regelmäßig, durch die Hintertür doch
       noch eine Art Realismus einzuholen.
       
       Kurz nachdem Jafaar etwa das Schwein im Schafpelz durchs Dorf getrieben
       hat, um unerkannt zu bleiben, hängt Fatima, Jafaars stolze Frau, im
       schäbigen Hinterhof die Wäsche auf. Dabei trägt sie das neue Glitzerkleid,
       das ihr Jafaar mit dem Geld fürs Sperma kaufen konnte. Einen lässigeren
       Hinweis hat man selten bekommen, wie viel Kraft es tatsächlich kosten muss,
       gegen den dunkelgrauen Alltag anzukommen, der die Menschen in Gaza
       einklemmt.
       
       2 Aug 2012
       
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