# taz.de -- Debatte um Ruderin Drygalla geht weiter: Bach kündigt „Überprüfung“ an
       
       > Über die deutsche Ruderin und ihre Beziehung mit einem Neonazi wird in
       > London, Rostock und Berlin diskutiert. Der Landesverband
       > Mecklenburg-Vorpommern wusste seit Jahren davon.
       
 (IMG) Bild: „Kein Athlet der Olympia-Mannschaft hat es verdient, in diese Geschichte hineingezogen zu werden“, erklärte der DOSB-Chef Thomas Bach am Samstag
       
       LONDON/BERLIN/ROSTOCK dpa/afp | Nach der [1][Abreise von Ruderin Nadja
       Drygalla] bemühen sich die deutschen Spitzenfunktionäre immer noch um
       Schadensbegrenzung. Die Aufklärung beschäftigt weiter Sport und Politik.
       DOSB-Präsident Thomas Bach appellierte an die deutsche Öffentlichkeit, das
       Olympia-Team aus der Affäre herauszuhalten.
       
       „Kein Athlet der Olympia-Mannschaft hat es verdient, in diese Geschichte
       hineingezogen zu werden“, erklärte der Chef des Deutschen Olympischen
       Sportbundes (DOSB) am Samstag in London, „das hat mit unserer
       Olympia-Mannschaft, die sich deutlich zu unseren Grundwerten bekennt,
       nichts zu tun.“
       
       Dass die Ruderin Drygalla eine Beziehung mit Michael Fischer,
       Direktkandidat der rechtsextremen NPD in Rostock zur Landtagswahl 2011,
       hat, war zumindest dem Landesruderverband Mecklenburg-Vorpommern „seit
       vielen Jahren“ bekannt. Das sagte der Vorsitzende Hans Sennewald.
       
       Die 23 Jahre alte Athletin war nach einem langen Gespräch mit der
       Mannschaftsleitung freiwillig aus dem olympischen Dorf ausgezogen. Bach
       kündigte an, dass geprüft werden müsse, ob es „persönliche Verstöße“ der
       Athletin gegeben hat.
       
       Drygalla sei nach ihrer Abreise „am Boden zerstört“, berichtete Sennewald
       aus einem Gespräch mit der Ruderin vom Samstagmorgen. „Wir haben es hier
       nicht mit einem Medienprofi zu tun oder mit jemandem, der sich permanent
       und mit letzter Konsequenz vor Augen führt, in welcher Extremsituation
       persönliche Beziehungen münden können“, sagte der frühere
       Weltklasseruderer. „Dass sie jetzt extrem leidet, finde ich ganz
       natürlich.“
       
       ## Vermutungen zurückgewiesen
       
       Streitpunkt zwischen Sportverbänden und Politik bleibt die brisante Frage,
       ob die politischen Verbindungen des privaten Umfeldes von Drygalla schon
       vor der Olympia-Nominierung bekanntgewesen sind. Vermutungen, der DOSB sei
       darüber seit längerem informiert, wies Bach entschieden zurück.
       
       „Ich bin erbost über Äußerungen aus der Politik in Deutschland, die sagen,
       dies sei bekannt gewesen. Warum hat man es uns dann nicht gesagt?“,
       erklärte Deutschlands Ober-Olympier, und verurteilte diese Vorwürfe als
       „inakzeptables Vorgehen“.
       
       Für Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, besteht
       dagegen Aufklärungsbedarf. Die Politikerin hält es für kaum vorstellbar,
       dass sowohl der DOSB als auch der Deutsche Ruderverband (DRV) nichts von
       dem Fall gewusst haben wollen.
       
       Der Landes-Ruderfunktionär Sennewald sagte, der DRV sei offiziell nicht
       informiert worden. „Es hat aber Gespräche am Rande gegeben. Wenn der
       Deutsche Ruderverband jetzt von dem Thema überrascht worden ist, kann ich
       das nicht kommentieren“, betonte der stellvertretende Vorsitzende von
       Drygallas Heimatverein (Olympischer Ruderclub Rostock).
       
       ## „Nichts Schriftliches“
       
       Ruderverbandspräsident Siegfried Kaidel setzte sich gegen Vorwürfe, der
       Verband habe schon vor der Nominierung des Olympia-Teams von den Vorfällen
       Kenntnis gehabt, zur Wehr. „Ich habe alle Stellen im Verband angefragt, ob
       etwas Schriftliches vorliegt. Ich habe überall die Antwort erhalten: Nein,
       es liegt nichts Schriftliches vor.“
       
       Auch die Aussagen des Vorsitzenden des Landessportbundes
       Mecklenburg-Vorpommerns, Wolfgang Remer, lassen darauf schließen, dass die
       Verbindungen des Drygalla-Umfeldes regional bekannt waren, aber nicht in
       offizieller Form in die Spitzen des deutschen Sports weitergereicht wurden.
       „Wir wissen seit über einem Jahr, dass es Probleme gibt mit ihrem Freund“,
       sagte Remer. Der LSB habe den DOSB aber nicht informiert.
       
       „Auf die Idee sind wir gar nicht gekommen. Denn mit der ganzen
       Olympia-Mannschaft haben wir letzten Endes gar nichts zu tun. Wir erfahren
       hier erst von den Aktiven, oder den Trainern oder den Landesverbänden, wer
       für die Spiele nominiert ist. Dadurch, dass wir gar nicht eingebunden
       waren, haben wir gar nicht dran gedacht, den DOSB zu informieren.“
       
       Mit seiner Marschroute im Umgang mit dem politisch brisanten Fall hatte der
       DOSB bislang Erfolg. Im Gegensatz zu ersten Befürchtungen spielte das Thema
       weder in Großbritannien noch im Rest der Welt eine größere Rolle. „Es ist
       auf der internationale Ebene nichts an mich herangetragen worden. Jeder
       kennt die Haltung des DOSB in dieser Frage. Unsere schnelle Reaktion wurde
       von IOC-Kollegen geschätzt und gewürdigt“, berichtete Bach. Auch die sonst
       beim Thema Rechtsextremismus sehr sensiblen englischen Medien griffen den
       Fall Drygalla praktisch gar nicht auf.
       
       ## Reichlich Gesprächsstoff
       
       Am Ufer des Dorney Lake sorgte das Thema an den letzten Finaltagen aber für
       reichlich Gesprächsstoff. Die meisten Sportler mieden öffentliche
       Kommentare zum Sachverhalt. Wenige ließen jedoch erkennen, von der
       Vorgängen um Drygalla bereits im Vorfeld gewusst zu haben.
       
       Solche Aussagen wollte Verbandspräsident Siegfried Kaidel nicht
       kommentieren. „Für uns ist sie bisher völlig sauber. Solange ich nicht
       weiß, ob sie aktiv tätig ist, werde ich sie nicht verurteilen.“
       
       Nach seiner Rückkehr aus London will der DRV-Chef mehr Licht ins Dunkel
       bringen: „Ich habe mit ihr noch nicht sprechen können. Ich möchte mir
       deshalb persönlich ein Bild machen“, sagte Kaidel. Funktionär Sennewald
       nahm Drygalla in Schutz. „Sie distanziert sich offen. Sie hat immer wieder
       betont, dass sie die politischen Überzeugungen von Michael Fischer nicht
       teilt“, sagte er. Fischer selbst will sich nach Aussage des
       NPD-Landesvorsitzenden Stefan Köster vom Samstag zu der Affäre „nicht
       äußern“.
       
       Die Affäre um Drygalla wird auch den Sportausschuss des Bundestags
       beschäftigen. Das Gremium werde sich „vermutlich noch im September“ damit
       befassen, sagte die Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) am Samstag
       im Deutschlandfunk. Bei der traditionellen Sitzung zur Nachbetrachtung der
       Olympischen Spiele würden sich die Sportfachleute der Fraktionen
       „zwangsläufig“ auch mit dem Fall Drygalla beschäftigen. Sie werde dabei
       empfehlen, die Sitzung öffentlich zugänglich zu machen, rechne aber mit
       Widerstand der schwarz-gelben Koalition, sagte Freitag.
       
       4 Aug 2012
       
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