# taz.de -- Konsum: Edelmetall für den Einzelhandel
       
       > Ver.di vergibt Medaillen an Händler, bei denen zu fairen Bedingungen
       > eingekauft werden kann.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur Sportler, auch der Einzelhandel strebt nach Medaillen.
       
       Mit Gold, Silber und Bronze hat die Gewerkschaft Ver.di am Mittwoch die
       Arbeitsbedingungen in 28 Einzelhandelsbetrieben in Berlin und Brandenburg
       ausgezeichnet. Zudem stellte sie den „Fair-Kauf-Führer“ vor, ein
       vierseitiges Faltblatt, das Kunden empfiehlt, wo sie wegen guter
       Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten bedenkenlos einkaufen können. „Wir
       wollen damit Anreize für vernünftige Arbeitsbedingungen im Einzelhandel
       schaffen“, sagte die Fachbereichsleiterin Handel der Gewerkschaft in
       Berlin-Brandenburg, Erika Ritter.
       
       Ohne Bauchschmerzen zu bekommen, ist ein Einkauf nur bei den Gewinnern
       einer Goldmedaille möglich: Bei Galeria Kaufhof in Berlin und Cottbus,
       Kaufland in Strausberg, Saturn am Alexanderplatz und Karstadt in der
       Wilmersdorfer Straße. Allein diese fünf erhielten durchweg positive
       Bewertungen. Kriterien waren etwa Bezahlung, Arbeitnehmerrechte und
       Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
       
       In Berlin und Brandenburg arbeiten rund 200.000 Menschen im Einzelhandel.
       An 150 Betriebe hatte Ver.di Fragebögen verschickt, bei 70 war der Rücklauf
       groß genug, um sie bewerten zu können. Die Auswertung beruht nun auf 2.000
       ausgefüllten Fragebögen mit jeweils sechs Fragen, die Beschäftigte an
       Ver.di zurückgeschickt hatten. Unternehmen, in denen die Gewerkschaft keine
       oder nur wenige Mitglieder hat, tauchen nicht in der Bewertung auf – von
       den Discountern Lidl und Aldi etwa kam kaum etwas zurück.
       
       ## Großzügiger Maßstab
       
       Bei 28 Geschäften reichte es für eine Medaille – dank des großzügigen
       Maßstabs, den Ver.di bei der Auswertung anlegte. Wer nach Tarif bezahlt und
       einen Betriebsrat hat, dem war bereits Bronze sicher. Wer keine Rücksicht
       auf die Arbeitszeitwünsche von Eltern nimmt und mit Leiharbeitern und
       Werkverträgen operiert, konnte trotzdem noch Silber erlangen.
       
       So etwa das versilberte Kaufhaus des Westens (KaDeWe): Dort arbeite an der
       Kasse nur Personal, das eine externe Agentur anstellt, kritisierte selbst
       Ver.di-Fachbereichsleiterin Ritter. Damit ließen sich Tarifverträge umgehen
       und werde die Selbstvertretung der Arbeitnehmer erschwert. Auch in den mit
       Silber ausgezeichneten Berliner Edeka-Märkten von Reichelt arbeite nach 20
       Uhr fast ausschließlich Personal mit Werkverträgen. „Die verdienen
       natürlich weniger als die 20 Euro, die ein Festangestellter mit allen
       Zuschlägen bekommen würde“, sagte Ritter.
       
       Seit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten 2006 ist der Anteil der
       geringfügig Beschäftigten im Berliner Einzelhandel massiv gestiegen: Ein
       Viertel der 120.000 Arbeitenden sind Niedriglöhner und Nebenjobber. „Solche
       Beschäftigungsverhältnisse verdrängen qualifizierte Vollzeitarbeitsplätze“,
       so Ritter. Unter sozialen Gesichtspunkten sei von einem Einkauf nach 20 Uhr
       abzuraten.
       
       Trotzdem will Ver.di mit dem Ratgeber positive Aspekte würdigen: „Wir
       wollen unser Augenmerk nicht immer nur auf Skandale richten, sondern auch
       herausstellen, was vorbildhaft ist“, sagte Ritter.
       
       16 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Puschner
       
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