# taz.de -- Wissenschaftler boykottieren Verlage: Papier ist Macht
       
       > Über Forscherkarrieren bestimmen Fachmagazine. Dahinter stehen
       > Großverlage mit Milliardengewinnen. Nun wehren sich die Wissenschaftler.
       
 (IMG) Bild: Zwischen diesen Seiten steckt viel Wissen. Und Macht.
       
       BERLIN taz | Der Konflikt, den Forscher, Bibliotheken und
       Wissenschaftsverlage gerade ausfechten, ist ein sehr akademischer Kampf.
       Einer ohne Demonstrationen und Steinwürfe, ohne Sitzblockaden und
       Transparente. Dafür mit Präsentationen auf Konferenzen, Rechenbeispiele in
       Fachaufsätzen und Unterschriften in Onlinelisten. Es ist ein Kampf um die
       Macht über das Wissen.
       
       Seit Anfang des Jahres unterschrieben mehr als 12.500 Forscher einen Eid
       mit dem Titel „The Cost of Knowledge“. Es ist ein Boykott des größten
       Wissenschaftsverlages der Welt: Elsevier. Die Unterschreibenden geloben,
       keine Artikel mehr bei Elsevier zu veröffentlichen oder nicht mehr an der
       Herausgabe der Artikel mitzuarbeiten.
       
       Die Eliteuniversität Harvard rief ihre Wissenschaftler dazu auf, nicht mehr
       in teuren Journalen wie denen von Elsevier zu veröffentlichen. Harvards
       Bibliothek könne die Gebühren für all die Hefte kaum mehr aufbringen. Im
       Mai verkündeten die Mathematiker der TU München „aufgrund unzumutbarer
       Kosten und Bezugsbedingungen“ den Beschluss, alle Elsevier-Zeitschriften ab
       2013 abzubestellen.
       
       Es ist der erste große Aufstand gegen die Macht der Wissenschaftsverlage.
       Die Akademiker werfen Verlagen vor, ihre Macht über die Wissenschaftler
       auszunutzen. Wer es schafft, in ein angesehenes Magazin zu kommen, hat gute
       Chancen auf Jobs und Forschungsgelder – wer es nicht schafft, ist schnell
       raus. Aber neben Karrieren entscheiden die Verlage auch über die Fragen,
       auf welchen Wegen Wissen sich verteilt, wer wie viel zahlen muss, um Zugang
       zu bekommen. Und welche Erkenntnisse vielleicht nie an eine größere
       Öffentlichkeit gelangen werden.
       
       Laut einer Umfrage der Europäischen Kommission zur Zugänglichkeit von
       Forschung haben über achtzig Prozent der befragten Experten Probleme, an
       Wissenschaftspublikationen zu kommen. Als wichtigsten Grund dafür nannten
       sie die hohen Preise der Veröffentlichungen.
       
       ## 
       
       Die Gewinnmargen der Wissenschaftsverlage sind oft höher als die von Apple.
       Ihren Profit erwirtschaften sie mit Arbeit, die meistens längst bezahlt
       ist: durch Steuergelder. Die Wissenschaftler leben von
       Universitätsgehältern, forschen, stecken ihr Wissen in Artikel. Verlage
       verkaufen es für viel Geld an Universitätsbibliotheken zurück. Ein gutes
       Geschäft. Geschätzt nach Daten der Deutschen Bibliotheksstatistik gab
       Deutschland um die 200 Millionen Euro an Steuergeldern aus, allein dafür,
       Verlagen wie Elsevier Fachpublikationen abzukaufen.
       
       „Man kann sich sicherlich darüber streiten, was eine angemessene
       Gewinnmarge ist“, sagt Angelika Lux. Die 53-Jährige Biologin arbeitet seit
       1987 bei Elsevier. Heute ist sie „Vice President of Academic and Government
       Relations“ – sie kümmert sich um die akademischen Strippenzieher. „Wenn man
       jetzt sagen würde, dann gehen wir halt mit den Preisen runter, das wäre zu
       einfach“, sagt sie. Für Elsevier sei Value for Money wichtig, dass man für
       das Geld etwas von Wert bekommt.
       
       Politisch zeigt der Protest der Forscher nun erste Wirkungen: Institutionen
       wie die Max-Planck-Gesellschaft fördern offene Publikationswege,
       Großbritannien kündigte an, alle Forschungsergebnisse, für die der
       Steuerzahler Geld ausgibt, bis 2014 im Internet kostenlos zugänglich zu
       machen. Die EU-Kommission hat Ähnliches vor.
       
       Für das System, das die Akademiker kritisieren, stehen alle großen Verlage
       gleichermaßen. Auch die Forscher selbst stabilisieren den Einfluss der
       Unternehmen. „Die Grundhaltung von uns Wissenschaftlern muss sich ändern“,
       sagt der Neurobiologe Björn Brembs von der Freien Universität Berlin, der
       Vorträge zum Thema hält. Brembs tritt bald seine erste Professur an und
       sagt, dass er die Stelle wohl vor allem dem Fakt verdankt, dass er es mit
       seiner Forschung einmal in das einflussreiche Magazin „Science“ schaffte.
       
       ## Verlagssystem wie ein Sumpf
       
       Akademische Entscheider, sagt Brembs, dürften nicht mehr stupide nach
       Starpublikationen im Lebenslauf suchen, wenn sie Jobs und Gelder vergeben.
       Dann erst könnten sich Wissenschaftler von der Angst lösen, dass ihre
       Karriere von Magazinen abhänge. Und somit neue Wege entstehen, wie das
       Wissen der Welt frei wird.
       
       Brembs kämpft gegen das alte Verlagssystem – obwohl er darin feststeckt.
       Denn auch er profitiert von seinem „Science“-Erfolg, schreibt und arbeitet
       für Verlage wie Elsevier. Wie die meisten Wissenschaftler kann sich auch
       einer der tatkräftigsten Aufständischen von dem System, gegen das er
       kämpft, kaum lösen. Es ist das Dilemma der Forscher.
       
       Warum die ersten Wissenschaftsmagazine im siebzehnten Jahrhundert
       eigentlich Wegbereiter der Offenheit waren, wie der Forscher Björn Brembs
       gegen ein System rebelliert, von dem er nicht los kommt und wie die
       Managerin Angelika Lux und ihr Verlag versuchen, ihre Macht zu erhalten,
       lesen Sie in der Ganzen Geschichte über die Macht der Wissenschaftsverlage
       in der sonntaz vom 18./19. August 2012.
       
       18 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maria Rossbauer
       
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