# taz.de -- Bürgerwissenschaft auf dem Vormarsch: Auf gleicher Höhe
       
       > Die Bürgerwissenschaft ist im Kommen. Denn auch Laien sollen
       > mitentscheiden können, was erforscht wird. Wissenschaftsläden versuchen
       > zu vermitteln.
       
 (IMG) Bild: Bürgerwissenschaft: Schülerin macht einen Intelligenztest mit Orang-Utan „Buschi“ im Rahmen von „Jugend forscht“.
       
       Zwischen Laien und wissenschaftlichen Experten entwickelt sich ein neues
       Verhältnis. Die sogenannte Bürgerwissenschaft, im angelsächsischen Raum als
       Citizen Science verbreitet, ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch.
       Dabei werden Bürger nicht nur als Hilfswissenschaftler für
       Himmelsbeobachtungen und Vogelstatistik eingesetzt. Mehr denn je ist auch
       die Partizipation von Laien „auf Augenhöhe“ bei der Entscheidung über
       Forschungsprojekte gefragt, wie zwei Konferenzen in Bonn und Dublin
       zeigten.
       
       „Während viele Jahre bloß über Betroffene geforscht wurde, findet Forschung
       mittlerweile mit und letztlich für Betroffene statt“, erklärt Norbert
       Steinhaus vom Wissenschaftsladen Bonn, der kürzlich erstmals in Deutschland
       die Living-Knowledge-Konferenz veranstaltete. Dort diskutierten 250
       Teilnehmer aus Hochschulen und wissenschaftsnahen Institutionen aus 36
       Ländern drei Tage lang über die gesellschaftliche Verantwortung von
       Hochschulen.
       
       Ein Bindeglied zwischen Hochschulen und Bürgern sind die
       Wissenschaftsläden, von denen es 60 in Europa und neun in Deutschland gibt.
       Steinhaus illustriert die Arbeitsweise mit einer Anfrage, in der sich ein
       Kindergarten beim Wissenschaftsladen nach der Gefährlichkeit eines
       Mobilfunkmastes in unmittelbarer Nähe erkundigte.
       
       Schnell war eine Jungforscherin an der Hochschule Rhein-Sieg gefunden, die
       das Thema zu ihrer Diplomarbeit machte. Wie sich herausstellte, war der
       Mobilfunkmast in der Datenbank nicht korrekt verzeichnet und die
       Strahlenbelastung für den Kindergarten höher als von den Behörden
       kalkuliert. „Der Fall zeigt, wie Wissenschaftler vor Ort auf Probleme
       hinweisen und so den Bürgern helfen“, kommentiert Steinhaus.
       
       Die gesellschaftliche Orientierung wird inzwischen sogar vom Stifterverband
       für die Deutsche Wissenschaft unterstützt. Im vergangenen Jahr förderte der
       Stifterverband dieses Anliegen sogar mit einem Wettbewerb. „Eine
       Universität gewinnt enorm, wenn ihre Professoren und Studenten sich vor Ort
       engagieren“, betont Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär
       des Stifterverbandes.
       
       ## Einbeziehung der Betroffenen
       
       So wirkten Dortmunder Sozialwissenschaftler bei der
       Stadtentwicklungsplanung in einem Migrantenviertel mit. Allerdings nicht
       mit Modellen vom akademischen Tisch, sondern unter Einbeziehung der
       Betroffenen. Das Problem für die Hochschule: „Mit solchen Projekten kann
       man sich in Deutschland leider noch keine wissenschaftliche Reputation
       aufbauen. Es gibt zu wenig Anerkennung“, räumte Meyer-Guckel in Bonn ein.
       
       Auch bei der großen Wissenschaftskonferenz European Science Open Forum
       (Esof) im Juli, in der irischen Hauptstadt Dublin, war Bürgerwissenschaft
       das Topthema. „Involvement und Scientific Citizenship waren die großen
       Trends, die sich durch die Esof wie ein roter Faden zogen“, stellte Alex
       Gerber, Geschäftsführer der Berliner Innovationsagentur InnoKomm, fest.
       
       Als eines der wenigen Beispiele für Bürgerwissenschaft aus dem
       deutschsprachigen Raum nennt Gerber das Projekt [1][artigo.org], bei dem
       Professor Hubertus Kohle, Kunsthistoriker an der
       Ludwig-Maximilians-Universität München, etwa 10.000 Spieler dazu motivieren
       konnte, rund vier Millionen Schlagwörter zu sammeln – von Laien
       zusammengetragenes Wissen, was in dieser Fülle von einem klassischen
       „Forschungsprojekt“ in so kurzer Zeit nie hätte geleistet werden können.
       
       In Berlin will Gerbers Institut in Kürze das erste Schulungsprogramm für
       Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren zum Thema Citizen Science
       anbieten.
       
       23 Aug 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://artigo.org
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
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