# taz.de -- Mehr Komplikationen: Warnung vor reisenden Beschneidern
       
       > Wie die meisten Ärzte ist der Kinderchirurg Ralf Lippert der Empfehlung
       > der Berufsverbände gefolgt, keine Vorhäute ohne medizinische Indikation
       > abzuschneiden. Seitdem beobachtet er mehr Komplikationen.
       
 (IMG) Bild: Keine Kassenleistung: Bis zu 30 Jungs jährlich hat Ralf Lippert vor dem Kölner Urteil ohne medizinische Indikation die Vorhaut zurückgeschnitten.
       
       BREMEN taz | Vor der Zunahme von Operations-Komplikationen durch „reisende
       Beschneider“ warnt der Bremer Kinderchirurg Ralf Lippert. Nach dem im Juni
       bekannt gwordenen Urteil des Landgerichts Köln hatten die ärztlichen
       Berufsverbände den Urologen und Kinderchirurgen empfohlen, keine religiös
       motivierten Beschneidungen bei Jungen durchzuführen. Sie könnten sonst
       strafrechtlich belangt werden. Lippert hat sich daran gehalten und sogar
       geplante Operationen abgesagt. „Ich bin mir aber sicher, dass
       Beschneidungen trotzdem stattfinden“, sagt er.
       
       Bereits vor dem Urteil seien regelmäßig mehrere Jungen in nahen zeitlichen
       Abständen mit entzündeten oder blutenden Operationswunden in seiner Praxis
       gelandet. „Das können keine Zufälle gewesen sein, da muss jemand in der
       Stadt gewesen sein, den Eltern für Beschneidungen engagiert haben.“ Derzeit
       beobachte er wieder eine Häufung von Fällen.
       
       Lippert arbeitet seit 1998 als Kinderchirurg und seit sieben Jahren als
       niedergelassener Arzt. 300 bis 400 Jungen bekommen in seiner Praxis
       jährlich die Vorhaut zurückgeschnitten, in 20 bis 30 Fällen gibt es ihm
       zufolge keine medizinische Indikation.
       
       Komplikationen könnten wie bei jeder Operation auch nach einer fachgerecht
       gemachten Vorhaut-Beschneidung auftreten. Die Frage, ob es dann nicht
       besser wäre, eine medizinisch unnötige Operation abzulehnen, hat Lippert
       für sich beantwortet: „Dann macht es jemand anderes unter schlechteren
       Voraussetzungen.“ Außerdem wolle er sich nicht anmaßen, diese Entscheidung
       der Eltern zu bewerten.
       
       Allerdings ist es dem Arzt lieber, wenn die Kinder schon älter sind und
       selbst verstehen, was passiert. „Wir haben hier manchmal Sechsjährige in
       der Praxis, die sagen ’Ich will das jetzt, alle anderen haben das auch‘.“
       Obwohl es anders als bei Juden keine islamische Vorschrift gibt, wann die
       Vorhaut beschnitten werden soll, kämen sehr oft Eltern mit Babys oder
       Kleinkindern.
       
       Bei unter Einjährigen lehnt Lippert die Operation ab – auch weil er sie nur
       in Vollnarkose durchführt. Auf diese Grundsätze hatte sich im Jahr 2010 in
       Bremen ein runder Tisch aus Vertretern der kassenärztlichen Vereinigung,
       Kinderärzten und Urologen verständigt, Lippert hatte als Kinderchirurg
       daran mitgearbeitet. Anlass war, dass sich ÄrztInnen von Eltern unter Druck
       gesetzt fühlten, eine medizinische Indikation zu bestätigen, damit die
       Kasse für die Behandlung zahlte.
       
       Eine daran anknüpfende Aufklärungskampagne sei erfolgreich gewesen, sagt
       Lippert. „Das hatte sich schnell in Bremen herumgesprochen, dass das keine
       Kassenleistung ist.“ Dafür würden manche Eltern „schwer schlucken“, wenn
       sie den Preis für die Zirkumzision in Vollnarkose bei zwei Ärzten erfahren:
       350 Euro. „Ich kann nicht ausschließen, dass einige das deshalb bei jemand
       machen lassen, der nur lokal betäubt.“
       
       Der 43-Jährige erzählt, dass er vor einigen Jahren aus Interesse bei einem
       Beschneidungsfest dabei war, wo der Junge zuvor nur lokal betäubt worden
       war. Spätestens seitdem besteht er auf der Vollnarkose. „Das war furchtbar,
       sechs Männer mussten das Kind festhalten und es hat gebrüllt.“ Das Problem
       sei, dass die Spritze für die lokale Narkose an der Stelle sehr schmerzhaft
       sei.
       
       Für problematisch hält Lippert auch die Beschneidung von jüdischen Jungen,
       die im Alter von acht Tagen ohne Betäubung vorgenommen wird. „Eine
       Katastrophe, es gibt Studien, die belegen, dass solche früh erlittenen
       Schmerzen traumatisieren.“
       
       Die Diskussion um das Thema findet der Mediziner gut – hofft aber auf ein
       Ende der Rechtsunsicherheit. Zwar hat der Bundestag mit den Stimmen von
       CDU, FDP und SPD eine Resolution verabschiedet, wonach eine „medizinisch
       fachgerechte Beschneidung“ bei Jungen grundsätzlich zulässig sei. Laut
       Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sind die
       rechtlichen Fragen vertrackt. Sie rechnet mit Klagen vor dem
       Bundesverfassungsgericht – welche die Unklarheit auf Jahre verlängern
       können.
       
       17 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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