# taz.de -- Kommentar Angriff auf libysche Sufis: Noch ist alles offen
       
       > Libyens Bürger gehen wieder zur Arbeit und geben ihre Waffen ab.
       > Religiöse Extremisten rüsten auf und nutzen den Wunsch der Libyer nach
       > Normalisierung aus.
       
 (IMG) Bild: Dokumente von Gesuchten des libyschen Geheimdienstes unter Gaddafi, der laut Human Rights Watch mit der CIA zusammenarbeitete.
       
       Seit der Befreiung von der Willkürherrschaft des Gaddafi-Clans erleben die
       Libyer ein Wechselbad der Gefühle. Sie sind nun frei. Aber auch enttäuscht
       von den ewigen Stromausfällen, der weiterhin grassierenden Korruption und
       dem Zusammenbruch des Staates.
       
       Die völlige Anarchie brach aber nie aus. In Libyen ist jeder Teil eines
       komplexen sozialen Netzes, auf das Verlass ist. Die Milizen, oft als wilder
       Haufen beschrieben, waren und sind meist von Nachbarschaften organisierte
       Gruppen, mit Dienstplänen und Disziplin. Sie sind entstanden aus
       bürgerlichem Demokratiewillen.
       
       Dieses Engagement hat auch zu dem bisher überraschendsten Erfolg der
       Revolution geführt: den Kongresswahlen vom 7. Juli. EU-Chef-Wahlbeobachter
       Alexander von Lambsdorff beschrieb sie als eine der erstaunlichsten Wahlen,
       die er je gesehen habe, mit Präzision organisiert, mit fortschrittlichen
       Kräften als Sieger.
       
       Die Wahlen haben gezeigt, dass Libyen eine Perspektive hat. Die Bürger
       gehen wieder zur Arbeit, geben ihre Waffen ab. Religiöse Extremisten jedoch
       rüsten auf und nutzen den Wunsch der Libyer nach Normalisierung schamlos
       aus. Die libysche Gesellschaft ist muslimisch konservativ, vom Krieg
       traumatisiert, aber nicht radikalisiert. Noch hat sie nicht einmal die
       Kraft, die Vergangenheit zu verarbeiten. 42 Jahre gab es keinen
       unabhängigen Journalismus, keine frei zugängliche Bildung.
       
       Als Grund für die Zerstörung der Sufi-Moscheen in Zliten reichte den
       Extremisten, das Gerücht zu verbreiten, dort würde dunkle Magie betrieben.
       Tatsächlich ist pure Unwissenheit über das eigene Land und über seine
       Minderheiten der Nährboden für Extremisten. Ähnliche Schandtaten sind in
       dieser Übergangsphase zu erwarten. Europa muss jetzt die libysche
       Zivilgesellschaft massiv unterstützen und der neuen, demokratisch gewählten
       Regierung eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe anbieten. Sonst werden
       es andere tun.
       
       27 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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