# taz.de -- Atomkraft spaltet Pariser Koalition: Ein Industriezweig mit Zukunft
       
       > Frankreichs Sozialisten zoffen sich mit den Grünen über die Energieform
       > der Zukunft. In der französischen Linken tobt derzeit die Diskussion über
       > Atomenergie.
       
 (IMG) Bild: Bekannte sich zur Nukleartechnologie: Der französische Minister für den industriellen Wiederaufbau, Arnaud Montebourg.
       
       PARIS taz | Ein kurzer Satz genügte, um in Paris die rot-grüne
       Regierungskoalition ins Wanken zu bringen. Es handelte sich nicht bloß um
       eine unbedachte Bemerkung, als der sozialistische Minister für den
       industriellen Wiederaufbau, Arnaud Montebourg, im Fernsehen sagte, die
       „Atomenergie ist ein Industriezweig mit Zukunft“. Montebourg ist ein eher
       am linken Parteiflügel der Sozialisten angesiedelte Minister.
       
       Seine Aufgabe ist es, in der französischen Industrie zu retten, was es an
       Wettbewerbsfähigkeit und an Arbeitsplätzen zu retten gibt. Dazu soll nun
       offenbar auch die staatliche Atomindustrie ihren Beitrag leisten. Dass
       Montebourg das Bekenntnis pro Nukleartechnologie mit dem Brustton der
       Überzeugung ablegte, macht das Ganze für die grünen Regierungspartner zur
       Provokation.
       
       Der Kampf gegen die Atomenergie ist nämlich, um die ehemalige
       Präsidentschaftskandidatin Eva Joly zu zitieren, Bestandteil des
       „genetischen Erbguts“ der französischen Grünen (EELV). Entsprechend laut
       und energisch waren die Reaktionen auf Montebourgs Äußerung. Der grüne
       Abgeordnete Noël Mamère machte sogleich eine Grundsatzfrage für die
       Beziehungen mit den sozialistischen Koalitionspartnern daraus: „Wenn man
       uns weiterhin so auf die Füße tritt, müssen wir uns Fragen stellen.“
       
       Welche? Explizit stellte Mamère die Zusammenarbeit in den Linken in der
       Regierung infrage. Für Präsident François Hollande und seine Sozialisten
       ist klar, dass ein totaler Ausstieg aus der Atomkraft nicht Teil des
       Koalitionsvertrags ist. Er hat in seinem eigenen Wahlprogramm lediglich
       eine Verminderung des Anteils der Kernenergie am französischen Strommix von
       derzeit 75 auf 50 Prozent bis 2025 angekündigt.
       
       ## Mehr Taktgefühl
       
       Und bis 2017 die die Schließung einer ersten Anlage, Fessenheim im Elsass.
       In Wirklichkeit tobt derzeit auch innerhalb der französischen Linken, die
       lange mehrheitlich klar für Kernenergie waren, die Diskussion über Zukunft
       und Weiterentwicklung der Technologie. Trotzdem mahnte Hollande Montebourg
       zu etwas mehr Takt.
       
       Anstatt den Streit zu schlichten, legte die Linke inzwischen sogar noch
       nach. Die Grünen hatten sich kaum vom Atom-Affront erholt, als die
       sozialistische Umweltministerin Delphine Batho sie aufs Neue attackierte:
       Am Freitag sprach sie sich für den Bau des von Bauern und Grünen bekämpften
       Flughafens bei Nantes in Westfrankreich aus.
       
       31 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Frankreichs AKW-Betreiber: Vor dem Finanz-GAU
       
       Das AKW Fessenheim soll zügig vom Netz gehen. Für den Rückbau der
       französischen Atomkraftwerke gibt es aber fast keine Rücklagen. Zudem fehlt
       es an Erfahrung.
       
 (DIR) Türkische Atompläne: Kernkraftwerk auf Erdbebenspalte
       
       Die Türkei will ihren Energiehunger mit neuen Meilern stillen. Bis 2023
       sollen 23 Reaktoren am Netz sein. Die wenigen AKW-Gegner im Land haben es
       schwer.
       
 (DIR) Energieförderung von gestern: Atomkraft aus Elysium
       
       Mehrere EU-Staaten fordern, die Atomenergie wie erneuerbare Energien zu
       fördern. Ein Offenbarungseid, der zeigt, dass sich die Kernkraft nicht mehr
       rechnet.
       
 (DIR) Folgen des deutschen Atomausstiegs: Französischer AKW-Strom importiert
       
       Keiner in Europa produziert mehr Atomstrom als Frankreich. Seit dem
       Abschalten der deutschen AKWs nach Fukushima wird einfach mehr "sauberer"
       Strom aus dem Nachbarland importiert.
       
 (DIR) Greenpeace in Frankreich: Einfach ins AKW marschiert
       
       Französische Greenpeace-Aktivisten können sich ungehindert in ein
       Atomkraftwerk einschleusen und auf eine Reaktorkuppel klettern. Ihre
       Kritik: Aus Fukushima wurde nichts gelernt.