# taz.de -- Rechtsextremismus beim BVB: Meister im Wegschauen
       
       > Reichlich spät beginnt die Klubführung von Borussia Dortmund gegen die
       > rechte Unterwanderung der Fanszene vorzugehen. Der Staatsschutz war
       > schneller.
       
 (IMG) Bild: „Fußball ist die zentrale Rekrutierungsplattform der lokalen rechten Szene“, sagt Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer.
       
       Der Kampf um das schwarz-gelbe Saubermann-Image begann erst am
       Mittwochmittag. BVB-Präsident Reinhard Rauball trat vor die Presse im
       Dortmunder Rathaus und kündigte an, gemeinsam mit den Fanbeauftragten,
       Polizei, Stadt und Ordnungsdiensten eine „Task Force“ gegen rechts zu
       gründen. „Wir wollen verdeutlichen, dass wir nicht der Auffassung sind,
       dass dies ein Einzelfall ist“, sagte Rauball.
       
       Während der Bundesligapartie zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen
       hatten einige Dortmunder Fans auf der Südtribüne ein Banner entrollt.
       „Solidarität mit dem NWDO“ stand da – in Rot und Schwarz auf weißem Grund.
       „NWDO“ steht für den Nationalen Widerstand Dortmund, eine lokale Gruppe
       Autonomer Nationalisten, die einen Tag zuvor von NRW-Innenminister Ralf
       Jäger (SPD) verboten worden war.
       
       Beim Pokalspiel gegen den FC Oberneuland eine Woche zuvor hatte die rechte
       Hooligangruppierung Northside ein Plakat für den vor fünf Jahren
       verstorbenen Straßenkämpfer und Nazi Rico Malt entrollt. Die Northside ist
       dafür bekannt, ihre Siege in Kämpfen gegen verfeindete Gruppen mit
       Hitlergruß und „Sieg Heil“-Rufen zu feiern.
       
       Olaf Sundermeyer nennt die Reaktion des Vereins auf die Geschehnisse einen
       „Dammbruch“. Der Journalist und Buchautor beschäftigt sich schon seit
       Jahren mit der rechtsextremen Szene. „Borussia Dortmund weiß schon lange,
       dass Rechtsextreme auf der Südtribüne stehen, hat das aber zum Markenschutz
       bislang immer ausgeblendet“, kritisiert Sundermeyer. Etwa 70 bekannte
       Gesichter aus der rechtsextremen Szene gibt es nach seinen Schätzungen beim
       BVB, darunter sind auch führende Köpfe der Autonomen Nationalisten.
       
       ## Hohe Dunkelziffer
       
       Dazu komme eine hohe Dunkelziffer. Um sich nicht angreifbar zu machen,
       zeigen sie ihre Gesinnung aber in den wenigsten Fällen offen. Problematisch
       ist außerdem, dass es in den potenziell einflussreichen Ultragruppierungen
       keine starke Position gegen Rechtsextremismus gibt. Teilen der Gruppe
       Desperados werden ebenfalls Verbindungen zu den Autonomen Nationalisten
       nachgesagt, The Unity gibt sich betont unpolitisch.
       
       Die Stadt Dortmund gilt als Hochburg der Autonomen Nationalisten. Im
       Stadtteil Dorstfeld hatte die gewaltbereite Rechte jahrelang eine ruhige
       Brutstätte gefunden. „Der Fußball ist die zentrale Rekrutierungsplattform
       der lokalen rechten Szene“, sagt Olaf Sundermeyer. Erst seit Anfang des
       Jahres Norbert Wesseler zum neuen Polizeichef der Stadt ernannt worden ist,
       greift die Staatsgewalt hart gegen Rechtsextremismus durch.
       
       Die Rolle des Sports scheint ihr dabei durchaus bewusst zu sein. In der
       Rückrunde der vergangenen Saison beobachtete der Staatsschutz nach
       taz-Informationen jedes Heimspiel des BVB. Dass Rechtsextreme das
       Westfalenstadion als Bühne für politische Agitation nutzen, ist nicht neu.
       
       In den achtziger Jahren verbreitete die nazistische Hooligangruppierung
       Borussenfront (BF) um den als „SS-Sigi“ bekannten Siegfried Borchardt Angst
       und Schrecken in Dortmund. Obwohl gegen die Köpfe der Gruppierung längst
       ein Stadionverbot besteht, ist die Front keineswegs aus der Fanszene
       verschwunden.
       
       ## Großteils Alt-Hooligans
       
       Zuletzt zeigten sich vermehrt junge Leute mit Produkten der Gruppe in und
       um das Stadion, im Internet finden sich Fotos von einer vom NPD-Ortsverband
       organisierten Auswärtsfahrt. Auch das 30-jährige Jubiläum der Front wurde
       im Frühjahr in Dortmund gefeiert, dafür reisten Rechte aus ganz Deutschland
       an. Wie die taz aus Fankreisen erfuhr, sollen ehemalige BF-Mitglieder
       außerdem eine „Rückkehr der Borussenfront“ angekündigt haben.
       
       Die Dortmunder Polizei betont, dass es sich großteils um Alt-Hooligans
       handle, die den Mythos nur nutzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Rolf
       Marewski vom Dortmunder Fanprojekt nimmt die Entwicklung indes mit Sorge
       wahr. Man müsse beobachten, ob sich aus der Faszination eine Strömung
       entwickle. Der BVB hat erst zum Saisonstart das Tragen von BF-Produkten
       verboten, die Richtlinien gegen rechte Symbolik wurden verschärft. Die
       Reaktion kommt spät. Und vielleicht auch mit der Hoffnung, das
       schwarz-gelbe Saubermann-Image nicht ganz zu verlieren.
       
       1 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Carmesin
 (DIR) Jannis Carmesin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sportgeschichte
 (DIR) Dortmund
 (DIR) Hitlergruß
 (DIR) Fußball
 (DIR) Borussia Dortmund
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sportgeschichte und NS-Zeit: Er war nicht nur Stürmer
       
       Als links geltende Ultras von Borussia Dortmund führen das Bild des
       früheren Spielers August Lenz in ihrem Logo. Doch der war in der SA und der
       NSDAP.
       
 (DIR) Nationalsozialist im Dortmunder Stadtrat: SS-Siggis erster Arbeitstag
       
       Früher saß Siegfried Borchardt im Knast, nun sitzt er für „Die Rechte“ im
       Stadtrat. Einen Verbündeten hat er schon gefunden.
       
 (DIR) Griechischer Verband bestraft Fußballer: Lebenslange Sperre nach Hitlergruß
       
       Torjubel mit Folgen: Der griechische Nationalspieler Giorgos Katidis feiert
       ein Tor mit dem Hitlergruß. Nun darf er nie wieder in der
       Nationalmannschaft auflaufen.
       
 (DIR) Rechtsextreme im Fußball: Gezielt unterwandert
       
       Die NPD hat versucht, Fans von Rot-Weiß Erfurt und Carl Zeiss Jena zu
       ködern. Während man in Jena clever reagiert, gibt man sich in Erfurt
       politisch naiv.
       
 (DIR) Nazis in Fankurven: Warten auf ein Zeichen
       
       In den Kurven der Bundesligastadien machen sich Nazis breit. Die Masse der
       Anhänger schweigt – auch in Dortmund ist man ratlos.
       
 (DIR) Dortmund siegt gegen Leverkusen: „Ein brettstarkes Spiel“
       
       Die Dortmunder wollen sich ihren 3:0-Erfolg gegen Leverkusen nicht
       schlechtreden lassen. Auch international soll es bald besser laufen.
       
 (DIR) Gewaltbereite Fußballfans: Lernen in der Kurve
       
       Die ausufernde Gewalt im deutschen Fußball erschreckt mehr den je. Nun
       fordern die Fanprojekte die Vereine zum Dialog auf.
       
 (DIR) Kinder von Rechtsextremen: Das rechte Wohl des Kindes
       
       Nach der Scheidung von Neonazi Markus Privenau und ihrem Ausstieg versucht
       Tanja Privenau die gemeinsamen Kinder von Vater und Neonazis fernzuhalten.
       
 (DIR) Verbotene Demonstration: Dortmunds Neonazis tauchen ab
       
       Nach dem Verbot ihrer Großkundgebung ist von Dortmunds aggressiver
       Neonazi-Szene nichts zu sehen. Demonstriert wurde stattdessen gegen
       Faschismus.
       
 (DIR) Kommentar Neonazis in Dortmund: Der Spuk ist noch nicht vorbei
       
       Trotz des Verbots des „Nationalen Antikriegstags“ in Dortmund besteht kein
       Grund zur Entwarnung.
       
 (DIR) Fürth besiegt Mainz: Der erste Bundesligasieg
       
       Greuther Fürth siegt mit 1:0 gegen den FSV Mainz – es ist der erste Sieg in
       der Bundesliga des Vereins. FSV-Trainer Tuchel findet sein Team noch zu
       verkrampft.
       
 (DIR) Bundesliga-Auftakt in Dortmund: Bremen spielt gut, aber verliert
       
       Auftakt auf Augenhöhe: Im ersten Spiel der 50. Bundesliga-Saison schlägt
       Dortmund ein überraschend gut eingestelltes Werder Bremen dank besserer
       Chancenverwertung mit 2:1.
       
 (DIR) H.-J. Watzke zur 50. Bundesliga-Saison: „Fußball ist demokratisch“
       
       Am Freitagabend startet die 50.Bundeliga-Saison. BVB-Geschäftsführer
       Hans-Joachim Watzke über den Verein, Schwulenfeindlichkeit und Fankultur im
       deutschen Fußball.