# taz.de -- Neue Rekorde bei Paralympics: Über die Schmerzgrenze
       
       > Der Deutsche Heinrich Popow läuft trotz schlechter Bahn über 200 Meter
       > Bestzeit mit Prothese und gewinnt Bronze. Ein Brite siegt in
       > Weltrekordzeit.
       
 (IMG) Bild: Heinrich Popow zusammen mit Vance Shaquille, der Silber, und Richard Withehead, der Gold gewann.
       
       Heinrich Popow ist sauer. Dabei hat er gerade nicht nur Bronze im
       200-Meter-Lauf für Athleten mit Prothesen gewonnen, sondern auch noch seine
       persönliche Bestzeit (25,9 Sekunden) unterboten. Er hätte besser laufen
       können, wenn man ihn nicht auf die linke Innenbahn verbannt hätte, schimpft
       er.
       
       Popow, der am linken Bein eine Prothese trägt, erklärt, beim Sprint zieht
       dieses Bein mit der Blade nach links, genau dahin, wo eine
       Kunststoffbarriere die Abgrenzung markiert. Angesichts dieses Nachteils ist
       der Ärger von Popow verständlich. Er hätte an diesem Tag eine Zeit laufen
       können, die für ihn einen Quantensprung bedeutet hätte.
       
       So jedoch musste der Läufer aus Bayer Leverkusen Vance Shaquille, der
       Silber und Richard Withehead, der Gold gewann, den Vortritt lassen.
       Withehead, der auf zwei Prothesen läuft, rollte im Olympiastadion von
       London spektakulär das Feld von hinten auf. Der Engländer profitierte
       davon, dass er im Unterschied zu seinen Konkurrenten, die nur mit einer
       Prothese starteten, dank der modernen Karbonfedertechnik auf den letzten
       Metern schneller beschleunigen kann. Withehead erzielte gar einen neuen
       Weltrekord mit 24.38 Sekunden.
       
       Bei der Pressekonferenz im Deutschen Haus in London saß Popow neben seinem
       Leverkusener Teamkollegen und jetzt paralympischen Goldmedaillengewinner im
       Weitsprung, Markus Rehm, der mit 7,35 Metern ebenfalls eine persönliche
       Bestleistung aufstellte. Zu den beiden Leichtathleten gesellte sich dann
       auch noch der Radfahrer Tobias Graf, der Silber und Bronze für die
       Einzelzeitrennen über 1.000 und 3.000 Meter holte.
       
       Rehm und Popow waren sich einig, dass ihre Unterstützung in Leverkusen
       ideal ist. Dort würden beide mit den Leichtathletik-Frauen trainieren, und
       zwar ohne irgendwelche Abstriche beim Pensum, auch wenn, so Popow, ihn die
       Prothese aufgrund der hohen Belastung immer wieder mal schmerze. Er findet
       es gut, dass der Verein da keine Unterschiede macht.
       
       ## Nachwuchs generieren
       
       Dr. Karl Quade, der deutsche Chef der Mission, meinte, dass man sich
       aufgrund der Professionalisierung des Behindertensports auf dem gleichen
       Niveau wie die nicht behinderten Athleten an weitere Weltrekorde gewöhnen
       müsse. Wie zum Beweis hatte der Südafrikaner Oskar Pistorius noch am
       gleichen Tag den 200-Meter-Weltrekord gebrochen. Begünstigt werden diese
       Bestleistungen gewiss auch von der ausgezeichneten Stimmung in London. Röhm
       und Popow empfinden sie als sehr motivierend.
       
       „Ich bin wegen der Stimmung“, so Popow, „da, wo es normalerweise wehtut,
       nicht gestorben.“ Radfahrer Tobias Graf sah das anders. „Im Velodrom kommen
       schon mal 130 Dezibel auf, deshalb bin ich mit Ohrstöpseln gefahren.“ Popow
       hatte für solche Maßnahmen gar kein Verständnis. „Da beklagen wir uns
       stets, dass wir nicht genug Zuschauer haben. Ich fand das geil!“
       
       Nach den Paralympics wollen sich Popow und Rehm vor allem um den Nachwuchs
       kümmern. Man müsse viel früher anfangen, die Kinder vom Sport zu
       begeistern. Bei Kindern mit Amputationen müsste man das indes oft ohne
       Sportprothesen machen, da diese individuell und speziell angefertigt
       werden.
       
       Der Nachwuchs wird mittlerweile auch über ganz neue Wege generiert.
       Facebook und Twitter erweisen sich dabei erstmals bei den Paralympics in
       London als äußerst nützlich. Popow und sein Coach waren erst sehr skeptisch
       gegenüber den modernen Kommunikationskanälen eingestellt – vergeudete Zeit,
       dachten sie, die man doch viel sinnvoller ins Training stecken könnte.
       „Aber jetzt“, erzählt Heinrich Popow, „haben wir durch Facebook fünf
       interessierte Athleten gefunden, von denen drei jetzt sofort einsteigen
       wollen.“
       
       2 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sotschi 2014
       
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