# taz.de -- Weniger Chancen: Senat will lieber keine Behinderten
       
       > Hamburg plant, frei werdende Stellen nicht mehr an die Arbeitsagentur zu
       > melden. Das bringt schwerbehinderte Interessenten um ihr
       > festgeschriebenes Recht auf ein Bewerbungsgespräch.
       
 (IMG) Bild: Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf ein Vorstellungsgespräch.
       
       HAMBURG taz | Inklusion ist in aller Munde, heute stellt Hamburgs
       Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) seine Pläne vor, wie er Jobs für
       Schwerstbehinderte auf dem freien Arbeitsmarkt schaffen will. Der Grüne
       Abgeordnete Anjes Tjarks spricht von „Heuchelei“. Denn just der gleiche
       SPD-Senat treffe hinter den Kulissen Vorbereitungen, Menschen mit
       Behinderungen „von ihren Bewerbungsmöglichkeiten fernzuhalten“.
       
       Tjarks bezieht sich auf den Entwurf einer Drucksache, in der die Hamburger
       Landesregierung darlegt, wie sie bis zum Jahr 2020 mindestens 2.500 Stellen
       abbauen kann, um die Schuldenbremse einzuhalten. Neben Abfindungen für
       städtische Beschäftigte soll es nun neu die Möglichkeit geben, freie
       Stellen „behördenintern auszuschreiben“.
       
       Der Arbeitsagentur sollen diese Stellen nicht gemeldet werden. Würden sie
       gemeldet, so hätten alle schwerbehinderten Interessenten das Recht, zu
       einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das geht aus Paragraf 82
       des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) zur Rehabilitation und Teilhabe
       behinderter Menschen hervor. Dies gilt nur dann nicht, wenn „die fachliche
       Eignung offensichtlich fehlt“.
       
       Doch die Hamburger Verwaltung will sich die Mühe dieser Gespräche offenbar
       sparen. Zwar bestehe ein „rechtliches Risiko“, dass die Stadt von
       Betroffenen wegen Diskriminierung zu Schadenersatz verkldagt werden könne,
       das sei aber „hinnehmbar“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Es
       gebe bislang noch keine Gerichtsentscheidung zu solch einem Fall.
       
       Die Grünen-Fraktion wertet dies als soziale Bankrotterklärung. „Der Senat
       hat die Aufgabe, vor Diskriminierung zu schützen“, sagt deren
       Sozialpolitikerin Katharina Fegebank. „Aber hier will er Ausgrenzung
       offenbar selbst betreiben und hofft, dass keiner gegen diese Praxis klagt.“
       Der Sozialsenator müsse die Drucksache stoppen, ergänzt Fraktionskollege
       Tjarks. Andernfalls sei seine Inklusionsinitiative nicht ernst zu nehmen.
       
       Da es sich um ein Papier des Senats handelt, muss offiziell nicht die
       Sozialbehörde, sondern die Senatspressestelle Stellung nehmen. Dessen
       Sprecher Jörg Schmoll wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. „Die
       Drucksache ist noch in der Behördenabstimmung“, sagt er. Solange dies der
       Fall sei, werde man dazu nichts sagen.
       
       Die Arbeitsrechtlerin Barbara Ede sieht in der Vorlage einen Widerspruch
       zum Paragraf 82 SGB IX. „Ohne sachliche Gründe ist es nicht gerechtfertigt,
       frei werdende Stellen der Arbeitsagentur nicht zu melden.“ Das habe das
       Bundesverwaltungsgericht entschieden. Als sachlicher Grund galt in dem
       Verfahren, dass es um eine Stelle beim Auslandsnachrichtendienst ging.
       Solche Gründe müssten „im Einzelfall dargelegt werden“, so Ede.
       
       In Hamburg gibt es 3.600 behinderte Menschen, die arbeitslos sind. Mit der
       heute gestarteten „Initiative Inklusion“ sollen 30 Ausbildungsplätze und
       100 Jobs für ältere schwerbehinderte Menschen geschaffen werden. Für jeden
       Platz gibt es bis zu 10.000 Euro Zuschuss aus einem Bund-Länder-Programm.
       Senator Scheele nannte dies ein „deutliches Signal“. Bei steigendem
       Fachkräftemangel könne man es sich nicht erlauben, auf diese hoch
       motivierten Menschen zu verzichten.
       
       6 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Inklusion
       
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