# taz.de -- Prozess zum ungarischen Volksaufstand: Stalinist wegen Mordes vor Gericht
       
       > Béla Biszkú soll an der Niederschlagung des Aufstandes im Jahr 1956
       > beteiligt gewesen sein. Jetzt steht der 91-jährige vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Wegen des Verdachts auf Verbrechen beim Volksaufstand 1956 vor Gericht: Béla Biszkú.
       
       WIEN taz | Béla Biszkú, Ungarns Innenminister nach dem Volksaufstand 1956,
       wurde am vergangenen Freitag in Budapest festgenommen und verhört. Das
       bestätigte Generalstaatsanwalt Tibor Ibolya.
       
       Die Justiz wirft dem 91-jährigen Exfunktionär vor, den Schießbefehl gegen
       unbewaffnete Demonstranten gegeben zu haben und auch sonst führend an der
       blutigen Niederschlagung der Volkserhebung beteiligt gewesen zu sein. Schon
       vor einem Jahr war gegen ihn wegen „Leugnen kommunistischer Verbrechen“
       ermittelt worden.
       
       Biszkú, der von 1957 bis 1961 amtierte, ist der erste Repräsentant des
       stalinistischen Regimes, gegen den die Justiz vorgeht. Ungarische Medien
       sehen die Festnahme des Greises in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen
       den in Abwesenheit als Kriegsverbrecher verurteilten Faschisten László
       Csatáry, der im Juli vor Gericht erscheinen musste und jetzt unter
       Hausarrest steht.
       
       Der 97-jährige ehemalige Polizeikommandant von Kosice hatte nach Jahren des
       Exils in Kanada jahrelang unbehelligt in Ungarn gelebt. Ungarns
       Rechtsextreme sollen das als Signal sehen, dass die Justiz nicht einseitig
       gegen Faschisten einschreitet.
       
       ## Durchgreifen gegen die Konterrevolution
       
       Auch Biszkú konnte bis zuletzt im Fernsehen die Repression von damals
       verteidigen. In einem Dokumentarfilm über sein Leben bekräftigte Béla
       Biszkú, dass er keine Reue wegen der Todesurteile verspüre. Das
       unbarmherzige Durchgreifen sei gegen die „Konterrevolution“ unvermeidlich
       gewesen.
       
       Der mit Unterstützung sowjetischer Truppen niedergeschlagene Aufstand hatte
       auf ungarischer Seite rund 2.500 Tote gefordert. Weitere 350 Menschen
       wurden später nach Schauprozessen hingerichtet.
       
       Biszkú verlor in den frühen 1970er Jahren seinen Einfluss, als er gegen den
       damaligen Premier János Kádár konspirierte, weil dieser seiner Meinung nach
       vom stalinistischen Kurs abgekommen war. Das Gesetz, das Leugnen
       kommunistischer Verbrechen unter Strafe stellt, stammt von 2007 und wurde
       von der damaligen sozialliberalen Regierung eingebracht.
       
       Ursprünglich ging es nur um den Tatbestand des Leugnens und Verharmlosens
       des Holocaust. Die heute regierende Fidesz reklamierte auch die
       Verurteilung des anderen Extrems in dem neuen Paragrafen 269c. Biszkú droht
       lebenslange Haft, sollte er im Sinne der Staatsanwaltschaft verurteilt
       werden.
       
       13 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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