# taz.de -- Internationales Literaturfestival: Abgetrennt vom Rest der Stadt
       
       > Große Worte (11): Die Autorin Priya Basil verlagert ihre Lesung in die
       > JVA Moabit. Und findet dort knallwache Zuhörer.
       
 (IMG) Bild: Karge Flure in der JVA: Der Linoleumboden schluckt die Geräusche.
       
       Das Gebäude schluckt alle, die es betreten. Eine schwere Tür nach der
       anderen fällt hinter einem ins Schloss. Lange, nackte Korridore führen
       durch Sicherheitsschleusen, vorbei an verriegelten Zellen, immer tiefer
       rein. Und dann steckt man im Bauch der JVA Moabit – zusammen mit der
       britischen Autorin Priya Basil und dem Übersetzer Bernhard Robben. Basil
       liest in einem sogenannten Mehrzweckraum aus ihrem Roman „Die Logik des
       Herzens“ vor 60 Inhaftierten. Sie mussten sich bei der Gefängnisleitung um
       die Teilnahme bewerben. „Wir achten darauf, das hier keine Tatgenossen
       aufeinander treffen“, sagt ein JVA-Mitarbeiter.
       
       Jedes Jahr findet im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals so eine
       Gefängnislesung statt. Die Autoren würden eher nach der Persönlichkeit
       ausgesucht und weniger nach ihren Themen, erklären die Organisatoren. Basil
       kommt aus einer indischstämmigen Familie und arbeitet sich in ihren Romanen
       an migrantischen Familien ab. Man kann sich die Autorin als eine höfliche
       und aufmerksame Person vorstellen, die nun leicht nervös auf ihren Einsatz
       wartet.
       
       Die Lesung wird von dem Auftritt einer Gefängnisband eingeleitet, die
       keinen Namen hat, weil die Bandmitglieder zu häufig wechseln. In Moabit
       sitzen viele der insgesamt 1005 Inhaftierten ihre Untersuchungshaft ab,
       bevor es entweder raus oder in ein anderes Gefängnis geht. Die Band hat
       Freude an pophistorischen Referenzen: Sie ebnet Basil mit einem
       Knast-Klassiker den Weg – „Ring of Fire“ von Johnny Cash, der zu seiner
       Zeit gerne Mal mit Gefängniskonzerten überraschte. Die Männer spielen so
       laut und wild, als sei der Mehrzweckraum ein Stadion, das mit Sound
       durchgespült werden will. Nach dieser akustischen Grundreinigung kann
       Basils Text seine Wirkung entfalten.
       
       Die Inhaftierten hören die Geschichte zweier Menschen, die sich lieben,
       denen dabei aber ihre unterschiedlichen Religionen und Herkünfte in die
       Quere kommen. Basil kämpft sich mit dem Roman an ihren eigenen Vorurteilen
       gegenüber jeder Art von Religion ab. „Wie soll das besser gehen als mit
       einer Liebesgeschichte?“, fragt sie in den Raum. „Wenn wir mit jemandem
       zusammen leben, der von anderen wegen ihres Glaubens abgelehnt wird, trifft
       uns das zutiefst.“ „Hast du das selbst erlebt?“, fragt einer der Zuhörer
       nach, und sofort sind alle knallwach. Denn Basil hat es selbst erlebt und
       erzählt auf dem Podium offen von ihrer Beziehung mit einem 15 Jahre
       älteren, deutschen Atheisten. Ihre Eltern hatten gehofft, sie heirate mal
       einen indischen Sikh. Im Publikum besprechen zwei Sitznachbarn daraufhin im
       Flüsterton das Scheitern ihrer eigenen interreligiösen Ehen.
       
       Es ist eine intime Atmosphäre, die hier abgetrennt vom Rest der Stadt
       entsteht. Die Lesung macht einen Raum auf, in dem hart aussehende Männer
       mit kahlrasierten Köpfen und küchenkommodenbreiten Kreuzen die Autorin
       unvermittelt danach fragen, ob es wohl mehr Gutes oder Schlechtes gebe in
       der Welt. So richtig weiß darauf niemand eine klare Antwort.
       
       14 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joanna Itzek
       
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