# taz.de -- Ergebnis-Kratzer für THW Kiel: Langeweile light
       
       > Der THW Kiel gibt in der Handball-Bundesliga nach eineinhalb Jahren mal
       > wieder einen Punkt ab. Das Remis erzwangen die Füchse Berlin.
       
 (IMG) Bild: Berlins Ivan Nincevic (Mitte) kämpft sich gegen die Kieler Deckung durch.
       
       Der THW Kiel gibt in der Handball-Bundesliga nach knapp eineinhalb Jahren
       mal wieder einen Punkt ab. Die Dominanz der Kieler aber wird auch nach dem
       26:26 (12:9) bei den Füchsen Berlin andauern. Man stelle sich vor, der FC
       Bayern würde mit 34 Siegen die Meisterschaft in der Bundesliga gewinnen.
       
       In der Handball-Bundesliga ist ein solcher Fall in der vergangenen Saison
       eingetreten. Der THW Kiel gewann 34 Spiele am Stück. Auch in der jetzigen
       Saison scheint die Angst vor einem erneut gähnend langweiligen Titelkampf
       allzu begründet: Die Kieler haben weder an Finanzkraft noch an personeller
       Qualität eingebüßt, Konkurrenz ist nicht in Sicht.
       
       Dass nun das 26:26 (9:12)-Unentschieden der Kieler bei den Füchsen in
       Berlin als mittelschwere Sensation gilt, erzählt somit viel über den Status
       Quo in der obersten Handball-Liga des Landes.
       
       Denn die Berliner, Champions League-Vierter der Vorsaison, gehören
       mittlerweile zu den deutschen Topmannschaften – und am Sonntagabend waren
       sie tatsächlich die Ersten seit 501 Tagen (am 04.05.11 verlor Kiel in
       Magdeburg), die den Kielern überhaupt mal einen Punkt abnehmen konnten.
       
       ## „Zum Wohle des Handballs einen Punkt liegen gelassen“
       
       „Zum Wohle des Handballs haben wir mal einen Punkt liegen gelassen“, sagte
       THW-Coach Alfred Gislasson nach dem Match. Für die Liga heißt die neue
       Kieler Nachlässigkeit hingegen nur, dass nun Langeweile light statt
       Langeweile pur herrscht.
       
       Die Berliner feierten das Unentschieden in der mit 9.000 Zuschauern
       ausverkauften Max-Schmeling-Halle wie einen Sieg – als später „So sehen
       Sieger aus“ aus den Lautsprechern tönte, wurde es etwas absurd. „Ein
       gefühlter Sieg“, verbesserte sich auch Füchse-Manager Bob Hanning schnell
       bei der Pressekonferenz, als er an sein Team Komplimente verteilte.
       
       Eigentlich zeigte der für die Berliner glückliche, durch zwei Siebenmeter
       errungene Ausgleich kurz vor Schluss lediglich, dass der THW selbst dann
       nicht verliert, wenn sie gegen einen wie der Teufel kämpfenden Gegner müde
       und fahrlässig agieren. Einen Vier-Tore-Vorsprung sieben Minuten vor dem
       Ende (24:20) lassen sich die Kieler normalerweise jedenfalls nicht nehmen.
       
       Der frühe Saisonzeitpunkt tut sein Übriges: Der THW hat sieben
       Olympiafahrer in seinen Reihen – darunter die Olympiasieger Daniel Narcisse
       und Torhüter Thierry Omeyer –, die schlicht überspielt sind. Sportlich sind
       die Kieler trotz des Weggangs ihres Rückraumstars Kim Andersson (der
       eigentlich zum insolventen AG Kopenhagen wollte und derzeit in Kolding
       spielt) mindestens gleichwertig besetzt in der neuen Spielzeit.
       
       Mit Niclas Ekberg konnte der Olympia-Torschützenkönig verpflichtet werden.
       Auch der isländische Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson ist ein
       Hochkaräter. Die Nationalspieler Patrick Wiencek, Marko Vujin (vom MKB
       Veszprem) und Rene Toft Hansen (Kopenhagen) komplettieren die Reihe starker
       Neuzugänge.
       
       ## Drei Brecher
       
       Dazu haben die Kieler mit Marcus Ahlm, Momir Imic und Filip Jicha ihre drei
       Brecher behalten können, die insgesamt sechs Meter lang und gefühlt auch
       vier Meter breit sind. Den starken Christian Zeitz nicht zu vergessen, die
       kleinere Brecher-Version.
       
       Die Konkurrenten hingegen – der HSV Hamburg, die Rhein-Neckar Löwen und der
       SG Flensburg-Handewitt – sind allesamt klamm. Beim HSV und bei den Löwen
       sind die Mäzen-Modelle beendet. Bei den Hamburgern klafft noch eine
       Etatlücke von einer Million, die Löwen mussten den Etat um zwei Millionen
       zurückschrauben.
       
       Beim HSV gilt es, den Abgang der Gille-Brüder Bertrand und Guillaume zu
       verkraften, der namhafteste Neuzugang ist das Kreisläufer-Talent Andreas
       Nilsson. Und in Mannheim setzt man nun vermehrt auf junge Spieler, Ausgang
       ungewiss. Beim Vizemeister Flensburg, der vom Etat her (5,7 Millionen
       gegenüber 9,5 Millionen) längst hinter Kiel zurückgefallen ist, könnten die
       Ausfälle von Holger Glandorf und Jungstar Petar Djordjic, die wohl beide
       länger fehlen, schwer wiegen.
       
       Bleiben: Die Füchse. Die Berliner werden sicher auch wieder einen
       internationalen Platz erlangen, vielleicht gar Vizemeister werden. Aber zum
       Titel wird es nicht reichen. Das zeigte sich auch am Sonntag im direkten
       Duell: Die Füchse um die Regisseure Bartolomiej Jaszka und Iker Romero
       müssen als Team zu hundert Prozent eingespielt sein, dann geht was.
       
       Diesmal kam man über den Kampf zum Punktgewinn. Aber Typen wie Jicha, Ilic
       oder Zeitz, die ein Team an einem mittelmäßigen Tag durch individuelle
       Klasse retten, haben sie nur bedingt in ihren Reihen. Einzig auf der
       Torwartposition, die ein weiteres Mal von Silvio Heinevetter (und auch
       später durch Petr Stochl) brillant ausgeführt wurde, konnten die Füchse mit
       Omeyer auf der anderen Seite mithalten.
       
       ## Junge Spieler einbinden
       
       „Insgesamt ist Kiel besser, auch heute waren sie es“, sagte Füchse-Coach
       Dagur Sigurdsson. Sein Team geht ohne große Veränderungen in die neue
       Saison. Der Verlust von Alexander Petersson (er ging zu den
       Rhein-Neckar-Löwen) wird wohl nicht so schwer wiegen, Rückraumspieler Borge
       Lund wurde im Gegenzug verpflichtet.
       
       Als Handball-Fan kann man nur hoffen, dass das nachhaltige Modell der
       Füchse, die immer wieder junge Spieler einbinden, auch in dieser Saison
       funktioniert. „Wenn wir als Kollektiv funktionieren, sind wir sehr schwer
       zu schlagen“, sagte Nationalspieler Sven-Sören Christophersen.
       
       Schwer zu schlagen sein, wird aber weiterhin auch die Übermannschaft aus
       dem Norden. Wenn die aber Handball von einem anderen Stern spielen, so sind
       doch die Füchse zumindest kurz in dieselbe Galaxie eingetaucht.
       
       17 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
       ## TAGS
       
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