# taz.de -- Kolumne American Pie: Schiri, wir lieben dich!
       
       > In Amerikas Profifootball-Liga NFL streiken die Schiedsrichter. Die
       > Amateure, die sie vetreten, seien noch viel größere Pfeifen, sagen die
       > Spieler.
       
 (IMG) Bild: Die Packers können es nicht fassen: Die Referees entscheiden auf Touchdown und Sieg Seattle.
       
       „Diese ganze Scheiße gerät außer Kontrolle“, entfährt es
       Green-Bay-Tight-End Jermichael Finley in der Nacht zum Dienstag auf
       Twitter. Auch einige Teamkollegen greifen tief in die
       Obszönitäten-Schublade. Gerade hatten die Packers 12:14 bei den Seattle
       Seahawks verloren – in äußerst fragwürdiger Manier. Das Schiedsrichterteam
       entschied in letzter Sekunde auf Touchdown für Seattle, obwohl deren Wide
       Receiver Golden Tate im Kampf um den Ball mit Gegenspieler M.D. Jennings
       ein dem Vernehmen nach klares Foul beging.
       
       Jennings hatte zuerst Kontrolle über den Ball, was den Spielzug zugunsten
       der Gäste hätte entscheiden müssen. „Es ist einfach grauenhaft“, sagte auch
       Packers-Quarterback Aaron Rodgers direkt nach dem Spiel. „Das Schlimmste
       ist ja, dass die Referees sich die Szene noch einmal auf dem Monitor
       angesehen haben und bei ihrer Entscheidung geblieben sind. Das ist doch ein
       Witz.“
       
       Das ist nur eine weitere Episode dieses Starts in die diesjährige
       NFL-Saison, in der die Schiedsrichter eine ungeahnt prominente Rolle
       spielen. Der Tarifvertrag mit den offiziellen Unparteiischen ist im Juni
       ausgelaufen, ein neues Abkommen mit der „NFL Referees Association“ wurde
       verfehlt. Die Liga hat seitdem die professionellen Spielleiter ausgesperrt
       und setzt an Pfeife und Seitenlinie auf Ersatzleute, deren Erfahrung sich
       oft auf College- oder gar nur High-School-Partien beschränkt.
       
       So übertreffen sich die Notlösungen, gelinde gesagt, an Stümpereien und
       Unzulänglichkeiten. Im Spiel Washington gegen Cincinnati wollte einer der
       Unparteiischen in den letzten Atemzügen der Partie eine
       10-Sekunden-Zeitstrafe gegen die Hauptstädter aussprechen, dabei waren
       diese gerade im Angriff, die Strafe hätte das Spiel beendet.
       Offensivkoordinator Kyle Shanahan stürmte protestierend aufs Spielfeld und
       schrie sich die Seele aus dem Leib.
       
       ## Anhaltender Arbeitskampf
       
       Auch bei der folgenden Strafe für Shanahans Ausraster gab es Verirrungen,
       die Redskins-Offensive wurde um 20 statt der üblichen 15 Yards
       zurückversetzt. New-England-Patriots-Coach Bill Belichick wurde nach der
       30:31-Niederlage gegen Baltimore fast handgreiflich, berührte einen
       Schiedsrichter auf dem Weg zur Kabine – ein absolutes Tabu. Ein
       umstrittenes Field Goal hatte die Partie mit der Schlusssirene entschieden.
       
       „Ich stand an der Seitenlinie und sah, dass es eine ziemlich knappe Sache
       war, so wie der Ball nach rechts oben in Richtung Tor flog“, erklärt der
       Erfolgstrainer nun. „Die Ravens jubelten schon, aber von einigen meiner
       Spieler bekam ich das Signal, dass er vorbeigegangen ist. Also wollte ich
       eine Erklärung der Referees.“ Diese aber ließen sich auf dem Weg vom
       Spielfeld nicht aufhalten, was den eigentlich so routinierten Belichick
       noch mehr in Rage versetze. „Ich wollte nun einmal wissen, ob sie sich die
       Szene noch einmal ansehen würden“, beteuert der vielfache Meistercoach.
       
       Sie taten es nicht. Gehören schon die angestammten Schiedsrichter nicht zu
       den Lieblingen von Spielern und Trainern, so sind die Aushilfen schon jetzt
       zum Stein des Anstoßes geworden. Dabei dürfen sie sich die Rolle als
       Hassobjekt mit der Ligaführung teilen. „Wir sind schon jetzt an einem
       Punkt, an dem es nur noch peinlich ist. Eine Schande, dass die Liga so
       etwas zulässt“, sagt Quarterback Drew Brees von den New Orleans Saints.
       „Den Referees mache ich keinen wirklichen Vorwurf, sondern vielmehr denen,
       die zulassen, was wir gerade erleben.“
       
       Die Rückkehr zum angestammten Schiri-Personal indes scheint noch eine Weile
       dauern zu können. Auch bei einem Treffen am Sonntag konnte keine Einigung
       im Arbeitskampf erzielt werden, gerade im Punkt der Altersvorsorge sind
       sich beide Seiten noch immer nicht einig. Eines ist trotzdem klar: Noch nie
       wurden die angestammten Schiedsrichter so herbeigesehnt wie nach den ersten
       drei Spieltagen dieser Football-Saison.
       
       25 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Digili
       
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