# taz.de -- Spielzeitauftakt in Oldenburg und Bremen: Verpuffte Debatten
       
       > Das Oldenburgische Staatstheater hat dem Theater Bremen in den letzten
       > Jahren künstlerisch den Rang abgelaufen. Die beiden Premieren zum Start
       > der Spielzeit gehen trotzdem daneben
       
 (IMG) Bild: Debatte über zivilisiertes Miteinander: Moira Buffinis "Willkommen in Theben
       
       Zuschauerrekorde einzufahren, das ist prima. Inhaltlich aber wirklich etwas
       zu wollen, gilt als der einzig wahre Antrieb des Intendantenseins. Auch in
       Oldenburg. Das [1][Staatstheater] ist personell wie finanziell gegenüber
       dem nachbarlichen Konkurrenten, dem [2][Theater Bremen], zwar schlechter
       ausgestattet, hat diesem aber in den letzten Jahren künstlerisch den Rang
       abgelaufen.
       
       Während man in Oldenburg auf eine kluge Repertoire-Mischung aus innovativen
       Formaten und avanciert aufgemachten Klassikern setzte, inszenierte am
       Theater Bremen Managerintendant Hans-Joachim Frey das Haus drei Jahre lang
       als Eventmaschine. Ihm folgten zwei Interimsintendanzjahre der
       Chefdramaturgen der vier Sparten: eine Notlösung. Zwar erreichte die Oper
       mit der Fokussierung auf klassisches Regietheater durchaus wieder ein
       respektables künstlerisches Niveau, das Schauspiel aber versank in
       juveniler Wurschtigkeit.
       
       Auch in Sachen Zuschauerzahlen hat das Oldenburgische Staatstheater das
       Theater Bremen überholt. Freut man sich in Bremen über 165.000 Besucher pro
       Spielzeit, um so eine Auslastung von 70 Prozent erzielen zu können, hat
       Oldenburg seit Jahren über 200.000 Besucher pro Spielzeit und meldet häufig
       „ausverkauft“. Das Oldenburgische Staatstheater muss aufgrund der großen
       Nachfrage diverse Produktionen lange im Spielplan halten: 20
       Wiederaufnahmen sind in der Spielzeit 2012/13 im Programm. Die
       Premierenzahl musste daher auf 24 reduziert werden – Bremen prunkt mit 37
       Premieren.
       
       Die Oldenburger Neuproduktionen sollen in der kommenden Spielzeit noch mehr
       wollen als bisher. „So manches ist faul im Staate, wir sind nicht
       einverstanden und suchen nach dem richtigen Ausdruck für unseren Protest“,
       schreibt Oldenburgs Intendant Markus Müller in der Spielzeitung. Kennen ja
       viele, das Gefühl: So geht’s nicht weiter, weg mit dem Kapitalismus! Aber
       wo ist der Feind zu packen, wo die dazu notwendige Massenbewegung, wo ist
       die Alternative zu finden? Im Theater?
       
       Wenn es am bürgerlichen Mandat des aufgeklärten Menschen festhalte, so
       Müller, widersetze es sich „dem gesellschaftlichen Konformitätsdruck“. Das
       könne anstrengend sein, sei aber „Entwicklungshilfeprogramm zur
       marktwiderständigen Emanzipation“. Da müssen wir hin!
       
       Hausautor Marc Becker soll in der Uraufführung seines Werks „Männer mit
       Krone“ gleich ein Grundübel unseres existenziellen Wurschtelns sezieren,
       nämlich die Art und Weise, wie wir die Sehnsucht nach Abgründen in uns
       selbst ausleben. Aber die Aufführung balanciert nicht wie das Vorbild,
       Alfred Jarrys „König Ubu“, auf dem Grat zwischen machtgeiler
       Energieexplosion und Entsetzen, sondern serviert Schmunzel-Häppchen.
       
       Drei ältliche Jungs, Berufswunsch: Monarch, spielen als Männer-WG den
       täglichen Wohnküchenkrieg. Ulkig glitzernde und klöternde Fantasiekostüme
       im Stil von Gaddafi werden getragen und in wechselnden Koalitionen
       Machtspielchen inszeniert. Die Darsteller aber zeigen keine spießigen
       Schlawiner als schaurige Diktatoren, sondern irgendwie sympathische
       Kindsköpfe in ihrer stets ironischen Spiellust und Alberei.
       
       Alltagstipps wie „Wasser kocht schneller, wenn man es mit einem Messer
       bedroht“, Reime im Stil von „Die Welt ist besser ohne Menschenfresser“ und
       Lebenshilfe wie „Wenn ich eine Botschaft suche, gehe ich ins Konsulat“ sind
       so die Gags – wie auch ein Bauklötzchenturm, der als „tiefgreifend
       ergreifende Gesellschaftsanalyse“ behauptet wird.
       
       Man schmunzelt hierhin und dorthin, aber zur befreienden Revolution in den
       Zuschauerköpfen führt das „anarchistische Schauspiel“ (Untertitel) nie,
       sondern bleibt eher schal: eine sinnfreie Collage lustiger Ideen.
       
       Einen ähnlichen Polittheater-Flop gab’s auch bei der deutschsprachigen
       Erstaufführung von Moira Buffinis „Willkommen in Theben“. Im klassischen
       Agora-Setting eines öffentlichen Raumes und mit britischem Dramenrealismus
       werden nach dem Ende eines Bürgerkriegs Möglichkeiten des zivilisierten
       Miteinanders diskutiert.
       
       In Buffinis „Theben“ ist Eurydike nicht mehr die unscheinbare Gattin des
       großen Staatsmannes Kreon, sondern dieser ist einfach tot und sie ist die
       Präsidentin. An ihrer Seite steht ein pragmatisches Frauenkabinett. Aber
       die Frauenpower-Phase wird kein ungetrübter Triumph. Denn wer nachhaltig
       Gutes tun will, braucht Schutz und vor allem viel Geld.
       
       Also kommt es zur Koalition mit der Männerwelt: Theseus wird auf die Bühne
       gehievt. Als Vertreter der westlichen Supermacht Athen (sprich: USA) gibt
       sich dieser Möchtegernfrauenheld unverhohlen imperialistisch.
       
       In einem intimen Kammerspiel könnten die Welten des Stückes
       aufeinandertreffen und in aller Ruhe erleb- und nachvollziehbar werden – in
       Oldenburg aber werden sie nur ausgestellt auf einer großen Spektakelbühne.
       Die Gender-, Politik-, Ökonomie-Debatte verpufft, kein Ansatz, nirgends,
       zur Entwicklungshilfe für die marktwiderständige Emanzipation.
       
       25 Sep 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.staatstheater.de/
 (DIR) [2] http://www.theaterbremen.de/#?d=2012-09-25&f=a
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Fischer
       
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