# taz.de -- Pro und Contra zu Peer Steinbrück: Geht die Strategie der SPD auf?
       
       > Peer Steinbrück schließt die Zusammenarbeit mit Linkspartei und Piraten
       > aus. Ist das erfolgversprechend? Ein Für und Wider die
       > sozialdemokratische Strategie.
       
 (IMG) Bild: Hat entschieden, ob die Linke ein Partner wäre: Peer Steinbrück, hier mit Gregor Gysi bei einem Fernsehauftritt.
       
       PRO: Die Absage des neuen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück an ein
       Bündnis mit der Linkspartei tut weh. Doch ist es nicht Steinbrück’sche
       Willkür, wenn er nun jede Regierung mit der Linken ausschließt. Sondern es
       entspricht einer seit Jahren verfolgten Strategie von SPD wie Grünen: Wir
       versenken die Linkspartei durch konsequentes Nicht-ernst-Nehmen.
       
       Man braucht diese Art der Diskriminierung nicht zu billigen, um
       festzustellen: Das funktioniert. Die Linkspartei ist enorm geschwächt. Ein
       rot-grüner Wahlkampf wirkt halbwegs plausibel – in einem Jahr könnten SPD
       und Grüne stärker dastehen als aktuell.
       
       Es gab guten Grund, ab 2009 auf Rot-Rot-Grün zu setzen. Die Idee: Nach den
       Erfahrungen mit Rot-Grün, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb könnte die
       Linkspartei geeignet sein, SPD und Grüne zur Umsetzung ihrer eigenen
       Versprechen zu zwingen. Es wäre das nächste große gesamtlinke Projekt.
       Hurra.
       
       Doch hat jenseits kleiner Kneipenrunden eben niemand daran gearbeitet. Die
       Akteure fehlten. SPD und Grüne sprachen der Linkspartei jede
       Satisfaktionsfähigkeit ab, warfen ihr erst bloß Populismus vor und
       ignorieren sie seit geraumer Zeit einfach, raubten ihr so den Resonanzraum.
       
       Der Linkspartei fiel als Reaktion nichts Besseres ein, als immer weiter auf
       das Rot-Grün von 1998 bis 2005 einzuprügeln. Sie wirkte
       vergangenheitsfixiert. Das merkten auch die sogenannten Realos in der
       Linken, und was folgte, waren die energieintensiven internen Parteikämpfe,
       die auch nach Meinung der Linkspartei zu den Niederlagen bei den jüngsten
       Landtagswahlen führten.
       
       Die Charmeoffensive der neuen LinksparteichefInnen Katja Kipping und Bernd
       Riexinger kommt deshalb zu spät. Sie werden auch mit noch so viel
       freundlich-flexibler Öffnung Richtung SPD und Grüne bestenfalls hoffen
       können, bei der Bundestagswahl 2013 über die Fünfprozenthürde zu hüpfen.
       Jedes Ergebnis aber wird ihnen von der Verfechtern des Lafontaine’schen
       „Abgrenzung pur“-Kurses noch um die Ohren gehauen werden: So wird der
       Spaltpilz in der Linkspartei weiter wuchern – schön feucht gehalten von SPD
       und Grünen –, und die Linke wird sich weiter Regierungsuntauglichkeit
       vorwerfen lassen müssen.
       
       Das heißt für SPD und Grüne natürlich nicht, dass sie auf der sicheren
       Seite, sprich auch nur in der Nähe einer regierungsfähigen Mehrheit sind.
       Denn nur weil die Linke schwächer wird, wird die SPD ausweislich sämtlicher
       Umfragen ja nicht wieder stärker. Mit dem Kandidaten Steinbrück aber ist
       bei allen furchtbaren Mängeln immerhin einer gefunden, der die
       CDU-StrategInnen ihres wichtigsten Rezepts beraubt: Demobilisierung des
       Gegners.
       
       Ein aggressiver Rot-Grün-Wahlkampf mit Ich-mach-nix-als-Kanzler-Steinbrück
       ist auch für linke Inhalte und Ziele immer noch besser als
       Die-große-Koalition-kommt-sowieso-Steinmeier. Das gilt selbst dann, wenn
       SPD und Grüne am Ende mit der FDP sprechen müssen. ULRIKE WINKELMANN 
       
       CONTRA: Man hört es, wie die SPD vor Erleichterung seufzt: Sie hat ihren
       Spitzenkandidaten Peer Steinbrück in die freie Wildbahn entlassen und es
       ist gar nichts Schlimmes passiert. Im Gegenteil: Die Medien assoziieren
       Helmut Schmidt herbei - und das sagt schon viel aus über die Hoffnungen
       dieser desillusionierten Partei. Hinter diesen Bildern starker Männer
       versucht die SPD zu verstecken, dass es heute eine strukturelle linke
       Mehrheit gibt - die gab es bei Schmidt nicht. Unter anderem steht jetzt
       auch eine linke Partei neben der SPD. Und SPD-WählerInnen, die diese
       wählen. Dass Steinbrück das Projekt "Linke unter fünf Prozent prügeln"
       fortsetzt, war zu erwarten, aber einfallsreich ist es nicht.
       
       Wir sind mittlerweile im Jahr 2012. Die WählerInnen haben inzwischen etwas
       erlebt, das mehr prägt als Helmut Schmidt: Schon einmal, 1998, ist ein
       rechter SPDler mit einem für seine Verhältnisse linken Programm angetreten.
       Kurz nach der Wahl war es vergessen. Steinbrück hat diese Wende zur Agenda
       2010, die Schröder demonstrativ gegen seine Partei durchboxte, immer
       befürwortet. Heute ist er angeblich für den vorsorgenden Sozialstaat.
       Steinbrück war bisher ein Grünenfresser. Jetzt ist Rot-Grün sein
       Lieblingsprojekt. Linke hält Steinbrück für Heulsusen. Jetzt will er ganz
       unglaublich vorsichtig die Rente anpassen und natürlich einen Mindestlohn.
       Der Vergleich mit dem wendigen Gerhard Schröder drängt sich einfach auf.
       Die alles entscheidende Frage ist: Warum sollten die linken SPD-Wähler
       diesem Peer Steinbrück vertrauen?
       
       Ein bisschen links blinken und ansonsten die Linkspartei schlecht machen,
       das wird nicht ausreichen. Das weiß auch Steinbrück und will stattdessen in
       der Mitte der Wählerschaft wildern und eine Tür zur FDP öffnen: Aber in der
       Mitte ist schon die CDU - und die FDP? Wo war noch gleich der SPD-Wähler,
       der eine Koalition mit der heutigen FDP gut findet? Bitte melden!
       
       Mit Steinbrück setzt die SPD wie schon zur letzten Bundestagswahl mit
       Frank-Walter Steinmeier auf eine Fortsetzung des Projekts Schröder.
       Schröder plus. Jetzt auch mit Mindestlohn und variablem Rentenniveau. Das
       ist zu wenig, um diejenigen zurückzuholen, die einst zur Linken geflüchtet
       sind. Die Linkspartei erholt sich gerade von ihrem Personaltheater - und
       wird sich die Gelegenheit zur Profilierung gegen die SPD nicht entgehen
       lassen. Mit der Absage an die Linke hält Steinbrück den altbekannten
       Mittekurs. Auch der linken Mehrheit in der Bevölkerung tut er damit keinen
       Gefallen. Die will eine linke Regierung. Das kann gern auch Rot-Rot-Grün
       sein. 2013 wird diese linke Bevölkerungsmehrheit wieder einmal enttäuscht
       werden.
       
       Ja, ein Seufzen geht durch die SPD, aber nicht nur eines der Erleichterung.
       Es ist auch ein Seufzen derjenigen, die mangels Alternative nun jemanden
       auf den Schild heben, der wieder mal das linke Herz seiner eigenen Partei
       verachtet. Es ist das Seufzen von Menschen, die es nicht mehr anders
       kennen. Das Seufzen von MasochistInnen. HEIDE OESTREICH
       
       1 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) U. Winkelmann
 (DIR) H. Oestreich
       
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