# taz.de -- Michael Ballack macht Schluss: Der Unvollendete tritt ab
       
       > Mit Michael Ballack geht der Tragiker des deutschen Fußballs: Obwohl der
       > ewige Zweite oft grandios scheiterte, konnte er nie die Herzen erobern.
       
 (IMG) Bild: Das Ende einer „langen und wunderbare Zeit“: Michael Ballack geht.
       
       Man muss das mal so sehen: Michael Ballack hat auch allerhand gewonnen.
       Vier deutsche Meisterschaften und drei Pokalsiege, einen englischen
       Liga-Titel und dreimal den FA Cup. Er war dreimal Deutschlands Fußballer
       des Jahres, wurde zweimal ins All-Star-Team einer Weltmeisterschaft gewählt
       und vom Kicker zum „Mann des Jahres“ gekürt.
       
       Noch viele weitere Ehrungen hat Ballack erhalten. Eine nicht ganz so
       wichtige bekam er 2010. Beim Sportpresseball in diesem Jahr wurde er als
       „Sportler mit Herz“ ausgezeichnet. Es war ein Mitleidspreis. Ballack hatte
       verletzt die WM in Südafrika verpasst, die Nationalmannschaft hatte ohne
       ihn groß aufgespielt. Es hatte Ärger gegeben zwischen ihm und Philipp Lahm,
       seinem Nachfolger als DFB-Kapitän.
       
       Die Medien freuten sich über eine Schlammschlacht zwischen Nationaltrainer
       Joachim Löw und dem ehemaligen „Capitano“, seine Zeit im DFB-Trikot ging zu
       Ende. Vielleicht hat Ballack an diesem Abend im November 2010 begriffen:
       Nein, die Herzen habe ich niemals erobern können.
       
       ## Nie wirklich geliebt
       
       Denn nun, da er im Alter von 36 Jahren seine Laufbahn als Fußballprofi
       offiziell beendet hat, muss man feststellen: Ballack wurde zwar respektiert
       für seine überragenden fußballerischen Fähigkeiten, gefürchtet als
       torgefährlichster Mittelfeldspieler seiner Ära, geschätzt als intelligenter
       Gesprächspartner, sogar verehrt für seine elegante Spielweise. Aber
       wirklich geliebt wurde Michael Ballack nie.
       
       Dass es dazu nicht kam, wird wohl eines der großen Mysterien bleiben.
       Schließlich hat sich Ballack alle Mühe gegeben, der Raymond Poulidor des
       Fußballs zu werden. Der Radrennfahrer und ewige Zweite wurde mit seinen
       tragischen Niederlagen zu einem der beliebtesten Sportler Frankreichs.
       Ballack wurde trotz tragischer Niederlagen bloß zum gut bezahlten
       Werbegesicht verschiedener Konzerne.
       
       Nach dem Rücktritt wird er nun von allen Seiten vorbehaltlos gewürdigt.
       „Eine ganz, ganz große Karriere geht zu Ende“, teilte Rudi Völler mit,
       Sportdirektor Bayer Leverkusen, wo Ballack seine beiden letzten, nicht mehr
       ganz so großen Jahre angestellt war. Einen „außergewöhnlichen Spieler“
       sieht DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gehen, sogar einen „der größten, die
       der deutsche Fußball je hervorgebracht hat“, Borussia-Dortmund-Boss
       Hans-Joachim Watzke. Und Intimfeind Löw verabschiedet Ballack als „sehr
       guten Spieler mit überragenden Qualitäten“.
       
       ## Ein verschwendetes Talent
       
       Aber all die Lobhudeleien können nicht darüber hinwegtäuschen: Ballack
       bleibt der Unvollendete. Ein Talent, das vielleicht nicht verschwendet
       wurde, aber doch weit unter Wert verkauft – obwohl er zeitweise der
       bestbezahlte Spieler in der Premier League war. Ballack, das wird nun immer
       eine tragische Erzählung bleiben. In die Geschichte des Fußballs könnte der
       gebürtige Görlitzer eingehen als der beste Spieler, der niemals einen
       großen Titel gewinnen konnte.
       
       Egal, was nun kommt, ob Ballack dem Fußball als Trainer oder Manager, wie
       es sich manche wünschen, oder bloß – wie zuletzt für ESPN – als TV-Experte
       erhalten bleibt: Es war das Jahr 2002, das seine Karriere definieren
       sollte. Mit Bayer Leverkusen wurde er Zweiter in der Bundesliga, verlor
       Pokal- und Champions-League-Finale, und der Nationalmannschaft fehlte er
       gelbgesperrt im verlorenen WM-Endspiel.
       
       Das Kunststück, viermal Zweiter zu werden in einer einzigen Saison,
       wiederholte Ballack noch einmal 2008: Im Trikot von Chelsea wurde er Vize
       in der Premier League und quittierte Niederlagen in den Champions-League-
       und FA-Cup-Endspielen, bevor er mit dem DFB-Team auch noch das EM-Finale
       verlor.
       
       Es war trotzdem, ließ Ballack über seinen Anwalt mitteilen, „eine lange und
       wunderbare Zeit im Profifußball, von der ich als Kind nie zu träumen gewagt
       hätte“. Das ist sicherlich wahr. Es war aber auch eine Zeit voller Tränen.
       Von nahezu jeder großen Niederlage gibt es ein Bild, auf dem Ballack
       hemmungslos weint. Er sollte einem deswegen nicht leidtun. Aber womöglich
       beginnt jetzt ja doch noch die Zeit, in der man Michael Ballack endlich mal
       wirklich mögen kann.
       
       3 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Lukas Podolski bei Arsenal: Schnell, schnell, schnell
       
       Lukas Podolski blüht im Dress von Arsenal London förmlich auf. Das bringt
       ihm auch wieder dringend benötigte Punkte in der DFB-Elf.
       
 (DIR) Fußball-Bundesliga: Augsburgs erstes Mal
       
       Dem FC Augsburg ist am 7. Bundesliga-Spieltag als letztem Team der erste
       Saisonsieg gelungen. Gegen Bremer gewannen die Schwaben mit 3:1.
       
 (DIR) Michael Ballack tritt zurück: Der Capitano hört auf
       
       Der ehemalige Kapitän der deutschen Nationlelf geht mit 36 Jahren in den
       sportlichen Ruhestand. Zuletzt war der Vize-Weltmeister auf der Suche nach
       einem Verein.
       
 (DIR) Karriereknick von Leistungsportlern: Leiser Abgang
       
       Ab dem 1. Juli ist er ein vertragsloser Profifussballer. Mit nur 32 Jahren
       steht der Ex-Nationalspieler Tim Borowski dann vor dem Aus seiner
       Profikarriere.