# taz.de -- Technische Uni Berlin: Eine Hochschule sucht ihr Profil
       
       > Der Elitestatus blieb der Technischen Universität (TU) versagt. Nun will
       > sie ihre Schwerpunkte neu definieren, ohne dafür Geld auszugeben. Wie
       > soll das gehen?
       
 (IMG) Bild: Egal wohin die Reise der TU geht: Voll wirds im Hörsaal auf jeden Fall.
       
       Informatikprofessorin Anja Feldmann läuft durch den Maschinenraum „Obelix“
       im 15. Stock des Telefunken-Hochhauses am Ernst-Reuter-Platz. Die
       Klimaanlage rauscht, Kabel schlängeln sich durch die Regale, Festplatten
       blinken wild: „Hiermit machen wir unsere Experimente“, sagt Feldmann. Die
       Leibniz-Preisträgerin forscht zur Infrastruktur und Stabilität des
       Internets. Sie will das Netz neu erfinden. Ihre Forschung hat Weitblick.
       Und sie ist ambitioniert.
       
       Beide Attribute würde sich auch Feldmanns Hochschule gerne zuschreiben. Die
       Technische Universität (TU) Berlin hat sich im Sommer auf ihr
       „Zukunftskonzept 2020“ festgelegt, jetzt im Herbst will sie neue Konzepte
       für Studium, Lehre und Verwaltung erarbeiten. Wenn man wissen will, wie der
       Wandel an der Hochschule aussehen soll, dann macht die Uni einen Termin mit
       Feldmann. Das neue Profil soll ein kleiner Neustart sein: Die TU will
       sichtbarer und konkurrenzfähiger sein. Sie kann ein starkes Profil
       gebrauchen, seitdem sie anders als die Freie und die Humboldt-Universität
       im Sommer nicht in der Exzellenzinitiative des Bundes punkten konnte, also
       keine „Elite-Uni“ wurde.
       
       ## Aufs Internet schauen
       
       Das TU-Zukunftskonzept 2020 will vieles auf einmal. Die bislang acht
       Forschungsschwerpunkte – wie Wasser, zivile Sicherheit und Energie – sollen
       auf sechs reduziert werden. In neu gefassten Feldern wie „Energie und
       nachhaltiges Ressourcenmanagement“, „Cyber-physikalische Systeme“ und
       „Human Health“ müssen alle Forschungsbereiche unterkommen. Spezialisierte
       und interdisziplinäre Forschung soll so gefördert werden. Gleichzeitig will
       die Uni sich stärker um die Lösung großer gesellschaftlicher
       Herausforderungen kümmern wie die Energiewende oder eben die Stabilität des
       Internets.
       
       Unipräsident Jörg Steinbach sieht den ganzen Prozess als
       „Pflichthausaufgabe“. Alle fünf bis sieben Jahre müsse eine Uni ihre
       Forschungsschwerpunkte anpassen, sagt Steinbach. Doch es geht um wesentlich
       mehr. Das Hochschulprofil ist so etwas wie das Herzstück der Uni. Durch die
       Profilpläne sind grundsätzliche Fragen wieder aufgetaucht: Was ist die
       Hauptaufgabe der Uni? Wie viel Einfluss sollen Unternehmen an der Uni
       haben? Professoren und Studierende fürchten, dass die TU sich mit ihrem
       neuen Profil thematisch beschränkt, die Qualität des Studiums weiter leidet
       und vor allem die Abhängigkeit zur Wirtschaft weiter wächst.
       
       Jürgen Thorbeck, Professor am Institut für Luft- und Raumfahrt, sieht die
       „Kernaufgabe der Universität“ in Gefahr und meint damit vor allem die
       Ausbildung des akademischen Nachwuchses. Ein anderer Professor, der
       ungenannt bleiben will, bezweifelt die gesamte Strategieausrichtung: „Was
       wir hier gerade machen, ist, wie mit einem halb verhungerten Mann für einen
       Olympia-Wettkampf zu trainieren. Völlig illusorisch.“ Nicht einmal der
       Normalbetrieb der Uni würde funktionieren. Nun so zu tun, als könnte sich
       die Hochschule auf derart vielen Feldern als Spitzen-Uni positionieren, sei
       nicht mehr als ein Potemkin’sches Dorf.
       
       Die Finanzierung der Profilveränderung ist ein Hauptkritikpunkt. Die Uni
       leidet seit Jahren unter chronischem Geldmangel. Das Land Berlin hat seine
       Hochschulfinanzierung nicht erhöht, die festen Kosten der TU sind über die
       Jahre allerdings gestiegen. Im Haushalt für 2013 fehlen 10 Millionen Euro.
       Woher da die Mittel für eine Profilverschärfung kommen soll, ist vielen
       Professoren nicht klar. „Es könnte darauf hinauslaufen, dass bei
       Fachbereichen, die nicht zum Profil beitragen, gekürzt wird“, sagt der
       ehemalige TU-Vizepräsident Wolfgang Neef. Ähnlich sieht das sein Kollege
       Thorbeck: Wer nicht zum Profil beitrage, sei bedroht. In der Vergangenheit
       wurden die Geisteswissenschaften stark zusammengekürzt. Sie haben an
       Eigenständigkeit verloren und geraten immer mehr zu
       Zuliefererwissenschaften für naturwissenschaftliche und technische Fächer.
       Die Studierendenvertretung mutmaßt, dass langfristig auch Fachbereiche wie
       Physik oder Maschinenbau marginalisiert werden, weil sie nicht genügend
       Schnittstellen zu den neuen Schwerpunkten haben.
       
       ## Sparen soll die Verwaltung
       
       Präsident Steinbach hört derartige Spekulationen ungern. Kürzungen sollen
       vermieden werden: „Wir versuchen, eine Erneuerung der TU unter
       unveränderten finanziellen Rahmenbedingungen.“ Der Plan: Die Verwaltung
       soll effizienter gestaltet und Kosten eingespart werden. Einzelne
       Forschungsbereiche werden verstärkt über Drittmittel, Kooperationen mit
       externen Instituten und Wirtschaftsunternehmen finanziert.
       
       Die Konzentration auf Drittmittelforschung stößt auf harsche Kritik: Dabei
       handelt es sich meist um Forschung, die von Unternehmen finanziert wird.
       Eine direkte Einflussnahme wird meist vertraglich ausgeschlossen, findet
       teilweise aber indirekt statt. Die Bedeutung der Wirtschaftskooperationen
       zeigt sich im neuen Profil deutlich, die Forschungsbereiche der wichtigen
       Kooperationen (Vattenfall, Helios Kliniken, Deutsche Telekom) kommen im
       neuen Profil fast alle vor. Neef warnt vor zu engen Banden mit der
       Wirtschaft: „Das ist Selbstausbeutung. Die Gesellschaft finanziert die
       Hochschulen – und diese bedienen dann für wenig Geld Verwertungsinteressen
       der Industrie.“ Professor Thorbeck sieht das ähnlich: auch
       Forschungsbereiche, die nicht im augenblicklichen Interesse der Wirtschaft
       lägen, aber von Studierenden nachgefragt werden, wie beispielsweise die
       Luftfahrt, sollten gestärkt oder zumindest bestehen bleiben.
       
       Ein anderer Professor sagt: „Es geht nur noch um Drittmittel. Die ganze
       Diskussion um die Zukunft der TU wird von drohenden Kürzungsrunden
       überlagert.“ Für wirklich wichtige Fragen, wie hohe Studienabbrecherzahlen,
       prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder eine höhere Durchlässigkeit für
       Frauen und Migranten, bleibe kein Raum. „Ich würde mir wünschen, dass man
       auch andere gesellschaftliche Kräfte wie Stiftungen stärker als
       Drittmittelpartner einbindet, es müssen nicht immer die großen Konzerne
       sein“, sagt er. Weil er fürchtet, für diese Position an seinem Fachbereich
       angefeindet zu werden, will er nicht mit Namen in der Zeitung stehen.
       
       Zurück in den 16. Stock des Telefunken-Hochhauses, in dem Frau Feldmann
       sitzt, die laut TU für den Wandel und das neue Profil steht. Ihre Forschung
       wird vielleicht einmal das Internet verändern und die Art, wie wir uns über
       das Netz informieren oder kommunizieren. Die Hochschule schmückt sich mit
       der Wissenschaftlerin und ihren Experimenten. Bezahlt wird sie allerdings
       von der Deutschen Telekom.
       
       8 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laurence Thio
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Migration
       
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