# taz.de -- Entgleisung an Weiche in Stuttgart: „Eine kritische Stelle für die Züge“
       
       > Das technische Gesamtsystem der Bahn hat Mängel, sagt der Ingenieur
       > Markus Hecht. Nach den Unfällen in Stuttgart fordert er, auf neue
       > Vorbilder zu setzen.
       
 (IMG) Bild: Nicht lebensgefährlich, aber trotzdem eine schwierige Stelle: Zug nach der Entgleisung in Stuttgart.
       
       taz: Innerhalb von zehn Wochen sind am Stuttgarter Hauptbahnhof drei Züge
       an derselben Weiche entgleist. Gegner des neuen Tiefbahnhofs vermuten
       umgelegte Weichen als Unfallursache. Ist das möglich? 
       
       Markus Hecht: Das ist eine kritische Stelle für Züge, wenn sie von der Lok
       geschoben werden. In anderen Ländern werden Züge zwar durch viel engere
       Weichen geschoben, aber sie sind besser darauf vorbereitet. Züge entgleisen
       durch querwirkende Kräfte.
       
       In der Schweiz beispielsweise sind die Züge mit einem Kunststoffgleitbelag
       nachgerüstet, der die querwirkenden Kräfte halbiert. Da es in Deutschland
       aber viel weniger von diesen kritischen Stellen gibt, spart sich die Bahn
       2.400 bis 2.800 Euro pro Zug.
       
       Die Bauarbeiten für den neuen Tiefbahnhof in Stuttgart werden sich noch
       lange hinziehen – wie sicher sind die Fahrgäste? 
       
       Das Sicherheitsrisiko ist klein, weil die Fahrgeschwindigkeit so gering
       ist. Da kann nicht viel passieren. Aber alleine diese Weiche auszutauschen
       bringt nichts. Die Unfälle sind ein Indikator dafür, dass es im technischen
       Gesamtsystem der Deutschen Bahn Mängel gibt. Es ist Zeit für Investitionen.
       
       Also noch größere Investitionen in die Bahn und das Bauprojekt Stuttgart
       21? 
       
       Die Deutsche Bahn arbeitet mit dem Projekt derzeit gegen einen
       Taktfahrplan, also einen regelmäßigen und gleichmäßigen Zugbetrieb. Dieser
       bietet Pendlern Verlässlichkeit und ist nötig für ein wirtschaftliches
       Bahnsystem. So ein kleiner Unfall ist daher weniger eine Bedrohung der
       Sicherheit, sondern viel mehr der Wirtschaftlichkeit. Das Hauptziel wäre,
       den Eisenbahnverkehr ökologisch und ökonomisch zu gestalten.
       
       Der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes soll die Ursachen des
       Unfalls klären. Die ist eng verzahnt mit dem Eisenbahnbundesamt, das die
       Gleisstruktur genehmigt hat. 
       
       Diese Nähe darf nicht sein. Zum Glück müssen die Behörden die
       Untersuchungsberichte im Internet öffentlich machen, aber diese Ergebnisse
       sind äußerst fraglich. Die Behörde ist personell unzureichend ausgestattet.
       Sie müsste sich von Zulassungsingenieuren Hilfe holen.
       
       Welche Konsequenzen muss die Bahn nun ziehen? 
       
       Gar keine. Die Politik muss Konsequenzen ziehen. Die Bahn macht das, was
       die Politik ihr vorgibt. Und die vernachlässigt gerade das gesamte
       Bahnsystem. Es braucht eine bessere Infrastruktur und mehr Wettbewerb. Die
       Politik muss Geld in die Hand nehmen und für eine Erneuerung der Trassen
       sorgen, aber das nicht unbedingt der DB Netz überlassen.
       
       Es ist grotesk, dass man einem Monopolisten, wie der Deutschen Bahn, so
       viel Geld hinterherwirft. Die Politik muss mehr Unternehmen einen Zugang
       zum Wettbewerb ermöglichen. Wir können uns nicht auf Elektroautos verlassen
       und die Bahn verrotten lassen. Ein Blick in die Nachbarländer Niederlande
       und Schweiz zeigt, wie es geht. Dort ist Sprit billiger und trotzdem fahren
       die Leute mehr Zug.
       
       11 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bednarczyk
       
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