# taz.de -- Urbanes Gärtnern: "Parkhäuser zu Gärten!"
       
       > Die eigenen Tomaten in der Stadt anzubauen liegt im Trend. Nun erforscht
       > ein Projekt der Humboldt-Uni die Möglichkeiten städtischer Landwirtschaft
       > auf Parkhäusern oder Hausdächern.
       
 (IMG) Bild: Auch Landwirtschaftsministerin Aigner (CSU) interessiert Urbanes Gärtnern.
       
       taz: Frau von Allwörden, Ihr Projekt Vita City will städtischen
       Garteninitiativen die Grundlagen der Selbstversorgung mit Obst und Gemüse
       beibringen. Selbstversorgung in der Stadt – geht das überhaupt? 
       
       Andrea von Allwörden: In der Stadt geht es meist eher um eine
       Zusatzversorgung: Es sind kleinere Gartenprojekte, die das liefern, was man
       selbst oder in der Gemeinschaft direkt in der Küche verbrauchen kann.
       
       Ich habe keinen Balkon, aber ein paar Blumenkästen und einen kleinen
       Hinterhofgarten. Reicht das, um nicht einkaufen gehen zu müssen? 
       
       Sie werden staunen, was man da alles ernten kann! Gurken, Salat, Tomaten,
       Mangold, Spinat, einen Sack Kartoffeln – Sie würden gut über die Saison
       kommen.
       
       Und wo pflanze ich das alles? 
       
       Sie können ganz einfach den Boden nutzen, die Erde. Sie können mit Gabionen
       – also mobilen Kastensystemen aus Draht – arbeiten, Sie können auch
       Bäckerkisten nehmen. Allerdings sollten Sie auch auf Nachhaltigkeit achten:
       Mit Erde gefüllte Milchtüten speichern nicht gerade viel Wasser. Es ist
       aber auch längst noch nicht erforscht, welche Anbaumethoden man tatsächlich
       in der Stadt ausschöpfen kann. Da sind wir gerade erst dabei.
       
       Wie könnte professionelles urbanes Gärtnern aussehen? 
       
       Man könnte die Dächer nutzen und dort Gewächshäuser bauen. Oder man nutzt
       Innenräume, zum Beispiel Parkhäuser. Auf den oberen Parkdecks ist genug
       Licht, da könnte man mithilfe von mobilen Systemen wie Kisten oder Gabionen
       ziemlich viel machen: Tomaten, Salat, Gurken, Mangold. Auch Strauchobst,
       also Beeren, wären möglich.
       
       Ihr Projekt will auch „Marketingstrategien und Qualitätsrichtlinien“ für
       Obst und Gemüse entwickeln, das in Berlin angebaut wird. Warum diese
       wirtschaftliche Perspektive auf Urban Gardening? 
       
       Weil das der nächste Schritt sein wird. Da brauchen wir auch einheitliche
       Qualitätsstandards. Interessant ist, dass die Bioverbände und auch der
       Zentralverband Gartenbau das Potenzial des urbanen Gärtnerns sehr spannend
       finden.
       
       Wie sähe denn kommerziell rentables Urban Gardening der Zukunft aus? 
       
       Indem man wirkliche Mengen produziert. Die ökonomischen und baulichen
       Bedingungen müssen aber noch erforscht werden. Es gibt zum Beispiel die
       Idee, Häuser in den Kreislauf mit einzubinden – also Abwässer und Energie,
       die aus den Häusern rausgehen, wieder zu verwerten. Allerdings sehen wir da
       auch noch ein gesellschaftliches Akzeptanzproblem: Man muss schauen, dass
       solche Produkte nicht als hochtechnologisiertes High-Tech-Gemüse abgelehnt
       werden.
       
       Mit der romantischen Vorstellung, die viele Städter mit selbst gezogenen
       Kohlköpfen verbinden, hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun. 
       
       Urbanes Gärtnern ist bunt. Gemeinschaftsgärten werden mit Sicherheit
       bestehen bleiben, die kann man auch nicht kommerzialisieren. Sie sind auch
       wichtig, damit die Akzeptanz für gewinnorientiertes Urban Gardening wächst
       – was, wie gesagt, sicher kommen wird.
       
       Also kein Widerspruch zwischen alternativem Konsum und Kommerz – bloß
       verschiedene Formen des Urbanen Gärtnerns in der Stadt? 
       
       Sicher wird es auch kontroverse Diskussionen geben. Manche Ideen sind zwar
       technisch machbar, aber trotzdem nicht unbedingt sinnvoll. Wenn man zum
       Beispiel ein Supermarktdach mit einer Monokultur aus Tomaten bestückt, ist
       das zwar effizient, aber nicht mehr nachhaltig.
       
       Es gibt unzählige nicht kommerzielle Gartenprojekte in Berlin – etwa die
       Kreuzberger Prinzessinnengärten, der Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer
       Feld oder der Nachbarschaftsgarten am Mariannenplatz. Wozu braucht es Ihr
       Projekt? 
       
       Die Szene muss sich letztlich selbst organisieren, und das tut sie auch.
       Wir haben da eher die beobachtende Rolle, die wissenschaftliche Perspektive
       auf die Entwicklungen im Urban Gardening. Jenseits des Gärtnerns passiert
       viel Spannendes im sozialen Bereich: Da gibt es zum Beispiel den
       Stadtgarten in Lichtenberg, der im Juli ein Gartenprojekt für
       Langzeitarbeitslose gestartet hat. Man wird erst in ein paar Jahren sehen,
       in welche Richtung sich die Urban-Gardening-Szene bewegt und was davon
       übrig bleibt. Gerade ist sehr viel im Fluss.
       
       Jetzt ist es zumindest gerade sehr schick, irgendwo in der Stadt eine
       Bäckerkiste oder ein paar Konservendosen zu bepflanzen … 
       
       … die Trendgärtner!
       
       Das klingt ein bisschen negativ. 
       
       Ach nein, das Ergebnis ist ja ein gutes. Man wird nur sehen müssen, wie
       nachhaltig dieser Trend ist. Genau deshalb ist es auch so wichtig, dass man
       die Bewegung in die Mitte der Gesellschaft trägt – was insbesondere mit den
       Nachbarschaftsgärten auch geschieht.
       
       Das wohl bekannteste Urban-Gardening-Projekt in Berlin, die
       Prinzessinnengärten, stehen dagegen möglicherweise vor dem Aus. Der
       Liegenschaftsfonds, dem das Gelände gehört, will die Fläche verkaufen. 
       
       Darin liegt der Vorteil von strukturgebundenen Nachbarschaftsgärten wie dem
       Generationengarten in Mitte: Da hat man eine Fläche und eine Organisation,
       die dahintersteht. Nur sind solche Projekte nicht in dem Maße in der
       öffentlichen Wahrnehmung präsent: Da muss nicht gekämpft werden. Da fehlt
       die Dramatik.
       
       Trotzdem: Erkennt der Senat den sozialen und kulturellen Wert auch von
       Gartenprojekten wie den Prinzessinnengärten? 
       
       Die Sache mit den mobilen Gärten muss man differenzierter sehen. Einerseits
       ist da der enorme Wert, den so ein Projekt für die Stadt und die
       Urban-Gardening-Szene bedeutet. Andererseits sind solche Gärten
       ausdrücklich als mobile Projekte konzipiert. Und ein Grundstückseigentümer,
       der die Fläche im Vertrauen zur Verfügung stellt, will da natürlich die
       Sicherheit haben, dass dem auch so ist. Allerdings sollten mobile Gärten
       bei der Umsiedlung unterstützt werden – vom Senat, vor allem auch von den
       Bezirken. Denn die haben die entsprechenden Flächen zu vergeben.
       
       Wie könnten die aussehen? 
       
       Wir legen den wissenschaftlichen Fokus vor allem auf die Entwicklung
       wirklich mobiler Systeme. Das Gabionensystem etwa: So einen Drahtkasten zu
       bepflanzen kostet weniger als 60 Euro, und man kann ihn überall ganz
       schnell auf- und wieder abbauen. Zudem erforschen wir
       Umsiedlungsstrategien. Es spricht doch im Prinzip nichts dagegen, einen
       Garten alle zwei Jahre umziehen zu lassen und damit den nächsten Straßenzug
       zu beleben.
       
       10 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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