# taz.de -- Türkisch-syrischer Konflikt: Kampfjets gegen Passagiermaschine
       
       > Die Türkei zwingt ein aus Russland kommendes syrisches Flugzeug zur
       > Landung. In der Maschine soll Munition gefunden worden sein. Die
       > türkische Armee sammelt Truppen an der syrischen Grenze.
       
 (IMG) Bild: Die syrische Passagiermaschine auf dem Flughafen von Ankara.
       
       ISTANBUL taz | Die Bilder erinnerten an Flugzeugentführungen in den 80er
       Jahren. Abgeschirmt vom Rest des Flughafens, militärisch gesichert, stand
       ein Airbus der staatlichen syrischen Flugzeuggesellschaft Syrien Air am
       Ende eines Rollfeldes.
       
       Kurz zuvor hatten türkische Nachrichtenagenturen gegen 21 Uhr Ortszeit
       gemeldet, ein syrisches Zivilflugzeug mit 37 Passagieren an Bord sei von
       zwei türkischen F-16 Kampfflugzeugen zur Landung auf dem Flughafen Esenboga
       in Ankara gezwungen worden. Die syrische Passagiermaschine kam aus Moskau
       und wollte nach Damaskus.
       
       Inzwischen vermeldet der türkische Premier Tayyip Erdogan, dass das
       Flugzeug Munition geladen hatte. Adressat der Lieferung sei das
       Verteidigungsministerium in Damaskus gewesen.
       
       Während zunächst Verwirrung herrschte, meldete das türkische
       Außenministerium dann, es gäbe Informationen, dass die Maschine nicht
       deklariertes militärisches Gut befördere, weshalb die türkische Regierung
       die Landung erzwungen habe, um das Flugzeug zu durchsuchen.
       
       Einige Stunden später hieß es dann, es sei verdächtige Ladung beschlagnahmt
       worden. Nach Angaben verschiedener türkischer Medien soll es sich dabei um
       Raketenteile und/oder militärisches Kommunikationsgerät handeln. Gegen ein
       Uhr morgens erhielt der Airbus dann die Erlaubnis, nach Damaskus
       weiterzufliegen.
       
       ## Unterschiedliche Versionen
       
       Dieser türkischen Version widerspricht sowohl Russland als auch Syrien
       vehement. Beide Regierungen bestreiten, dass in dem Flieger irgendeine Art
       militärisches Gerät transportiert worden sei. Ein Sprecher der russischen
       Rüstungsexportindustrie sagte gegenüber der Agentur Interfax: „Es waren
       keine Waffen oder irgendwelche Systeme für Kampftechnik an Bord. Wir
       liefern zwar nach wie vor Waffen an Syrien, aber auf den üblichen legalen
       Wegen und nicht unter illegaler Nutzung einer Passagiermaschine.“
       
       Die russische Regierung fordert nun von der Türkei genauere Angaben
       darüber, was für Militärtechnik angeblich beschlagnahmt worden sei. Syriens
       Regierungssprecher bezeichnete die erzwungene Landung des Flugzeuges als
       Luftpiraterie, die die Türkei im Auftrag eines anderen Staates durchgeführt
       habe.
       
       Tatsächlich wird von vielen Beobachtern in der Türkei vermutet, dass der
       Hinweis auf den angeblichen Waffentransport im Passagierjet vom
       US-Geheimdienst stammt, der seit Längerem versucht, alle Waffentransporte
       nach Syrien zu überwachen. Die bislang eher vagen Äußerungen der türkischen
       Regierung könnten darauf hindeuten, dass die Aktion ein Flop war.
       
       ## Putin verschiebt Besuch
       
       Allerdings hat der Einsatz der Luftwaffe gegen das syrische Flugzeug
       bereits zu erheblichen Konsequenzen geführt. Die russische Regierung ist
       über die Türkei ernsthaft verärgert. Präsident Wladimir Putin, der für
       Montag zu einem Besuch erwartet worden war, verschob seine Türkeireise auf
       unbestimmte Zeit; am Donnerstagnachmittag erklärte das Büro des türkischen
       Ministerpräsidenten Erdogan, der Besuch solle nun am 3. Dezember
       stattfinden.
       
       Jedes weitere Vorgehen der Türkei im Grenzkonflikt mit Syrien berührt
       unmittelbar auch russische Interessen. In Ankara will man vor allem wissen,
       wie Putin reagieren würde, falls die türkische Armee die syrische Grenze
       überschreitet, um eine sogenannte Pufferzone auf syrischem Territorium zu
       schaffen.
       
       Seit Anfang dieser Woche verlegt die türkische Armee immer mehr Soldaten
       und schweres Gerät an die knapp 900 Kilometer lange Grenze zu Syrien. Auch
       Kampfflugzeuge wurden auf grenznahe Stützpunkte in Diyarbakir und Malatya
       verlegt.
       
       Am Mittwoch besuchten Generalstabschef Özel und Heereschef Kivrikoglu den
       Grenzort Akcakale, wo eine Woche zuvor fünf türkische Zivilisten durch eine
       syrische Granate getötet worden waren, und erklärten, die Türkei werde
       zukünftig härter zurückschlagen als bislang. Die Alarmbereitschaft der
       Armee wurde noch einmal erhöht. Die türkische Botschaft an Damaskus lautet:
       Jeder weitere Zwischenfall kann zu einem Krieg zwischen der Türkei und
       Syrien führen.
       
       11 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
 (DIR) Schwerpunkt Syrien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Türkisch-syrischer Grenzkonflikt: Solidarität ja – aber nur keinen Krieg
       
       Europäer, USA und Nato stellen sich offiziell hinter Ankara, doch die
       Furcht vor einer Eskalation des Streits zwischen der Türkei und Syrien
       wächst.
       
 (DIR) Türkei sperrt Luftraum für syrische Jets: Tod aus dem Hubschrauber
       
       Menschenrechtler werfen dem Assad-Regime erneut vor, Streubomben
       einzusetzen. Landesweit halten die heftigen Kämpfe zwischen Assads Truppen
       und den Rebellen an.
       
 (DIR) Konflikt mit dem Nachbarland: Syrien sperrt Luftraum für Türkei
       
       Auf die Aktion folgt die Reaktion: Syrien sperrt seinen Luftraum für
       türkische Flugzeuge, nachdem Istanbul eine syrische Maschine zur Landung
       gezwungen hatte.
       
 (DIR) Kommentar Syrien: Und keiner hat einen Plan
       
       Die Tatenlosigkeit des Auslands gegenüber Syrien verschlimmert die Lage nur
       noch. Selbst die Türkei arbeitet lediglich an der Eindämmung des Konflikts.
       
 (DIR) Solidaritäts-Besuch in Istanbul: Westerwelle warnt vor Eskalation
       
       Außenminister Guido Westerwelle macht überraschend einen Abstecher in die
       Türkei. Im Konflikt mit Syrien plädiert er für „Besonnenheit“.
       
 (DIR) Syrisch-türkischer Konflikt: Granaten im Grenzgebiet
       
       An der syrisch-türkischen Grenze fliegen weiter Geschosse hin und her.
       Während die Türkei den Ball flach hält, schweigt die syrische Regierung.
       
 (DIR) Kurden im Syrienkonflikt: Warum die Kurden zögern
       
       Der türkische Umgang mit der Minderheit im eigenen Land lässt die syrischen
       Kurden davor zurückschrecken, sich hinter die Rebellen zu stellen.
       
 (DIR) Kommentar Syrien-Türkei: Die Türken wollen keinen Krieg
       
       Das türkische Parlament genehmigt Militäreinsätze im syrischen Grenzgebiet.
       Das Ziel ist nicht das Assad-Regime, sondern die kurdische Bevölkerung.
       
 (DIR) Syrisch-türkischer Konflikt: Aufrufe zur Deeskalation
       
       Die internationale Politik ist sich einig. Von Washington bis Peking gilt
       ein Krieg zwischen Syrien und der Türkei als Horrorszenario.
       
 (DIR) Assads Schadensbegrenzung: Beileid für getötete Türken
       
       Als Reaktion auf den Tod türkischer Zivilisten bei einem Granatenanschlag
       spricht die Assad-Regierung ihr Beileid aus. Die arabische Presse
       spekuliert.