# taz.de -- Kolumne Nebensachen aus Prag: Die Arroganz der „Paten“
       
       > Vor dem tschechischen Gesetz sind alle Menschen gleich. Nur einige sind –
       > wie in George Orwells „Animal Farm“ – gleicher als die anderen.
       
 (IMG) Bild: Pavel Vondrous bei seiner Verhaftung: Er „wollte nur, dass die Politiker sich über ihr Verhalten Gedanken machen.“
       
       Fragen Sie jeden beliebigen Tschechen, was er als größtes und dringlichstes
       Problem betrachtet, so wird er antworten: die Korruption. 2 bis 3
       Milliarden Euro öffentlicher Gelder verschwinden pro Jahr in irgendwelchen
       dunklen Kanälen einiger weniger Privatpersonen.
       
       Nicht dass diese nicht namentlich bekannt wären. Im tschechischen Volksmund
       werden sie „Paten“ genannt. Sie verstecken ihren erschummelten Reichtum
       nicht nur auf Schweizer Bankkonten oder in irgendwelchen
       Offshore-Investment-Fonds, sondern stellen ihn gern ungeniert zur Schau.
       
       Besonders beliebt sind etwa einprägsame Autokennzeichen am obligaten
       Geländewagen. Die sollen der Polizei signalisieren: Hier fährt ein papalas,
       ein Großkopferter, und den lasst gefälligst in Ruhe, auch wenn er mit 120
       Stundenkilometern durch eine 30er Zone rauscht.
       
       Und der Staat gibt sich hilflos. Vor dem tschechischen Gesetz sind eben
       nicht alle gleich. Vor ein paar Monaten hatte einer der obersten Prager
       Paten vormittags um halb elf stinkbesoffen mit seinem Porsche Carrera eine
       Frau angefahren. Da der betreffende Pate genug Zeit hatte, sie zu
       bestechen, macht sie jetzt auch keine belastende Zeugenaussage. Der Fall
       wurde mehr oder weniger ad acta gelegt.
       
       So kulant ist die Staatsgewalt aber nicht immer. Vergangene Woche wagte es
       ein älterer Herr, ein bisschen Zivilcourage zu zeigen, als zwei Polizisten
       eine obdachlose Frau brutal angingen. Sie sollten doch nicht so
       übertreiben, hatte der Mann den Polizisten relativ ruhig gesagt. Daraufhin
       hielten ihn die Ordnungshüter fest, nahmen ihm die Brille ab, schlugen ihm
       mit einer Dose Pfefferspray ins Gesicht und nahmen ihn fest. Auf der
       Polizeiwache musste er sich nackt ausziehen und Liegestütze machen.
       
       Aber die Polizei habe richtig gehandelt, stellte man bei einer Inspektion
       innerhalb einer Woche fest. Nur das mit dem Pfefferspray sei übertrieben
       gewesen. Dem Rentner drohen jetzt vier Jahre Haft.
       
       Das sind nur zwei Einzelbeispiele. Sie zeigen aber, warum sich niemand
       wundern muss, wenn die Tschechen, wie vergangenes Wochenende, wieder die
       Kommunistische Partei wählen. Sie ist die einzige Partei, die nicht so
       offensichtlich mit der Arroganz verbunden ist, die diesen Staat in den
       letzten 20 Jahren in die Knie gezwungen hat.
       
       Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Kommunisten wieder an die Macht
       kommen. Spätestens 2014, bei den nächsten Wahlen. Doch ob die Regierung bis
       dahin im Amt bleibt, ist fraglich.
       
       15 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sascha Mostyn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) „Operettenattentat“ in Tschechien: Plastikkügelchen gegen Vaclav Klaus
       
       Ein Mann schießt völlig unbehelligt sieben Plastikkugeln auf den
       tschechischen Staatspräsidenten. Er wollte Politiker zum „Nachdenken
       bringen“.
       
 (DIR) Schnapspanscherei in Tschechien: Tödlicher Volkssport
       
       24 Menschen sind im September bereits an vergiftetem Alkohol gestorben.
       Verantwortlich ist eine Methanol-Mafia. Der will die Polizei jetzt endlich
       das Handwerk legen.
       
 (DIR) Tschechien verbietet Schnapsverkauf: Ein Land sitzt auf dem Trockenen
       
       Die Maßnahme ist unpopulär, aber notwendig. Nach 20 Todesfällen durch
       Methanolvergiftung verbietet Prag Ausschank und Verkauf harten Alkohols.