# taz.de -- Bürgermeister-Wahl in Stuttgart: Angst vor dem Déjà vu
       
       > Die OBM-Wahl in Stuttgart ist zum Duell geworden. Der Wahlkampf von CDU
       > und FDP ist von der Angst eines erneuten Sieges der Grünen geprägt.
       
 (IMG) Bild: „Die Stimmung ist aggressiver geworden“: Kontrahenten Kuhn (l.) und Turner.
       
       STUTTGART taz | Drei Minuten dauert es, bis Sebastian Turner auf sein Thema
       kommt: Fritz Kuhn. Dieser betrachte das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart
       als Vorruhestand, richte seine Meinung nur nach Mehrheiten aus, sei „der
       Apostel der Citymaut“ und verstehe sowieso nichts von Wirtschaft.
       
       Am Donnerstagabend steht Turner in dunklem Anzug mit Krawatte in der
       Sängerhalle in Stuttgart-Untertürkheim. Vor ihm sprach der
       nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Christian Lindner. Sie rufen das
       liberale Publikum zu einer Richtungsentscheidung auf: Freiheit oder
       Bevormundung. „Was haben wir von Fritz Kuhn zu erwarten?“, fragt Turner.
       „Da müssen wir uns nur die Landesregierung anschauen.“
       
       Er spricht von Schulden, die die Grünen trotz sprudelnder Steuereinnahmen
       machen würden, und vom Ruinieren des Schulsystems. „Wir müssen unsere
       Nachbarn darüber aufklären“, so Turner. „Wir haben noch 70 Stunden Zeit,
       bis die Wahllokale schließen.“
       
       In Stuttgart herrscht Wahlkampf. Endlich. Wochenlang redeten die vier bis
       14 KandidatInnen für das OB-Amt auf über 40 Podiumsdiskussionen in
       unterschiedlicher Zusammensetzung freundlich miteinander. Doch seit dem
       ersten Wahlgang vor zwei Wochen ist der Kampf nun zum Duell geworden –
       zwischen dem parteilosen Kandidaten Turner, der von CDU, FDP und Freien
       Wählern aufgestellt wurde, und dem Grünen Kuhn. Letzterer lag im ersten
       Wahlgang in der Wählergunst zwei Prozentpunkte vor Turner. An diesem
       Sonntag müssen die Stuttgarter erneut ihr Kreuz machen. Kuhn galt bereits
       als sicherer Sieger. Turner musste angreifen.
       
       ## Citymaut und Tempolimit
       
       Seitdem arbeitet er sich an Kuhn an. Seine Lieblingsthemen sind Citymaut
       und Tempolimit. „Überall Tempo 30 und 6,10 Euro grüne City-Maut pro Fahrt?
       Nein!“, prangt großflächig auf neuen Plakaten. Kuhn sei bei den Grünen
       stets der Vordenker der Citymaut gewesen. „Nun will er mit den Dingen, die
       er in der Vergangenheit gesagt hat, nichts mehr zu tun haben“, sagt Turner.
       „Das kann ich verstehen. Damit würde ich auch nichts mehr zu tun haben
       wollen.“ Seine liberalen Gäste lachen.
       
       Am Dienstagmorgen auf dem Marktplatz vorm Rathaus, die Sonne scheint Fritz
       Kuhn ins Gesicht. Gegenüber seinem Wahlkampfstand verkauft eine
       Blumenhändlerin Sonnenblumen. Kuhn verteilt Äpfel an kleine Kinder. Die
       wollen von ihm wissen, was ein Oberbürgermeister denn überhaupt so genau
       ist. Die meisten Erwachsenen, die mit dem Grünen ins Gespräch kommen,
       wollen vor allem eine Sachen wissen: „Machen Sie das eigentlich wirklich
       mit der Citymaut?“
       
       Gelassen wiederholt Kuhn seinen Text. Dass er es immer für richtig gehalten
       habe, dass der Bund den Kommunen die Entscheidung überlasse. Dass die
       Citymaut für Stuttgart aber nicht das richtige Instrument sei. Dann
       erläutert er sein Konzept zur Parkraumbewirtschaftung.
       
       „Die Stimmung zwischen Turner und mir ist schon aggressiver geworden in den
       letzten Tagen“, gibt Kuhn zu. Das betrifft die inhaltliche Schärfe. In
       ihrem Auftreten aber bleiben beide ruhig.
       
       ## „Lügner“ und „Schmähkampagne“
       
       Kuhn steht am Abend im Vaihinger Kinder- und Jugendhaus. Er bezeichnet
       seinen Kontrahenten als „Lügner“. Doch er macht das in wenigen Minuten –
       und betont beiläufig. „Das nur als Hinweis, dass niemand darauf reinfällt,
       auf die Schmähkampagne, die da geführt wird.“ Eine Spitze gegen den Gegner,
       eine Handbewegung zur Seite, das Thema ist abgehakt. Dann spricht Kuhn
       lieber über sich.
       
       Turner spricht weiter über Kuhn. Er braucht nicht nur drei Minuten, um auf
       ihn zu sprechen zu kommen. In seiner 15-minütigen Rede bleibt er auch die
       restlichen Minuten bei dem Thema.
       
       Das Schüren der Angst vor einem zweiten Grünen im Ländle macht die Angst
       deutlich, die CDU und FDP haben, die hinter Turner stehen: die Angst vor
       einer erneuten Niederlage gegen die Grünen; die Angst, nach der Schmach bei
       der Landtagswahl auch noch das stets konservativ geführte Stuttgart zu
       verlieren.
       
       Die verlorene Landtagswahl wollten die meisten noch als Ausrutscher abtun,
       der eine einmalige Fußnote in der Geschichte bleiben würde. An eine
       Fortsetzung dieser Geschichte möchten sie nicht glauben.
       
       19 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Michel
 (DIR) Nadine Michel
       
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