# taz.de -- Vergabe von Kita-Plätzen: Deutsch lernen ist kein Grund
       
       > Neuer Antragsbogen für "dringlichen sozialen Bedarf" könnte Eltern
       > abschrecken, fürchten Sozialarbeiter. Behörde sieht Missverständnis.
       > Streit um Sprachförderung.
       
 (IMG) Bild: Je länger die Betreuung, desto besser, zumindest wenn's zu Hause nicht stimmt: Essen in der Kita.
       
       Eine neue „Fachanweisung Kindertagesbetreuung“ sorgt für Aufregung. Linke
       und Grüne kritisieren, dass „Sprachförderung“ bei Kindern mit
       nicht-deutscher Familiensprache nur dann Kriterium für einen Kita-Platz
       sein soll, wenn diese auch die Herkunftssprache schlecht beherrschen. Und
       Mitarbeiter der bezirklichen Kita-Abteilungen (KTB) befürchten, dass es
       künftig nicht mehr möglich sein wird, überforderte Familien unbürokratisch
       mit einem Kita-Gutschein zu unterstützen.
       
       Es geht um die sogenannte „Prio 10“, nach der zurzeit rund 8.000 Kinder mit
       „dringlichem sozial bedingten oder pädagogischen Bedarf“ auch dann Anspruch
       auf einen Krippen- oder Ganztagsplatz haben, wenn nicht beide Eltern
       berufstätig sind. Diesen, so die Sorge, dürften künftig nur noch die
       Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) und Kinderärzte begründen, die dafür
       einen abschreckend formulierten Antragsbogen verwenden müssten.
       
       Das Papier, das der taz vorliegt, führt neben anderen Kriterien an erster
       Stelle die Kindeswohlgefährdung an. Gleich unter Punkt „a“ etwa können
       „Hinweise auf Vernachlässigung“, „fehlendes Fürsorgeverhalten“ oder
       „regelmäßig auftretende Gewaltanwendung“ angekreuzt werden.
       
       Doch das sind schwere Fälle. Es gibt auch ganz andere Familien, die in
       einer besonderen Lebenslage die Entlastung durch eine Kita brauchen. Bisher
       können Kita-Leitungen oder andere Beratungsstellen den Eltern auf dem Weg
       zum Kita-Amt eine Einschätzung mitgeben, die den Bedarf plausibel und in
       auch für die Eltern annehmbaren Worten beschreibt. Würde dieser
       niedrigschwellige Zugang versperrt, so die Kritik von Sozialarbeitern,
       würden die Hilfen zur Erziehung (HzE) wieder teurer.
       
       Laut Sozialbehörde gibt es hier ein Missverständnis. „Der Bedarf kann auch
       weiter von den sozialpädagogischen Fachkräften in den KTB-Abteilungen
       festgestellt werden“, stellt Sprecherin Nicole Serocka klar. Und diese
       könnten ihre Feststellungen auch weiterhin auf Berichte von Kitas oder
       anderen Dienststellen gründen. Bei dem Antragsbogen handle es sich um ein
       „internes Formular“. Serocka: „Es besteht kein Anlass zur Sorge, dass
       Familien sich abgeschreckt fühlen könnten.“ Allerdings bekommen Eltern den
       Bogen wohl in die Hand, wenn die Diagnose des Kinderarztes gefordert ist.
       
       Es sei auch nicht Absicht, die Zahl der „Prio 10“ zu senken, sagt Serocka.
       Die Liste der Kriterien werde sogar um „erhebliche sprachliche
       Entwicklungsverzögerung“ erweitert, „gemäß SPD-Regierungsprogramm“. Auch
       hier liegt der Teufel im Detail: Kinder, die in ihrer Muttersprache keine
       Auffälligkeiten zeigen, fallen nicht unter diese Regelung, lautet die
       Fachanweisung.
       
       Der Jugendpolitiker Mehmet Yildiz spricht von einer „Unverschämtheit“. Die
       SPD halte sich nicht an ihre Versprechen, die sie im Wahlkampf gegeben
       habe. „Hier wird der Anspruch minimiert.“ Es sei für Migrantenkinder sehr
       wichtig, einen Ganztagsplatz zu bekommen. „Die Erzieherinnen sagen, wenn
       die Kinder nur halbtags da sind, können sie ihnen nichts beibringen“.
       
       Yildiz hatte im April einen Antrag in die Bürgerschaft eingereicht, in dem
       er Sprachförderung ohne diese Einschränkung als Kita-Platz-Kriterium
       forderte. „Im Familienausschuss hat der Staatsrat Jan Pörksen mir gesagt,
       das wird alles gemacht“, sagt er.
       
       Auch die Grüne Kita-Politikerin Christiane Blömeke sieht in der
       Fachanweisung „neue Hürden“, die sich in der Schule als Bumerang erweisen
       könnten. „Wenn zu Hause kein Deutsch gesprochen wird, zählt jeder Monat und
       jede Stunde, die das Kind eher und länger in der Kita ist, um Deutsch als
       Zweitsprache zu erlernen.“ Die SPD sollte daher sich „selber beim Wort
       nehmen“.
       
       Zudem sei die Fachanweisung verwirrend. Auch wenn die Behörde dies jetzt
       öffentlich einräume, fehle dort die klare Aussage, dass die Kitas weiterhin
       den dringenden sozialen oder pädagogischen Bedarf von Kindern ermitteln
       dürfen.
       
       21 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Minderjährige Geflüchtete
       
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