# taz.de -- Zerstrittenes Feminismus-Blog: „Mädchenmannschaft“ ausgewechselt
       
       > Unter Macherinnen des populären Blogs ist ein Richtungsstreit entbrannt.
       > Nun stieg das letzte Gründungsmitglied aus.
       
 (IMG) Bild: Die Sprache ist rauer, man bloggt über „sexistische Kackscheiße“: Maedchenmannschaft.net
       
       Sie wollten zeigen, dass „Feminimus das Leben schöner macht“. So lautete
       der Untertitel zum Bestseller „Wir Alphamädchen“ der Journalistinnen
       Susanne Klingner, Barbara Streidl und Meredith Haaf von 2008. Die
       „[1][Mädchenmannschaft]“, das dazugehörige Gemeinschaftsblog, entwickelte
       sich zum preisgekrönten Flaggschiff des Netzfeminismus. Doch dort ist seit
       einiger Zeit ein Richtungsstreit entbrannt – einer, der vor zwei Wochen
       auch das letzte Gründungsmitglied dazu brachte, das Projekt kurz nach
       seinem fünften Geburtstag zu verlassen.
       
       Die Gründerinnen wollten dem Feminismus zu einem neuen Image verhelfen.
       Männerfreundlich, sexy und lebensfroh präsentierte sich auch das Blog. Als
       Wellness-Feministinnen bespöttelte sie Alice Schwarzer – und doch gelang es
       den Alphamädchen, Mädels in der Disko abzuholen und für Feminismus zu
       gewinnen, eine neue Generation feministisch zu alphabetisieren.
       
       Inzwischen hat sich das Blog merklich gewandelt, es ist politischer und
       theoriegesättigter geworden. So verhandelt es nun zum Bespiel Gender für
       Fortgeschrittene – und „Critical Whiteness“, einen Ansatz, der oft
       unbewusste Suprematievorstellungen der „weiß Positionierten“ gegenüber
       People of Colour kritisiert. Die Sprache ist rauer, man bloggt über
       „sexistische Kackscheiße“, „kotzt sich aus“.
       
       Damit allerdings sind die Disko-Mädchen verloren, denn ohne die Diskurse zu
       kennen, bewegt man sich von einem Fettnapf in den nächsten – stets
       beobachtet von der Diskurspolizei. Ein altes Problem der politischen
       Avantgarde: Alle anderen müssen nun erzogen werden. Mehr oder weniger
       sanft.
       
       ## Feminismus ohne Männer
       
       Es gab Ereignisse, an denen sich diese Veränderung kristallisierte. So
       kritisiert Susanne Klingner, dass die neue „Mädchenmannschaft“ nicht mehr
       mit heterosexuellen Männern zusammenarbeiten wollte – ein Markenzeichen der
       alten Bloggerinnen-Truppe. „Dabei kann ich mir beim besten Willen nicht
       vorstellen, wie Feminismus erfolgreich sein soll, wenn er die Männer nicht
       mitnimmt“, so Klingner. Eine Frau, die sich religionskritisch zur
       Frauenfrage im Islam äußerte, wurde als Kommentatorin nicht mehr
       freigeschaltet, erzählt Mitglied Katrin Rönicke. Die Frau stehe unter
       Rassismusverdacht. Rönicke stieg ebenfalls aus.
       
       Vorläufiger Schlusspunkt dieses Richtungsstreits war dann der Berliner
       Slutwalk 2012 und seine Verarbeitung. Einige Aktivistinnen hatten sich dort
       schwarze Gewänder auf die nackte Haut gemalt, mit dem Augenschlitz eines
       orientalischen Schleiers. Als Slutwalk-Aktivistinnen bei der offiziellen
       5-Jahre-„Mädchenmannschaft“-Veranstaltung Ende September auf dem Podium
       saßen, wurden sie von anwesenden People of Colour dafür kritisiert, dass
       hier „weiß positionierte Frauen“ sich anmaßten, Women of Colour befreien zu
       wollen. Rassismus.
       
       Die Slutwalkerinnen luden sie daraufhin ein: Sollten die Women of Colour
       ihnen das doch noch mal erklären. Damit aber hatten sie den nächsten
       Fettnapf getroffen: Warum muss eigentlich der Diskriminierte dem
       Diskriminierenden immer alles erklären? Auch dagegen wendet sich „Critical
       Whiteness“: Leute sollen gefälligst selbst über ihren impliziten Rassismus
       nachdenken. Auch der geplante Workshop einer „weiß positionierten“
       Journalistin über den Arabischen Frühling wurde als rassistisch kritisiert.
       Die Situation eskalierte, einige Women of Colour verließen den Raum.
       
       ## „Diktat, keine Diskussion“
       
       Die „Mädchenmannschaft“ reagierte mit langer Selbstkritik. „Auf der
       Veranstaltung wurden Rassismen reproduziert, weiße Dominanzstrategien
       konnten ausgeübt werden,“ steht dort unter anderem. In Bezug auf den
       Workshop der Journalistin heißt es: „Sollte sich die
       Verantwortungsübernahme der betreffenden Workshopgeberin als weiß
       Positionierte in diesem Aufarbeitungsprozess nicht wiederfinden, halten wir
       personelle Konsequenzen nicht für ausgeschlossen.“ Konsequenzen, weil eine
       Journalistin einen angekündigten Workshop abhielt?
       
       An diesem Punkt reichte es dem letzten Gründungsmitglied Meredith Haaf. Sie
       verließ vor zwei Wochen das Projekt – als letztes Gründungsmitglied: „Ich
       fand es gut, über möglichen Rassismus zu diskutieren. Ich fand es gut, dass
       wir von einem etwas naiven freundlichen Feminismus à la Alphamädchen
       wegkamen, den ich heute auch kritisieren würde. Aber die Selbstbezichtigung
       war mal wieder ein Diktat und keine Diskussion.“ Die „Mädchenmannschaft“
       habe keine interne Streitkultur entwickelt, so Haaf: „Das ist jetzt ein
       radikal queerfeministischer Blog mit ausschließender Sprache. Das ist für
       die meisten Menschen schwer zugänglich.“ Im Netz ist von einem „repressiven
       Moloch“ die Rede, von „totalitärem Quatsch“, von „elitärem“ Gehabe.
       
       Und was sagt die neue „Mädchenmannschaft“ dazu, eine Handvoll Sozial- und
       Kulturwissenschaftlerinnen um Bloggerin Nadine Lantzsch? Wenig. Die
       Mannschaft spricht nicht mit der Presse. Stattdessen kommt eine
       Pressemitteilung, die schon weiß, dass hier von den Medien „offenbar eine
       sensationstaugliche Konfliktsituation“ generiert werden soll, dem man sich
       verweigert: „Wir möchten unsere Zeit nicht für einen massenmedial
       ausgetragenen Streit verwenden.“ Die Kommentarfunktion unter dem Text ist
       abgeschaltet. Es lebe die Avantgarde.
       
       23 Oct 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://maedchenmannschaft.net/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
       ## TAGS
       
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