# taz.de -- Möglicher Engpass beim Grippe-Impfstoff: 750.000 Dosen fehlen
       
       > Wer ist schuld am drohenden Engpass beim Grippe-Impfstoff? Die
       > Krankenkassen zeigen auf den Hersteller und der gibt sich unschuldig.
       
 (IMG) Bild: In vielen Spritzen wurden Ausflockungen gefunden.
       
       BERLIN taz | Nach dem Rückruf einiger Chargen der Grippeimpfstoffe Begripal
       und Fluad des Schweizer Pharmaherstellers Novartis durch das
       Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Aufsichtsbehörde ist ein Streit entbrannt
       zwischen Krankenkassen, Ärztefunktionären und Behörden. Es geht um die
       Frage, wer schuld daran ist, dass es – ausgerechnet zu Beginn der
       Grippesaison – zu Engpässen bei der Versorgung in Hamburg,
       Schleswig-Holstein und Bayern kommen könnte.
       
       Dort hatten die gesetzlichen Kassen im Zuge einer europaweiten
       Ausschreibung Novartis den Exklusivzuschlag erteilt für sämtliche
       Impfdosen. 750.000 Dosen wurden zurückgerufen – von insgesamt 14,2
       Millionen verfügbaren Dosen verschiedener Hersteller, teilte das PEI mit.
       „Wir haben das PEI gebeten, mit den Herstellern und Kassen Gespräche über
       die Sicherstellung der Impfstoffversorgung zu führen“, sagte ein Sprecher
       des Bundesgesundheitsministeriums.
       
       „Die Kassen müssen vom Vertrag mit Novartis zurücktreten“, forderte der
       Präsident der Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, im Hamburger
       Abendblatt. Von einer „untragbaren Situation“ sprach Regina Feldmann,
       Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
       
       Die Kassen wiesen die Kritik zurück: „Das Problem liegt nicht an den
       Rabattverträgen, sondern an Novartis“, sagte ein Sprecher der AOK Nordwest
       der taz. Das Unternehmen habe seinen Vertrag nicht erfüllt. Zunächst habe
       es ab Ende September Lieferschwierigkeiten gegeben bei Begripal. Jetzt
       seien zusätzlich während des Herstellungsprozesses in Italien – von dort
       bezieht auch Deutschland den Stoff – weiße Verklumpungen, sogenannte
       Ausflockungen, in zahlreichen Spritzen entdeckt worden.
       
       Diese können nach Angaben des PEI wenige Stunden nach der Impfung
       allergische Reaktionen bis hin zum tödlichen Schock auslösen. Bislang sind
       in Deutschland keine Fälle bekannt. Woher die Ausflockungen stammen, ist
       unklar. Novartis teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, die Eiweißflocken
       seien normaler Bestandteil der Impfstoffe; die Charge sei aber nie in den
       Handel gelangt. Das Unternehmen gehe von der Qualität und Sicherheit seiner
       Produkte aus.
       
       ## Versorgung bei „50 Prozent“
       
       Unabhängig davon, so der AOK-Sprecher, hätten die Kassen bereits am 11.
       Oktober „die Reißleine gezogen“ und „den Markt für sämtliche
       Grippeimpfstoffe geöffnet“: Bis Begripal in ausreichender Menge verfügbar
       sei, würden die Kassen auch jeden anderen Grippeimpfstoff erstatten. Die
       Versorgung liege inzwischen bei 50 Prozent, die Lage habe sich „deutlich
       entspannt“.
       
       Insgesamt sind in Deutschland 16 fast identische Grippeimpfstoffe von
       verschiedenen Herstellern zugelassen. Die meisten werden konventionell
       hergestellt, also ohne Wirkverstärker und auf der Basis von Hühnereiern.
       „Das ist eine bewährte Methode, aber sie ist zeitaufwendig und verbraucht
       viele Eier“, sagte Wolfgang Becker-Brüser vom pharmakritischen
       Arznei-Telegramm der taz. Nachdem Novartis den exklusiven Zuschlag erhalten
       habe, hätten andere Hersteller weniger produziert. Das erkläre den Engpass.
       Es dauere zwei bis drei Monate, den Impfstoff herzustellen.
       
       Becker-Brüser forderte, „den ganzen Produktionsprozess von Begripal und
       Fluad zu überprüfen“. Es reiche nicht, „bloß einige Chargen aus dem Handel
       zu ziehen“. Fluad sei ohnehin nicht empfehlenswert, da es – anders als
       Begripal und andere Grippeimpfstoffe – Wirkverstärker enthalte. Diese
       führten zu einem höheren Antikörperspiegel im Blut, hätten aber keinen
       höheren Nutzen für die Patienten als die anderen Stoffe, dafür aber
       mitunter heftige Nebenwirkungen wie Schwellungen, Rötungen und
       Muskelschmerzen.
       
       26 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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