# taz.de -- „Hamburger Abendblatt“ wird gestutzt: Ein Tor zur „Welt“ in Hamburg
       
       > Die Redaktionen vom „Hamburger Abendblatt“ und von der „Welt“-Gruppe
       > werden zusammengelegt. Die Zeitung wird zu einem Lokalblatt degradiert.
       
 (IMG) Bild: Darf trotz Fusion seinen Titel behalten: Chefredakteur Lars Haider.
       
       BERLIN taz | Ach, was waren sie in Hamburg alle froh, als der Lars
       zurückkam. Die Sekretärinnen, die Redakteure – den Lars kannten die meisten
       ja noch. Schließlich hatte er beim Abendblatt volontiert. Mittlerweile ist
       die Freude darüber, dass Lars Haider 2011 die Chefredaktion des Hamburger
       Abendblatts übernommen hat, einer Schockstarre gewichen. Denn das
       altehrwürdige Abendblatt wird ab Dezember in einer Redaktionsgemeinschaft
       mit zwei anderen Springer-Titeln – Die Welt und Berliner Morgenpost –
       aufgehen. Reduzierung des Personals inklusive.
       
       „Notwendige Personalveränderungen sollen sozialverträglich umgesetzt
       werden“, lautet der letzte Satz in der Pressemitteilung, die bestätigt, was
       sich schon lange abzeichnete: Das Abendblatt, 1948 als erste Tageszeitung
       mit deutscher Lizenz nach dem Krieg herausgegeben, die Keimzelle des
       Erfolgs von Axel Springer, wird im Jahr des 100. Geburtstags des 1985
       verstorbenen Überverlegers auf ein Lokalblatt gestutzt.
       
       Die überregionalen Inhalte wird zukünftig die Redaktion der Welt liefern.
       Es ist der gleiche Weg, den einst die Berliner Morgenpost beschritt: Nur
       noch regionale Themen bearbeitet eine eigene Redaktion, für überregionale
       Themen darf sich bei den Kollegen bedient werden. Das Abendblatt, das
       bislang noch ein eigenes Korrespondentenbüro in Berlin hatte, wird Teil des
       Springer-Einheitsbreis. Ab 2013 wird es keine originäre Hamburger Sicht auf
       die Bundespolitik mehr geben.
       
       Auf der anderen Seite wird die Welt ihre eigene Hamburgredaktion schließen.
       Auch hier ist das Vorbild die Zusammenarbeit von Welt und Berliner
       Morgenpost in der Hauptstadt. Denn während die Morgenpost für nationale und
       internationale Themen den Pool der Welt anzapft, bedient sich auf der
       anderen Seite die Welt für ihre Berliner Regionalausgabe bei der
       Morgenpost. Auch die Welt Hamburg wird zukünftig nur noch abgreifen – beim
       Hamburger Abendblatt. 
       
       Ob alle Mitarbeiter der Hamburger Welt-Lokalredaktion zukünftig beim
       Abendblatt unterkommen, ist ungewiss bis zweifelhaft. Auch betriebsbedingte
       Kündigungen sollen nicht mehr ausgeschlossen sein. Und während sich die
       niederen Mitarbeiter sorgen müssen und Springer ihnen in seiner offiziellen
       Verlautbarung nur den letzten Satz einräumt, wird sich um die
       Chefredakteure ordentlich gekümmert: Jan-Eric Peters (Welt, Welt am
       Sonntag, Welt kompakt), Carsten Erdmann (Berliner Morgenpost) und Lars
       Haider (Hamburger Abendblatt) sollen weiter ihre Titel führen dürfen. Jörn
       Lauterbach, der bisherige Redaktionsleiter der Hamburger Welt, wird Teil
       der Abendblatt-Chefredaktion.
       
       ## Wikipedia statt Recherche, Rad statt Taxi
       
       Das Schlüpfen unter den bereits vor mehreren Jahren von Welt und Morgenpost
       gespannten Schirm ist für das Abendblatt die Fortführung des Sparkurses und
       der Fokussierung aufs Lokale, den das Hamburger Blatt unter Haiders Ägide
       konsequent verfolgt. Inhaltlich soll ab November mit dem Straßenratgeber
       die Hyperlokalisierung des Abendblatts seinen Höhepunkt finden. Mehr als
       8.000 Straßen wurden von den Redakteuren katalogisiert, fotografiert und
       bewertet.
       
       Intern wurden E-Mails verschickt, die die Redakteure baten, doch bitte
       nicht das Springer-eigene Recherchetool zu nutzen, sondern lieber mal auf
       Wikipedia zuzugreifen. Schließlich müsse jede Anfrage an den Infopool (wenn
       auch hausintern) bezahlt werden. Auch Taxis sollte man als
       Abendblatt-Redakteur meiden, stattdessen stünden Fahrräder zur Verfügung.
       
       Der Weg, den Haiders Vorgänger Claus Strunz einst einschlug, um das
       Abendblatt zu einer bundesweit relevanten Regionalzeitung zu machen, die
       der Größe der Hansestadt angemessen wäre, ist nun endgültig als Sackgasse
       deklariert worden. Seit 2002 hat das Abendblatt 27 Prozent seiner
       verkauften Auflage verloren, neue (jüngere) Leser konnten nicht gewonnen
       werden.
       
       Haider versucht das nun gar nicht mehr. Sein Leser ist älter, gut situiert,
       hat Familie, macht gern Radtouren und freut sich über Rabattaktionen in
       seinem Abendblatt. So spart am Ende nicht nur die Springer AG, sondern auch
       der Leser.
       
       26 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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