# taz.de -- Streit der Woche: Soll der Staat Deals schließen?
       
       > Tausche Geständnis gegen milde Strafe – das geschieht vor Gericht jeden
       > Tag. Ob das gerecht ist, klärt nun das Bundesverfassungsgericht.
       
 (IMG) Bild: Soll der Staat mit Angeklagten Deals schließen? Darüber verhandelt das Verfassungsgericht.
       
       Bisher ist es Praxis im Gerichtssaal: Zeigt sich der Angeklagte bereit für
       ein Geständnis, bietet ihm das Gericht eine Straferleichterung an. Das
       kürzt das Verfahren ab und der Angeklagte kann sich über eine mildere
       Strafe freuen. Alle Beteiligten haben etwas davon. Nur wirklich gerecht,
       wenden Kritiker ein, ist es nicht.
       
       Das Bundesverfassungsgericht verhandelt nun erstmals ausführlich über
       Absprachen im Strafprozess: Am 7. November sind zahlreiche Experten nach
       Karlsruhe geladen, darunter Wissenschaftler, der Generalbundesanwalt Harald
       Range, Richter und Rechtsanwälte. Der Anhörung liegen drei
       Verfassungsbeschwerden zugrunde: Die Beschwerdeführer, wie es im
       Gerichtsjargon heißt, haben sich in der Vergangenheit vor Gericht auf einen
       Deal eingelassen.
       
       Ein Polizeibeamter, einer der „Beschwerdeführer“, war wegen schweren Raubs
       und Sachbeschädigung angeklagt worden. Er soll die Taten im Dienst
       gemeinsam mit einem Kollegen begangen haben. Die Strafkammer machte ihm ein
       Angebot: Wenn er gesteht und damit die Beweisaufnahme überflüssig macht,
       dann bekommt er zwei Jahre auf Bewährung. Wenn er dem Deal nicht zustimmt,
       muss er mit einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren rechnen,
       sollte sich die Anklage bestätigen.
       
       Ob der Polizeibeamte wirklich schuldig war, prüfte das Gericht nicht. Es
       genügte sein formales Geständnis. Der Polizeibeamte gestand, weil er sich
       unter Druck gesetzt fühlte, widerrief aber nach der Verurteilung sein
       Geständnis. Nun fordert er mit seiner Verfassungsbeschwerde sein Recht auf
       ein faires Verfahren ein und beklagt, dass in seinem Verfahren die
       richterliche Aufklärungspflicht verletzt wurde.
       
       ## Zwei-Klassen-Justiz
       
       Andere Kritiker wie der Präsident des Bundesgerichtshofes, Klaus Tolksdorf,
       warnen vor einer „Zwei-Klassen-Justiz“. Reiche können sich teure Anwälte
       leisten, die das Verfahren mit endlosen Beweisanträgen blockieren, so dass
       es sich über Jahre hinzieht. Um das zu verhindern, schlägt das Gericht
       häufig einen Deal vor.
       
       Die Befürworter von Deals, einige Richter, Rechtsanwälte und Politiker,
       wenden ein, dass Absprachen aus der Praxis nicht mehr wegzudenken seien,
       weil Gerichte sonst nicht effektiv arbeiten können. Aktenberge,
       Beweisanträge, unzählige Zeugen: Das spart man sich natürlich gerne. Unter
       Justizministerin Brigitte Zypries wurde 2009 ein Gesetz verabschiedet, das
       Deals ausdrücklich gestattet, aber auch begrenzt: Die gerichtliche
       Aufklärungspflicht bleibe davon unberührt, eine Absprache über den
       Schuldspruch sei untersagt und das Gericht sei nicht an die Absprache
       gebunden. Dieses Gesetz steht nun wieder zur Disposition.
       
       Ob Deals zulässig sind oder nicht: Darüber streiten sich Strafrechtler seit
       30 Jahren. Anwälte und Richter, Juristen und Politiker sind sich quer durch
       die Profession und Parteizugehörigkeit uneins.
       
       Soll der Staat mit Angeklagten Deals schließen?
       
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       30 Oct 2012
       
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