# taz.de -- Streik-Ende beim Callcenter S-Direkt: 117 Tage für Gerechtigkeit
       
       > Beim Callcenter S-Direkt ist der Mindestlohn seit 1996 gleich geblieben.
       > Nach 117 Tagen Streik gibt es nun einen Haustarif: mindestens 8,50 Euro
       > pro Stunde.
       
 (IMG) Bild: Notorisch schlecht bezahlter Job: Beschäftigte im Callcenter.
       
       BERLIN taz | 117 Tage haben die Beschäftigten durchgehalten, Transparente
       durch Halle an der Saale getragen mit der Aufschrift: „S-Direkt =
       Lohnsklaven“, und „15 Jahre Hungerlohn“, an Passanten Flugblätter verteilt
       und das Risiko ausgehalten, mittelfristig ihren Job zu verlieren. Am
       Freitag kam es zur Einigung. Die Angestellten des Callcenters S-Direkt
       Marketing bekommen ab Dezember einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro
       brutto, teilte die Gewerkschaft Ver.di mit.
       
       Beschäftigte, die momentan schon 8,50 Euro in der Stunde erhalten, werden
       ab Dezember auf 9 Euro angehoben. Ab 1. Januar 2014 wird der Mindestlohn
       für alle auf mindestens 9 Euro in der Stunde erhöht.
       
       Die Angestellten der S-Direkt erhalten mit der Einigung auch zwei Tage
       Urlaub mehr im Jahr, teilte Ver.di mit. Befristete Arbeitsverträge von
       Streikenden werden ab sofort entfristet – Ver.di ist es damit gelungen,
       Streikende vor möglichen Sanktionen der Arbeitgeber zu schützen.
       
       S-Direkt, das Callcenter der 430 Sparkassen in Deutschland, zahlte den
       Beschäftigten für eine 40-Stunden-Woche bislang ein Mindestbruttogehalt von
       1.280 Euro im Monat, was nach der Berechnung von Verdi auf einen
       Stundenlohn von 7,38 Euro hinausläuft und für alleinstehende
       Vollzeitangestellte einen Nettolohn von 950 Euro ergibt. Die Firma hatte es
       gewagt, diesen Grundlohn seit 1996 nicht mehr zu erhöhen, ungeachtet der
       Inflation.
       
       „Irgendwann hatten die Beschäftigten die Nase voll“, berichtet Ulrich
       Beiderwieden, Callcenter-Experte bei Ver.di. Die Gewerkschaft Ver.di
       schaltete sich ein, gewann die frustrierten Callcenter-AgentInnen als
       Mitglieder, organisierte den Ausstand und gewährte Unterstützung aus der
       Streikkasse. Rund 250 der 800 Beschäftigten von S-Direkt begannen den
       langen Arbeitskampf, um erstmalig für einen Haustarifvertrag zu kämpfen.
       
       ## „Hohe Fluktuation bei den Beschäftigten“
       
       Bislang gibt es nur einen einzigen Haustarifvertrag eines externen
       Callcenters mit Ver.di, beim Unternehmen Walter Services mit Hauptsitz im
       baden-württembergischen Ettlingen. Darin liegt der Mindestlohn bei 7,60
       Euro brutto, über eine Erhöhung wird verhandelt. In den externen
       Callcentern, also den unabhängigen Dienstleistern, die nicht zu Konzernen
       gehören, sondern in deren Auftrag arbeiten, sind die Bezahlung und oft auch
       die Arbeitsbedingungen besonders schlecht.
       
       „Die Fluktuation der Beschäftigten in Callcentern ist hoch“, sagt Jens
       Fuderholz, Sprecher des Call Center Verbandes Deutschland (CCV). Ein
       Drittel bis die Hälfte der Beschäftigten verlässt innerhalb eines Jahres
       den Job, geht aus Zahlen des CCV hervor. Der Krankenstand in der Branche
       ist fast doppelt so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Die immer
       neue Einarbeitung von Neueinsteigern ist für die Arbeitgeber wiederum ein
       bedeutsamer Kostenfaktor, der die Löhne drückt.
       
       6.700 Callcenter mit mehr als 520.000 Beschäftigten gibt es in Deutschland,
       dabei handelt es sich aber zu 80 Prozent um sogenannte Inhouse-Callcenter,
       die zu großen Firmen gehören und ihre Callcenter-Beschäftigten besser
       bezahlen, so Fuderholz. Nur 20 Prozent sind wie S-Direkt externe
       Dienstleister, die im Auftrag tätig sind. Einen tariffähigen
       Arbeitgeberverband und damit einen Branchentarifvertrag, der vor allem
       diese Unternehmen einbindet, gibt es nicht.
       
       Wie Fuderholz berichtet, versucht der CCV derzeit in Gesprächen mit den
       großen Callcenter-Unternehmen, diese dazu zu bringen, einen tariffähigen
       Arbeitgeberverband ins Leben zu rufen. Denn viele Unternehmen, so
       Fuderholz, hätten selbst ein großes Interesse daran, den Wettbewerb durch
       die Dumpinglöhne zu unterbinden.
       
       2 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
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