# taz.de -- Pfleger wollen Tarifgehalt: Sechs Cent mehr pro Stunde
       
       > Der Arbeitskonflikt bei der Bremer Assistenzgenossenschaft droht zu
       > eskalieren. Erstmals könnte es zu einem Warnstreik kommen.
       
 (IMG) Bild: Früher kämpfte der Grüne Frehe (vorne rechts) Seite an Seite, heute ist er Vertreter ihrer "Kostenträger".
       
       Bei der Bremer Assistenzgenossenschaft (AG) stehen die Zeichen auf Streik –
       zumindest auf Warnstreik. Seit Monaten verhandelt der Vorstand der AG mit
       Betriebsräten und Gewerkschaftern um einen Tarifvertrag, gestern endete die
       zehnte Verhandlungsrunde ohne Ergebnis. Nun sei es an der Zeit für eine
       „weitere Eskalationsstufe“, sagt Jörn Bracker, der AG-Betriebsratschef.
       
       Bei der AG [1][www.ag-bremen.de] unterstützen 250 MitarbeiterInnen, im
       Zweifelsfall rund um die Uhr, rund 60 Menschen mit Behinderungen. Dabei ist
       die AG als Kind der Behindertenbewegung der 1970er-Jahre kein klassischer
       Pflegedienst. Die „Assistenznehmer“, wie es hier heißt, sollen nicht in
       eine passive Rolle gedrängt werden. Es geht um Selbstbestimmung, ein Leben
       auf Augenhöhe. So arbeiten bei der AG nicht nur examinierte, sondern auch
       angelernte Kräfte. Die Behinderten, so die Idee, wissen selbst am besten,
       was gut für sie ist.
       
       Dafür bekommen die AssistentInnen in Bremen bislang 9,15 Euro die Stunde.
       Ist jemand sieben Jahre dabei, gibt es einen Euro mehr. In Frankfurt hat
       die dortige AG nach Streiks einen Tarifvertrag ausgehandelt, der an den
       öffentlichen Dienst (TVÖD) angelehnt ist, und, nach einer Übergangszeit,
       Löhne zwischen 11,50 Euro und 14,79 Euro vorsieht. Das fordert Bracker auch
       für Bremen.
       
       Der Vorstand der AG habe zuletzt angeboten, Beschäftigten in den ersten
       drei Jahren zunächst sechs Cent mehr zu zahlen, so Bracker, in der
       Probezeit sollten die Löhne sogar um acht Cent sinken. „Das ist, gelinde
       gesagt, eine Frechheit“, so Bracker.
       
       Solveig Eisert, geschäftsführender Vorstand der AG Bremen, will angesichts
       der laufenden Verhandlungen gegenüber der taz zwar keine konkreten Zahlen
       nennen. Eisert sprach aber im Vorfeld der gestrigen Verhandlungen davon,
       dass beide Tarifparteien „nicht so sehr weit“ auseinander lägen. Auch von
       einem drohenden Streik wollte sie nichts wissen.
       
       Uwe Schmid von Ver.di sieht das ganz anders: An vielen Punkten sei man
       weiter voneinander entfernt, als bisher gedacht, sagte er nach den
       Gesprächen. Gebe es in der kommenden Woche keine Annäherung, müsse man den
       Druck erhöhen. Noch im November könnte es zu ersten Streiks kommen. Für die
       AG ist das „ein sehr schwieriges Thema“, so Bracker, denn die
       MitarbeiterInnen wollten ihre Assistenznehmer „nicht im Stich lassen“.
       
       Dennoch ist die Mehrheit der AssistentInnen offenbar für einen
       Arbeitskampf. „Wir sind seit knapp 20 Jahren von der allgemeinen
       Lohnentwicklung abgekoppelt“, so Bracker. Allein inflationsbedingt arbeite
       man heute für weniger als drei Viertel des Lohnes von 1995.
       
       Eisert sagt dagegen: „Wir können es uns nicht leisten, den Bestand der
       Assistenzgenossenschaft zu gefährden, wenn die Kostenträger nicht
       mitziehen“ – also die Bremer Sozialbehörden sowie die Pflegekassen. Und die
       hätten sich bisher „noch nicht konkret geäußert“. Zuletzt demonstrierten
       die Beschäftigten am Rande des grünen Parteitags am Samstag: „Arm trotz
       Arbeit – weil die grüne Sozialsenatorin das so will?“, stand auf ihren
       Flyern.
       
       Man sei bereit zu einem Entgegenkommen, heißt es aus dem Sozialressort,
       dessen grüner Staatsrat Horst Frehe einst Aktivist der
       Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und Mitbegründer der AG war. Der Tarifvertrag
       sei natürlich Sache der Tarifparteien, so ein Behördensprecher. Aus Sicht
       des Ressorts sei es aber vorstellbar, die Löhne „in mehreren kleinen
       Schritten“ dem TVÖD „anzunähern“. Es könne nicht sein, dass die
       AssistentInnen von der allgemeinen Lohnentwicklung abgehängt würden.
       
       Damit ist man in Bremen immerhin weiter als in Hamburg. Die dortige AG
       [2][www.hageg.de] verhandelt auch um einen Tarifvertrag. Die
       Geschäftsführung, so Ver.di, habe bisher kein Angebot vorgelegt.
       
       12 Nov 2012
       
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