# taz.de -- Thalia Theater und Social Media: Das Blog der Nibelungen
       
       > Haben Theater und soziale Medien mehr als Werbung gemeinsam? Im Thalia
       > Theater versuchen Teilnehmer eines Barcamps diese Frage zu beantworten.
       
 (IMG) Bild: Das Thalia Theater in Hamburg und die Suche nach Spiel und Netz.
       
       „Wir bitten Sie, Ihr Handy abzuschalten.“ Ginge es nach den Digital
       Natives, also den Menschen, die sozusagen ins Internet hinein geboren
       wurden, wäre dieser Hinweis zu Beginn einer Theateraufführung längst passé.
       Denn wer sein Handy abstellt, der kann auch nicht twittern – und Twittern
       führt zur Reflexion über die Kunst auf der Bühne.
       
       So sieht das zumindest ein Teilnehmer des „[1][Barcamps]“, das am
       Wochenende erstmals vom Thalia Theater Hamburg (gemeinsam mit dem Verein
       „Timeline“) veranstaltet wurde, um über die möglichen Schnittstellen
       zwischen Theater und Internet zu diskutieren. Eine Teilnehmerin bestätigt:
       „Mein Hirn braucht zwei bis drei Kommunikationskanäle, die zeitgleich offen
       sind – ich glaube an Multitasking!“
       
       Was auf diesem Camp vorgeschlagen wurde, wo jeder Teilnehmer Referent sein
       und eine „Session“ zu einem Thema anbieten konnte, das mag den bürgerlichen
       Theatergänger ebenso schockieren wie den Regisseur oder Schauspieler:
       twitternde Zuschauer, die jede Aufführung im Internet bewerten; Videos von
       den Proben auf einem Blog; Flash-Mobs in Anlehnung an einen Stoff.
       
       ## Facebook die Antifaltencreme für Profil und Auftritt
       
       Die 150 Tickets für das Camp waren rasch aufgekauft von der digitalen
       Avantgarde im Theaterbereich und den Kommunikationsabteilungen vieler
       Theater, die von ersteren profitieren möchten. Noch sieht die Realität an
       den Häusern nämlich anders aus.
       
       Die meisten Annäherungen zwischen dem ältesten und dem jüngsten Medium
       kommen einem vor wie oberflächliche Verjüngungskuren: Facebook die
       Antifaltencreme für Profil und Auftritt. Das Theater hat offensichtlich
       Muffensausen, nicht mithalten zu können, auszusterben. Was früher die Angst
       vor Verdrängung durch Kino und Fernsehen war, das ist heute die Panik vor
       den Auswirkungen der digitalen Revolution.
       
       Die Zukunft liegt wohl irgendwo zwischen Alibi-Netzpräsenz und blinkenden
       Handys im Publikum. Jochen Strauch, Marketing-Leiter am Thalia und
       Moderator des Camps, stellte die wichtigste Grundsatzfrage: „Wie befreien
       wir die Social Media vom Erfolgsdruck und nutzen sie kreativ und
       künstlerisch?“ Nur unter ästhetischen und inhaltlichen Aspekten ergibt eine
       Verbindung beider Medien letztlich Sinn.
       
       Die Oper scheint da schon einen Schritt weiter als das Sprechtheater.
       Johannes Lachermeier von der Bayerischen Staatsoper stellte gleich mehrere
       Projekte vor, die mit Bühnenstoffen im Netz eigene Kunstformen gebildet
       haben. Darunter ein Spiel zum „Ring der Nibelungen“, den Andreas
       Kriegenburg parallel auf der Bühne erarbeitete.
       
       Losgelöst von dessen Inszenierung kann der Nutzer beim
       "Do-It-Yourself-Ring" mit Videos und Klängen auf seiner [2][Online-Bühne]
       Regisseur spielen. Lachermeiers Plädoyer: "Das Internet kann nicht nur über
       Kunst kommunizieren, hier findet Kunst statt!"
       
       ## Effies Brautkleid
       
       Die Inszenierung „[3][//www.facebook.com/groups/MGTOB/:Effie Briest 2.0]“
       vom Berliner Maxim Gorki Theater auf Facebook, die Pressereferentin Rebecca
       Rasem vorstellte, war ein ebenso ambitioniertes, im Ergebnis aber eher
       dürftiges Pilotprojekt. Viel mehr als die Abstimmung über Effies Brautkleid
       war von den 1.400 virtuellen Teilnehmern nicht erwünscht, weitere
       Interaktion hätte die Handlung durcheinander gebracht.
       
       Theater spielt man eben doch am besten auf der Bühne. Überhaupt: Eine
       „echte“ Inszenierung kann keines der Projekte ersetzen – das ist aber auch
       nicht das Ziel. Vorgestellt werden Spielereien, Möglichkeiten, um ein
       Theater, das nach distanzierter Reflexion verlangt, mit interaktiven
       Prozessen zu ergänzen.
       
       Die Öffnung, die dafür an den Theatern nötig ist, stellte sich als
       vielleicht größte Schwierigkeit heraus. Nicht nur, weil ein Intendant meist
       lediglich dann das Netz bemüht, wenn ein Abend schlecht besucht zu sein
       droht. Auch Schauspieler und Regisseure sperren sich häufig, etwa die
       Probenarbeit im Netz transparent zu machen – zu recht.
       
       Konradin Kunze, der seine Stückentwicklung am [4][Jungen Schauspielhaus in
       Hamburg] zur Diskussion stellte, sprach sich für die Künstler aus: „Die
       Proben müssen ein geschützter Raum bleiben.“ Von seiner „Session“ hatten
       sich viele mehr erhofft – schließlich ist das Facebook-Datenzentrum in
       Nordschweden Thema seines Jugendstücks. Entgegen aller Annahmen entwickelt
       Kunze das Stück nicht im Kollektiv auf Facebook, sondern plant eine linear
       erzählte Geschichte, ganz ohne digitale Medien. Ist das nun schon Retro?
       
       Jochen Strauch jedenfalls sieht mehr Möglichkeiten: „Wie könnte sich die
       Art, das Netz zu nutzen, auf eine Stückdramaturgie auswirken?“, fragte er.
       Malte Lüken von einer Firma für interaktive Internetformate stellte als
       mögliche Antwort sein Pilotprojekt „Deus Ex Show“ vor, bei dem die
       Zuschauer live abstimmen, wie es auf der Bühne weitergeht. Ob ein solcher
       demokratischer Prozess für die Kunst so fruchtbar ist wie die Arbeit eines
       einzigen visionären Künstlers, sei einmal bezweifelt – solange der
       Gegenbeweis ausbleibt.
       
       13 Nov 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://timel-ne.de/theatercamp/
 (DIR) [2] http://www.ring.staatsoper.de
 (DIR) [3] http://https
 (DIR) [4] http://www.schauspielhaus.de/de_DE/junges_schauspielhaus_spielplan
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Behrendt
       
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