# taz.de -- Justiz: Drinnen böse, draußen gut
       
       > Im Gefängnis ist ein neues Zentralgebäude eingeweiht worden - bis 2018
       > sollen auch die alten Gebäude saniert werden, hin zum "modernen
       > Strafvollzug"
       
 (IMG) Bild: So geht Überwachung heute: JVA Oslebshausen.
       
       Eine verbesserte Schleuse mit Metalldetektoren und Röntgenband wie beim
       Flughafen, ein „intelligenter“ Zaun, der bei Berührung Alarm schlägt und
       ein neues „Personensicherheitssystem“, das genau registriert, wo sich ein
       Wärter gerade befindet – das neue Zentralgebäude der Justizvollzugsanstalt
       Oslebshausen (JVA) entspricht einem „modernen Strafvollzug“. Das Wort
       zumindest fiel sehr oft bei der Einweihung am Freitag.
       
       Justizsenator Martin Günthner (SPD) führte durch den Zellentrakt. 100 neue
       Haftplätze sind entstanden, zudem Platz für die Verwaltung, ein
       Besucherbereich, Lazarett, eine Kantine für die Beamten. In der arbeiten
       die Gefangenen, als „Vorbereitung für das Leben draußen“. Die Möbel für
       Zellen wurden in der Gefängniswerkstatt hergestellt, unter Beachtung
       spezieller Vorschriften. Sie dürfen etwa keine Hohlräume haben, um keine
       Verstecke zu bieten.
       
       Die baulichen Verbesserungen seien „ein Quantensprung“, sagt Anstaltsleiter
       Carsten Bauer. Die Zellen sind inklusive WC zehn Quadratmeter groß, in den
       alten Gebäude sind es sieben bis acht. Die Backsteingebäude sind
       denkmalgeschützt, stammen von 1874 und seien „nicht mehr ganz zeitgemäß“,
       so Bauer. Ein „schönes Ereignis“ sei die Eröffnung des neuen
       Gefängnis-Gebäudes, „sicherer und humaner Strafvollzug“ das Credo.
       
       „Jeder Politiker muss heute vor allem Sicherheitsvorkehrungen zeigen“, sagt
       Johannes Feest, emeritierter Professor für Strafrecht und Gründer des
       Strafvollzugarchivs. Auch er wurde durch das neue Gefängnishaus geführt.
       Zwei Stunden später sprach er im Rathaus anlässlich des 175-jährigen
       Bestehens des Vereins Bremische Straffälligenbetreuung. Feest schaffte die
       terminliche Herausforderung, Senator Günthner und sein Staatsrat ließen
       sich wegen der Gefängniseröffnung entschuldigen.
       
       Der Verein kümmert sich um die andere Seite des Vollzugs, um die
       Resozialisierung. Er bietet Haftentlassenen Hilfe, ebenso ihren
       Angehörigen, mit einer selbst sehr wechselhaften Geschichte. Während des
       Nationalsozialismus wurde die anfänglich vor allem christlich-karitative
       Einrichtung gleichgeschaltet, war auch für Ermittlungen im Vorfeld der Haft
       zuständig und half nur ausgewählten, nicht als asozial Stigmatisierten bei
       der Reintegration in die Volksgemeinschaft. Erst in den Siebzigern folgten
       eine Satzungsänderung und Ausrichtung auf einen auf Resozialisierung
       ausgerichteten Vollzug. Mit der Professionalisierung der letzten Jahre, der
       Zusammenarbeiten mit dem Amt für soziale Dienste und der JVA seien
       kritische Äußerungen aus dem Verein allerdings schwieriger geworden, so
       Feest.
       
       Ein neues Multimediasystem in den neuen Zellen soll Häftlingen helfen, sich
       auf die Zeit nach dem Gefängnis vorzubereiten. Radio und Fernsehen kann
       darüber empfangen werden und – das ist neu – sogar eingeschränkter
       E-Mail-Verkehr möglich sein. Vielleicht sogar die Jobsuche über das
       Internet. Allerdings „chinesisch“, wie es in der JVA scherzhaft genannt
       wird: mit großen Einschränkungen.
       
       Die Ausrichtung des Vollzugs, sagt der ehemalige Anstaltsleiter
       Hans-Henning Hoff, sei Schwankungen unterworfen. Nach dem Bekanntwerden der
       Verbrechen von Mark Dutroux etwa seien Öffnungen wie die Stärkung eines
       offenen Vollzugs wieder zurückgegangen. Von 1988 bis 1997 war er Leiter der
       JVA, bis heute ist er im Vorstand der Bildhauerwerkstatt der Anstalt, ein
       Vorzeige-Projekt für Resozialisierung. Neue Haftplätze sieht er kritisch,
       es gebe eine Dynamik: „Wenn es mehr Plätze gibt, schicken die Richter auch
       mehr Menschen ins Gefängnis“, so Hoff.
       
       Etwa 600 Gefangene sitzen derzeit in Bremer Gefängnissen, 70 davon in
       Bremerhaven. Nach der laufenden Generalsanierung sollen es in Oslebshausen
       650 Plätze, in Bremerhaven 100 Plätze sein.
       
       Beschlossen wurde die Sanierung der Anstalten 2008, 2018 soll sie
       abgeschlossen sein, 2013 folgt der Jugendvollzug. Nach einer Probephase des
       Neubaus soll im Februar der Betrieb richtig losgehen.
       
       Im Rathaus wünschte sich Feest, dass sich sein Verein wieder verstärkt für
       den Abbau von Gefängnissen stark macht. Der ehemalige Anstaltsleiter Hoff
       ist skeptisch: „Psychologisch braucht die Gesellschaft den Knast, um die
       Sicherheit zu haben, dass dort das Böse drin sitzt und draußen das Gute.“
       
       23 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Suizid
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Selbstmord in Untersuchungshaft: Suizid vor laufender Kamera
       
       Ein 26-Jähriger tötete sich in U-Haft offenbar mit einer Schnur – obwohl er
       sich in einer Suizid-Präventionszelle befand. Die WärterInnen schauten
       gerade nicht hin