# taz.de -- Schadstoffe in Italiens Metallindustrie: Zwangsurlaub für Stahlarbeiter
       
       > Die Chefs des süditalienischen Ilva-Stahlwerks schicken 5.000
       > Beschäftigte nach Hause. Gegen die Besitzer wurden Haftbefehle
       > ausgestellt.
       
 (IMG) Bild: Gesund sieht das eh nicht aus: Ilva-Stahlwerk in Tarent.
       
       ROM taz | Von der Justiz beschlagnahmt, von der Firmenleitung stillgelegt,
       von den Arbeitern besetzt: Die seit Monaten andauernde Auseinandersetzung
       um das Ilva-Stahlwerk im süditalienischen Tarent ging am Montag in die
       nächste Runde.
       
       Gleich sieben neue Haftbefehle nämlich stellten die
       Untersuchungsrichterinnen Patrizia Todisco und Vilma Gilli aus – gegen den
       Eigentümer Emilio Riva, gegen dessen Sohn Fabio, gegen Manager, gegen einen
       Professor und einen Provinzpolitiker. Der Vorwurf: Sie alle hätten in einer
       kriminellen Vereinigung darauf hingewirkt, dass Ilva trotz der Ausbringung
       enormer Schadstoffmengen – von Feinstaub über Benzopyren bis zu Dioxin –
       ungestört weiterproduzieren konnte.
       
       Schlimmer noch für Ilva, das allein in Tarent 11.500 Menschen beschäftigt:
       Die Richterinnen ordneten zugleich die Beschlagnahmung Tausender Tonnen von
       im Werkshafen liegenden Halbfertig- und Fertigprodukten an. Die Bleche und
       Coils, so die Justiz, seien produziert worden, obwohl die Kokerei, diverse
       Hochöfen und Warmwalzstraßen wegen der systematischen Überschreitung der
       Grenzwerte für zahlreiche Schadstoffe und der gravierenden Folgen für die
       Gesundheit der Bürger von Tarent schon seit Juli beschlagnahmt waren; damit
       habe Ilva grob gegen die Anordnungen des Gerichts verstoßen.
       
       Am Montag reagierte die Firmenleitung mit dem Beschluss, sofort etwa 5.000
       Arbeiter in den Zwangsurlaub zu schicken. Die Reaktion kam umgehend: Die
       Arbeiter der Spätschicht weigerten sich, den Betrieb zu verlassen. Seitdem
       ist das Direktionsgebäude besetzt. Eine „Repressalie“ auf dem Rücken der
       Arbeiter sei der Beschluss der Firmenleitung, sagen die Gewerkschaften.
       
       Ilva dagegen sieht sich von der Justiz daran gehindert, die Produktion
       aufrechtzuerhalten; auch an den fünf weiteren Firmenstandorten in
       Norditalien, die auf Zulieferungen aus Tarent angewiesen sind, sei ein
       schneller Fertigungsstopp kaum zu vermeiden. Die sozialen und
       wirtschaftlichen Folgen wären dramatisch: Tausende Arbeitsplätze sind in
       Gefahr, und Italiens Industrie verlöre den wichtigsten Stahllieferanten.
       
       Die Regierung hat für Donnerstag einen Krisengipfel mit der Ilva-Spitze und
       den Gewerkschaften in Rom einberufen; Umweltminister Corrado Clini stellte
       schon ein Gesetz in Aussicht, das den Gerichtsbeschluss neutralisiert –
       damit würde der Konflikt um Ilva zum Konflikt zwischen Regierung und
       Justiz.
       
       27 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
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