# taz.de -- Goma nach dem Abzug der Rebellen: Spielen auf Kanonenrohren
       
       > Nach dem Abzug der Rebellen herrscht in Goma im Osten des Kongo eine
       > unsichere Ruhe. Nur rund 300 Polizisten sorgen für wenig Ordnung und
       > Sicherheit.
       
 (IMG) Bild: Sollen für Sicherheit in Goma sorgen: PolizistInnen aus Süd-Kivu.
       
       GOMA taz | Der Stahlhelm ist viel zu groß für seinen Kopf. In den Händen
       hält der 8-jährige Benjamin fünf große Gewehrpatronen, alle länger als
       seine kleinen Finger. Hinter ihm durchwühlen seine Freunde ein Militärzelt
       voller Munition, Granaten und verrosteter Kalaschnikow. Lediglich knapp 300
       Polizisten patrouillieren die Straßen, bewachen die Grenze und die
       Zentralbank. In den restlichen Stadtteilen kann jetzt jeder machen, was er
       will.
       
       Bereits kurz nachdem die Rebellen der M23-Bewegung am Samstag aus Ostkongos
       Provinzhauptstadt Goma abgezogen waren, stürmten Kinder und Jugendliche die
       Militärbaracken rund um das Nord-Kivu-Hauptquartier der Armee. Elf Tage
       lang hatten sich hier die Rebellenkämpfer einquartiert. Jetzt sind die
       Munitionsdepots Spielplatz barfüßiger Kinder, die auf den kaputten
       Kanonenrohren herumturnen.
       
       Die Militärbaracken sind ein Sinnbild für den Zustand des Ostkongos: Dicht
       an dicht reihen sich die schiefen Zelte, in welchen die 1200 Soldaten des
       in Goma stationierten Regiments mit ihren Kindern und Frauen hausten. Die
       Lebensbedingungen sind schlimmer als in den nahen Flüchtlingslagern. In den
       staubigen Gassen liegen Essensreste, benutzte Kondome, geschmolzene
       Plastikflaschen. Es stinkt nach Fäkalien.
       
       Meterhohe Marihuana-Pflanzen wachsen zwischen den Zelten, verbreiten einen
       süßlichen Geruch. Eine dürre Frau humpelt barfuß durch den Dreck, die Witwe
       eines Soldaten. Sie wohnt in einem der Zelte mit ihren zehn Kindern: „Die
       Rebellen haben meine Schuhe und Kleider geklaut“, klagt sie und zeigt auf
       ihre nackten Füße, deren Nägel bunt angemalt sind.
       
       ## Seit Monaten kein Sold
       
       Schnell sammeln sich Frauen und junge Mädchen auf den Straßen: Es sind die
       Ehefrauen der kongolesischen Regierungssoldaten. Delphine Tchibalona trägt
       ein zehn Tage altes Baby auf dem Arm. Sie hat es während den Gefechten in
       Gomas Stadtzentrum zur Welt gebracht. „Es wurde geschossen, als ich in den
       Wehen im Militärkrankenhaus lag“, erzählt sie. Ihr Mann sei an die Front
       geschickt worden. „Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört“, klagt sie.
       Der Sold sei seit Monaten nicht ausgezahlt worden, die Rebellen hätten ihr
       Telefon geklaut. „Wir leben im totalen Elend“, jammert sie.
       
       Das sonst so geschäftige Stadtzentrum Gomas wirkt nach dem Abzug der
       Rebellen wie ausgestorben. Die Leute verbarrikadieren sich zu Hause.
       Niemand traut sich nach Einbruch der Dunkelheit nach draußen: Es gibt
       Gerüchte, die Rebellen seien nicht alle abgezogen, einige würden sich noch
       in ziviler Kleidung in der Stadt verstecken. Es geht auch die Angst um,
       dass jetzt die Banditen und Verbrecher, die während der Kämpfe aus dem
       Gefängnis getürmt waren, die Gelegenheit wahrnehmen zu plündern.
       
       ## UNO-Panzer in der Innenstadt
       
       Polizisten patrouillieren nach Einbruch der Dunkelheit mit Pick-Up-Trucks
       die verwaisten Straßen Gomas. Sie sind hochgerüstet, einige tragen sogar
       Granatwerfer. Sie sind aus der Nachbarprovinz Süd-Kivu per Boot über den
       Kivusee gekomen. „Es ist relativ ruhig, wir haben bislang nur vier Banditen
       verhaftet“, sagt der Polizeikommandeur der taz.
       
       Die UNO-Blauhelme fahren in Schrittgeschwindigkeit mit Panzern durch die
       Innenstadt. An den zahlreichen Kreisverkehren und Straßenkreuzungen sind
       gepanzerte Fahrzeuge stationiert. Blauhelmsoldaten hocken auf deren Dächern
       neben den Kanonenrohren. Ein UN-Hubschrauber kreist im Tiefflug über den
       Dächern und die Grenze zu Ruanda entlang.
       
       Nur in Gomas berühmtesten Nachtclub steigt jetzt endlich wieder die Party.
       Die Rap-Musik voll aufgedreht, tanzen dutzende Journalisten und Mitarbeiter
       von Nichtregierungsorganisationen. Kongolesische Prostituierte in knappen
       Röcken mischen sich unter die betrunkenen Ausländer. UN-Mitarbeiter
       ignorieren die Ausgangssperre – alle wollen den Stress und die Anspannung
       der vergangenen 12 Tage vergessen. Doch in Goma herrscht weiter
       Ausnahmezustand.
       
       2 Dec 2012
       
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