# taz.de -- Kommentare bei Onlinemedien: Feed the Trolls
       
       > Sind die alten Leserbriefschreiber die Internettrolle von heute? Sie
       > melden sich unmittelbarer zu Wort, und erwarten Antworten.
       
 (IMG) Bild: Trolls sind beleidigend, oft diskriminierend und schnell dabei mit dem Nazivergleich
       
       BERLIN taz | Die Tageszeitung Die Welt veränderte diese Woche ihren
       Leserkommentar-Bereich. Zuvor war sie eines der wenigen unmoderierten
       Nachrichtenportale. Die Kommentare liefen ungefiltert sofort ein. „Leider
       gab es dauerhaft zu viele Leser, die diese Freiheit missbraucht und sich
       nicht an die Regeln des fairen Umgangs miteinander gehalten, provoziert,
       beleidigt und Rechtsbrüche begangen haben.“, so Oliver Michalsky,
       Stellvertretender Chefredakteur Welt-Gruppe.
       
       Mordaufrufe und antisemitische Ausfälle haben in Zeitungsauftritten nichts
       zu suchen. Nun werden die Kommentare von Mitarbeitern der Welt gelesen und
       per Hand freigeschaltet, so wie es bei anderen großen Tageszeitungen schon
       lange üblich ist. Darüber hinaus sollen die Redakteure unter den Artikeln
       mitchatten. „Die Umstellung auf Prämoderation unterdrückt das Trollen,
       worunter unsere Kommentarbereiche in der Vergangenheit manchmal gelitten
       haben“, so Michalsky.
       
       Communitymanger haben mit ihnen zu kämpfen: [1][Trolls], die ständig
       beleidigen und diskriminieren, [2][Shitstorms], die mit hunderten
       zusätzlichen Kommentare am Tag jeden Freischaltmechanismus lahmlegt. Doch
       wie kann eine Redaktion die Kontrolle behalten?
       
       Eine andere Variante des Leserkontaktes sind registrierungspflichtige
       Foren. Für den Bereich Leserdialog der Süddeutschen Zeitung (SZ) ist seit
       2007 eine Anmeldung nötig. Ein Login mit dem Facebookaccount ist auch
       möglich. „Der Shitstorm ist eine extreme Form, in der User ihre Meinung
       weitertragen“ so Daniel Wüllner, Betreuer der SZ-Community und des
       Facebookauftritts.
       
       ## Füttern mit Antworten
       
       Das wichtigste Instrument, um einem Shitstorm entgegenzuwirken, sei der
       direkte Kontakt mit dem Leser: „Das Internet schafft eine neue Präsenz des
       Lesers. Er kann sich mehr einbringen und erwartet umgekehrt, dass man sich
       seiner annimmt”, so Wüllner. Der User brauche eine Person, die da ist und
       seine Fragen ernst nimmt. „Ich vermittele zwischen Leser und Redaktion.“
       
       Das Wort Shitstorm ist zwar neu und wird nur auf digitale
       Kommunikationsprozesse angewandt, analoge Empörungswellen mit vielen
       Zuschriften gab es aber schon immer: „Sich hinzusetzen und einen Leserbrief
       zu schreiben ist aufwendiger und deshalb oft formaler“, so Martin Emmer,
       Professor mit den Schwerpunkten Social Media und Online des Instituts für
       Publizistik und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin. „Ich warne jedoch
       deshalb vor Kausalschlüssen, das Internet würde die Menschen verrohen.
       Diese Rohheit gab es schon immer, sie wird durch das Internet nur
       sichtbarer.“
       
       ## Nett waren die Leser nie, wenn sie etwas aufregte
       
       Ein Blick ins Leserbriefarchiv der taz zeigt, nett waren die Leser auch
       früher nicht immer. Ein Beispiel: 1980 kritisiert ein damaliger
       taz-Mitarbeiter unter dem Pseudonym Gernot Gailer die Lustfeindlichkeit der
       Linken. Seinen Text beginnt er mit der Beschreibung einer sexuellen
       Phantasie und wettert im Folgenden gegen die Frauenbewegung. Die Reaktionen
       vieler Leser auf diese Provokation sprechen Bände des Ärgers:
       
       „Ich habe den Artikel nur flüchtig überfolgen, und das, was ich da für
       schweinische frauenfeindliche, perverse Sprüche las, reichte mir völlig
       aus, um den Dreck nicht weiterzulesen. Und ihr bringt so einen
       Scheiß-Artikel raus! (...) Das grenzt ja schon an Faschismus! Und daß ihr´s
       wißt – der Körper (Frauenkörper) ist unantastbar und heilig! Und wer den
       heiligen Körper so in den Dreck zieht, ist in meinen Augen ein perverses
       Schwein!“ – Agnes K.
       
       „Im Konfirmationsunterricht, lang ist´s her, hat uns der Pfarrer erzählt,
       daß wir durch häufiges Wixen unsere Gehirnzellen und unser Rückenmarkt
       schädigen. Ob der recht gehabt hat?“ – K. Strumpf
       
       „Ich frage mich, was du für ein kaputtes Leben führen mußt, in dem es nur
       deine Befriedigung zu geben scheint. (...) Wahrscheinlich nimmst du
       Linkssein für dich in Anspruch, oh mei! (...) mir ist kotzübel!!! Nieder
       mit dem Patriarchat! Nieder mit dem Männlichkeitswahn!“ – Suhela
       
       Ob der Journalist nun auf Briefpapier oder im Internet beschimpft wird,
       macht für ihn keinen großen Unterschied. „Aus Nutzersicht sind Leserbrief
       und Onlinekommentar jedoch nicht miteinander vergleichbar“, so Martin
       Emmer. „Leserkommentare und Facebookbeiträge sehen die meisten User nicht
       als öffentliche Kommunikation an. Für sie ist es mehr eine Kommunikation
       unter Freunden am Stammtisch.“
       
       Leserkommentare und Blogeinträge gehören für die User zur alltäglichen
       Meinungsäußerung, so Emmer. Sie erkennen es nicht als Quasi-Journalismus
       an, der ebenso Presse-, Persönlichkeits- und Urheberrecht beachten muss.
       „Es ist eine Herausforderung für die Zukunft. Denn die Vorstellung, man
       könnte die Kommunikation im Internet verhindern, können sich Journalisten
       und Politiker abschminken.“
       
       16 Dec 2012
       
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