# taz.de -- Kommentar Leistungen Grundschüler: Leistung lohnt sich nicht
       
       > Wir sind nicht zu sehr Mittelmaß, sondern noch zu wenig Mindestmaß: Nicht
       > die Spitzengruppe der Schüler verdient Aufmerksamkeit, sondern die
       > Risikoschüler.
       
 (IMG) Bild: Bei einer Bewertung der deutschen Schüler empfiehlt sich: genauer hingucken!
       
       Es ist nicht alles schlecht [1][an deutschen Grundschulen]. Die
       Schülerinnen und Schüler lesen viel, sie lesen mehr als früher, und sie tun
       das mindestens so gut wie ihre Altersgenossen aus vergleichbaren Ländern.
       
       Auch in Mathematik und in den Naturwissenschaften können sie mithalten;
       Migranten holen auf, Jungen und Mädchen nähern sich in ihren Leistungen an
       – mehr als zehn Jahre nach dem großen Pisa-Schock ist das Balsam für die
       Seele der Schulpolitiker. Und von dem gönnen sie sich reichlich. Zu
       reichlich allerdings.
       
       Denn das deutsche Schulsystem ist weiterhin keines, das durch Gerechtigkeit
       glänzt. Bei allen Erfolgen, die die neuesten Grundschulstudien Deutschland
       bescheinigen, bei allem Lob für Sprachförderung und Ganztagsbetreuung:
       Richtig problematisch wird es nach der Klasse vier, wenn der Wechsel auf
       eine weiterführende Schule ansteht.
       
       Denn auch das ist ein Ergebnis der Studie: Das Akademikerkind hat eine
       weitaus größere Chance, von seinem Lehrer für das Gymnasium empfohlen zu
       werden, als der Sprössling eines Facharbeiters – und das bei gleichen
       Leistungen. Dieser Vorsprung hat sich im Laufe der Zeit nicht nur nicht
       verringert, er ist sogar eher größer geworden.
       
       Den Grundschullehrern mag man dafür nicht einmal einen Vorwurf machen: Sie
       beziehen in ihre Überlegungen mit ein, dass die Gymnasien sich oft viel zu
       schlecht um die Aufsteiger kümmern– und nicht alle Eltern sich Nachhilfe
       leisten können. Selbst aus guten Grundschülern können unter diesen
       Bedingungen oft keine guten Gymnasiasten werden. Leistung lohnt sich eben
       für die einen weniger als für die anderen.
       
       Umso befremdlicher ist daher, dass die Bildungsminister plötzlich eine ganz
       neue Problemgruppe ausmachen: die der Spitzenschüler. Die Top-Leser am Ende
       der Grundschulzeit sind im internationalen Vergleich in der Tat eher rar
       gesät. Das kann man schade finden – übermäßig sorgen muss man sich deshalb
       nicht.
       
       Wir sind nicht zu sehr Mittelmaß, sondern immer noch zu wenig Mindestmaß:
       Das Problem ist der kaum kleiner werdende Sockel derer, die Texte nur
       mühsam entziffern und den Inhalt kaum wiedergeben können – der verdient die
       ganze Aufmerksamkeit, erst dann die Spitzengruppe. Aber es ist eben
       bequemer, aus guten Schülern noch bessere zu machen als aus Risikoschülern
       solche, die nicht scheitern.
       
       11 Dec 2012
       
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