# taz.de -- „Direktrecycling“ von Papier: Weit gereiste Kartenpost
       
       > Beim „Direktrecycling“ werden Materialien unmittelbar wiederverwertet,
       > ohne industrielle Bearbeitung. Mit alten Landkarten geht das besonders
       > schön.
       
 (IMG) Bild: Eignen sich besonders gut für „Directrecycling“: alte Landkarten.
       
       BERLIN taz | Festliche Grüße im „umweltfreundlichsten Briefumschlag“ der
       Welt? Macht Eindruck. Das dachte wohl Olaf Hagedorn, Gründer von „Direkt
       Recycelte Papierprodukte“ in Münster. Das Unternehmen stellt Briefkuverts
       aus alten Landkarten her. Daneben werden Taschen aus Werbeprospekten,
       Papier aus zerschredderten D-Mark-Scheinen und andere Recyclingprodukte
       verkauft. Wer seinen Kalender vom Vorjahr nicht wegschmeißen will, kann
       sich daraus einen Notizblock machen lassen.
       
       „Directrecycling“ nennt die Firma das Verfahren, bei dem Stoffe unmittelbar
       wiederverwertet werden, ohne sie industriell zu bearbeiten. Das ist im
       Alltag gang und gäbe: Wer Papier wieder in den Drucker legt und die
       Rückseite bedruckt, recycelt direkt.
       
       Beim normalen Recycling muss Altpapier hingegen erst gelöst, entfärbt und
       wieder getrocknet werden. Das kostet Energie und Wasser, außerdem fallen
       giftige Reststoffe an. Die Briefhüllen von DRP sehen deshalb nicht nur
       bunter aus, mit roten Höhenlinien und blauen Flüssen, sie beanspruchen auch
       die beste Ökobilanz für sich.
       
       Hagedorn erzählt, die Idee sei ihm vor fünfzehn Jahren beim Schreiben von
       Bewerbungen gekommen. „Wenn ich Fehler machte, musste ich ganze Seiten
       wegwerfen. Das hat mich geärgert.“ Seinen Vorschlag, aus altem Papier
       Kuverts zu falten, präsentierte er Mitstreitern einer
       Arbeitsloseninitiative. Von Hand bastelten sie die ersten Umschläge und
       verkauften sie auf dem Flohmarkt.
       
       ## Weltweites Patent
       
       Später entdeckte Hagedorn jene veralteten Landkarten, die Bundeswehr oder
       Behörden zum Altpapierpreis verkaufen. Eine Förderung der Bundesstiftung
       Umwelt Osnabrück bezahlte dann die 200.000 Mark, die nötig waren, um auf
       das „Directrecycling“ ausgewählter Papierprodukte ein weltweites Patent
       anzumelden: Wer das nachmachen und gewerblich nutzen will, muss Lizenzen an
       Hagedorns Unternehmen bezahlen.
       
       Heute ist der Betrieb nicht mehr von Förderungen abhängig. Der jährliche
       Umsatz liege bei 600.000 Euro, gibt Hagedorn an. Als die Anfragen zunahmen,
       habe man sich entschlossen, die Herstellung der Kuverts nach Osteuropa
       auszulagern, wo die Produktion wegen der niedrigeren Löhne billiger ist.
       Das Altpapier werde nun in Lkws verschickt, maschinell bearbeitet und als
       fertige Umschläge zurückgefahren. Das verändert natürlich die CO2-Bilanz,
       auch wenn, wie Hagedorn betont, pro Fahrt eine hohe Stückzahl transportiert
       wird.
       
       Das Öko-Institut hatte DRP bei seiner Gründung eine Stellungnahme zur
       Verfügung gestellt, die direktes mit herkömmlichem Recycling verglich. Pro
       tausend direkt recycelten Kuverts würden demnach 40 Liter Wasser, 60 bis 80
       Megajoule Energie und 0,47 Kilogramm Abfallstoffe eingespart.
       
       Carl-Otto Gensch, der die Stellungnahme 1996 bearbeitete, formuliert heute
       vorsichtiger. Wenn das direkte Recycling mit langen Transporten verbunden
       ist, müsse man die Vor- und Nachteile gegenüber der herkömmlichen
       Verwertung von Altpapier „in der Gesamtbilanz“ abwägen.
       
       ## CO2-Ausstoß
       
       Andreas Detzel vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg
       (Ifeu) begrüßt die Alternative zum klassischen Recycling, das in
       Deutschland, Frankreich, Polen und England unter Einsatz von Kohlestrom
       betrieben wird. „Der Transport schlägt, was die Ökobilanz betrifft, weniger
       zu Buche als der Stromverbrauch“, so Detzel.
       
       Er schätzt den CO2-Ausstoß, der durch den deutschen Verbrauch allein von
       grafischem Papier, für Drucke, Zeitschriften oder im Bürobedarf, anfällt,
       auf 136 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
       
       Patente auf Recyclingverfahren zu vergeben hält Detzel allerdings für
       „nicht geschickt, wenn es kreative Nachahmung verhindert“. Denn das
       Potenzial für Recyclingideen sei weltweit groß. Videos auf YouTube zeigen,
       wie man aus Altpapier selber Briefumschläge falten kann. Der Weg vom
       eigenen Mülleimer zur Post ist schließlich der billigste – und kürzeste.
       
       31 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Schultess
       
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