# taz.de -- Fremdenangst: Flüchtlinge nur auf Zeit
       
       > Auf einer Sitzung des Beirats Schwachhausen sind die, die gar kein
       > Problem mit einem Flüchtlingsheim in ihrer Nähe haben, in der Minderheit.
       > Die Rassisten aber auch.
       
 (IMG) Bild: Löst in Bremen-Schwachhausen Ängste aus: Flüchtlingsheim, hier in Stuttgart.
       
       Gibt es keine anderen öffentlichen Gebäude in der Stadt, in denen man die
       Flüchtlinge unterbringen kann? Steht nur die ehemalige Internationale
       Schule in der Thomas-Mann-Straße leer? Und handelt es sich wirklich nur um
       eine „temporäre“, eine „vorübergehende“, „eine Zwischenlösung“, wie sowohl
       die Beiratsmitglieder als auch der Vertreter der Sozialsenatorin stets
       wiederholen? Warum die Bürger und Bürgerinnen, die am Donnerstag Abend
       zahlreich zur öffentlichen Sitzung des Beirats Schwachhausen gekommen sind,
       solche Probleme mit einem Wohnheim für Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft
       haben, wird nicht klar. Nur ein einziges Mal, auf Nachfrage, was er denn
       meine, wenn er von seinen „Ängsten“ rede, spricht ein Mann aus, was
       vielleicht einige in der Aula der Grundschule Freiligrathstraße denken.
       „Man weiß ja, dass es im Umfeld von Flüchtlingsheimen eine gesteigerte
       Kriminalität gibt, das ist statistisch belegbar.“
       
       Als „gewagte Behauptung“ bezeichnet dies Heiko Hergert, Leiter des Referats
       für Zuwandererung bei der Sozialsenatorin. Und fragt, ob der ängstliche
       Bürger schon jemals etwas Negatives über die vier Bremer Flüchtlingsheime
       gehört habe? In denen nicht 50 Menschen leben, wie es für die
       Thomas-Mann-Straße geplant ist, sondern jeweils drei bis vier Mal so viele?
       Ja, habe er, behauptete der Mann.
       
       Am schärfsten reagiert darauf ein CDU-Politiker im Beirat. Während der
       grüne Stadtteilpolitiker Dietrich Heck immer wieder davon spricht, dass
       Ängste „in Ordnung“ seien und man vonseiten des Beirats auf diese eingehen
       wolle, wird sein CDU-Kollege Gerhard Scherer deutlicher. „Ich finde es ganz
       schlimm, diesen Menschen, die mit nichts als dem letzten Hemd auf der
       nackten Brust zu uns geflohen sind, Kriminalität zu unterstellen“, sagte
       er. „Wie die hier leben, liegt auch daran, wie wir mit ihnen umgehen.“ Er
       schlägt vor, mit dem gesamten Beirat vor Ort zu sein, um die ersten
       Flüchtlinge willkommen zu heißen.
       
       Dafür gibt es großen Applaus aus dem Publikum. Im Laufe des Abends wird
       deutlich, dass diejenigen unter den 140 ZuhörerInnen, die kein
       Flüchtlingsheim wollen, nicht einmal für ein paar Monate, in der Minderheit
       sind. Ein paar Frauen werben gar dafür, den Flüchtlingen zu helfen – was
       einige Männer und Frauen im Rentenalter mit verächtlichem Hüsteln
       quittieren. „Im Sommer wird dann der Hammel im Garten gegrillt“, grummelt
       ein Mann im hellgelben Ralph-Lauren-Pullover. Zuvor hatte er sich zu Wort
       gemeldet, es sei ja völlig in Ordnung, einmalig 50 bis 60 Flüchtlinge „aus
       schlimmen Bürgerkriegsländern“ aufzunehmen – „aber woher sollen wir wissen,
       dass nicht gleich die nächsten vor der Tür stehen?“
       
       Genau das, macht der Beirat fraktionsübergreifend immer wieder klar, könne
       niemand sagen. „Wir wissen einfach nicht, wie sich die weltpolitische Lage
       entwickelt“, sagt der Grüne Dietrich Heck. Deshalb weigert sich der Beirat
       auch, sich auf ein Datum festzulegen, bis zu dem die Nutzung als
       Notunterkunft erlaubt sein soll.
       
       Denn etwas anderes als eine Lösung für die größte Not soll es nicht sein,
       wie Heiko Hergert, der Referent der Sozialbehörde zu Beginn der Diskussion
       erklärt hatte. Weil die Wohnheime wegen der zuletzt gestiegenen
       Flüchtlingszahlen überfüllt seien und man auf keinen Fall Menschen in
       Container oder Turnhallen stecken wolle, suche man nach kurzfristig zur
       Verfügung stehenden Unterkünften, so Hergert. In diesen soll niemand lange
       leben müssen, sondern in ein anderes Wohnheim oder eine eigene Wohnung
       umziehen. Er geht davon aus, dass das Gebäude in der Thomas-Mann-Straße nur
       bis April oder Mai 2013 gebraucht wird. Es könne sein, dass in dieser Zeit
       niemand dort wohnen werde, es sei aber auch möglich, dass die Nutzungsdauer
       verlängert werden müsse. Eine Aussage, die die meisten im Raum unzufrieden
       macht. Einige deswegen, weil auf dem Grundstück ein Kindergarten entstehen
       soll.
       
       Der Beirat versichert, dass sich an diesen Plänen nichts ändern wird und
       man im April erneut das Thema auf die Tagesordnung setzen wolle. Einstimmig
       verabschiedet das Stadtteilparlament am Ende einen Beschluss, der dem
       ähnelt, den der Beirat Mitte vor vier Wochen formuliert hatte. In dessen
       Gebiet, in der Eduard-Grunow-Straße, wird ein Haus zu einer dauerhaften
       Einrichtung umgebaut.
       
       Man stimme grundsätzlich zu – „Schwachhausen ist hilfsbereit“ steht an
       einer Stelle im Antrag – aber nur unter der Voraussetzung, dass das
       Sozialressort sich sowohl um die Bedürfnisse der Bewohner und Bewohnerinnen
       als auch die ihrer Nachbarn kümmern werde. Was darunter zu verstehen ist,
       merkt eine Anwohnerin an, sei ausgesprochen weich formuliert und lasse viel
       Raum für Interpretation.
       
       21 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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