# taz.de -- Buch zur Serie „Homicide“: Realismus ist eine hohe Kunst
       
       > Der Regisseur Dominik Graf preist die US-amerikanische Fernsehserie
       > „Homicide“: Die Macher haben sich künstlerische Ehre und Integrität
       > bewahrt.
       
 (IMG) Bild: „Es gibts nichts Schöneres für einen Regisseur als Poliziserien“, meint Dominik Graf.
       
       Wer verstehen möchte, wie es zu „The Wire“, der soziologisch wohl
       komplexesten Serie in der bisherigen TV-Geschichte, kommen konnte, den
       führt kein Weg an „Homicide“ vorbei. In „Homicide“ wurde vieles
       vorweggenommen, was später in „The Wire“ zur Perfektion gelangen sollte:
       diese unglaubliche Präzision etwa. Oder die nahezu vollständige Überwindung
       physiognomischer Klischees. Die Serie lief zwischen 1993 und 1999 auf NBC –
       in sieben Staffeln und 122 Episoden.
       
       „Homicide“ basiert auf dem gleichnamigen investigativen Buch von „The
       Wire“-Erfinder David Simon. Zur fiktionalen, aber immer wieder von realen
       Fällen inspirierten TV-Serie hat Simon selbst mehrere Drehbücher
       beigesteuert. Treibende Kraft hinter deren Realisierung war jedoch der aus
       Baltimore stammende Regisseur Barry Levinson, der bei „Homicide“ die Rolle
       des Produzenten übernahm.
       
       Nun ist im Diaphanes-Verlag ein wirklich tolles Buch zu „Homicide“
       publiziert worden, der Film- und Fernsehregisseur Dominik Graf hat es
       geschrieben. Erschienen ist es in der Reihe Booklet, in der bisher unter
       anderem Texte von Daniel Eschkötter zu „The Wire“ und von Diedrich
       Diederichsen zu den „Sopranos“ veröffentlicht worden sind. Grafs Buch ist
       ein um diverse Exkurse – etwa zur Rolle des Regisseurs im Produktionszyklus
       einer amerikanischen Fernsehserie – erweiterter Episode Guide, der eine
       detaillierte und stilistisch ausgezeichnete Analyse all dessen liefert, was
       „Homicide“ so außergewöhnlich macht.
       
       Zu allererst ist da natürlich die großartige Besetzung, „the ugliest cast
       in television“, wie es Tom Fontana – neben Simon, Levinson und Paul
       Attanasio einer der prägenden Köpfe hinter der Serie – einmal formuliert
       hat. Etwa der misanthrope Althippie Munch. Oder die coole Kay Howard,
       einzige Frau im Team. Oder der kettenrauchende Crosetti. Großartig auch die
       realistischen Dialoge, zu denen Dominik Graf schreibt: „Seit Strasberg,
       seit dem ’Actor’s Studio‘, ist dieser Realismus in Wahrheit eine hohe
       Kunst.“
       
       Dominik Grafs „Homicide“-Buch ist eine Liebeserklärung an eine Show, die
       sich einen Spaß daraus macht, Zeugen und Tatverdächtige nach
       Grunge-Musikern zu benennen, und deren abstruseste Fälle, etwa der Mord
       wegen eines seltenen Kugelschreibers, sich tatsächlich so ereignet haben.
       Das Buch ist auch deshalb so schön geworden, weil Dominik Graf David Simons
       Prinzip der Verschmelzung des Beobachters mit seinem
       Untersuchungsgegenstand so ernst genommen hat: Er hat sich hingesetzt und
       sich sämtliche Episoden von vorne bis hinten angeschaut.
       
       „’Homicide‘ heute chronologisch anzusehen ist so, als wohne man einem
       verzweifelten Kampf bei, in dem grandiose Macher ihre künstlerische Ehre
       und Integrität nicht aufgeben wollen“, heißt es an einer Stelle. Denkt man
       an die Radikalität, mit der Graf die Realisierung seiner eigenen
       Fernsehserie „Im Angesicht des Verbrechens“ vorangetrieben hat, lässt sich
       erahnen, dass sich dieser Satz wohl auf viele von Grafs eigenen
       Fernseharbeiten übertragen ließe.
       
       30 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Resch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) US-Serie
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