# taz.de -- CCC-Kongress in Hamburg: Ein Atlas des „Filternets“
       
       > Der Hacker Jacob Appelbaum fordert “konstruktive Alternativen” zu
       > Überwachung durch Staaten und Firmen. Er arbeitet daran, Zensur weltweit
       > zu dokumentieren.
       
 (IMG) Bild: Laptop-Benutzer auf dem CCC-Kongress
       
       HAMBURG taz | „Wie wäre es, wenn wir - anstatt gegen Dinge zu kämpfen -
       versuchen, nachhaltige Alternativen aufzubauen?“, fragt Jacob Appelbaum in
       der [1][Eröffnungsrede des CCC-Kongresses] in Hamburg. Minuten später führt
       er sein eigenes Publikum vor: „Hebt die Hände, wenn ihr glaubt, dass
       Anonymität ein Grundrecht ist.“ Der Saal ist ein Meer aus erhobenen Händen.
       „Behaltet eure Hände oben, wenn ihr einen Tor-Server betreiben werdet“, nur
       ein Bruchteil bleibt oben. Appelbaum lächelt: „Alle, die jetzt die Hände
       unten haben: ihr könntet was unternehmen. Warum macht ihr das nicht?“
       
       Das Tor Projekt ist auch Appelbaums Projekt und ist eine dieser
       Alternativen, die er von seinem Publikum einfordert. Tor ist eine Abkürzung
       für "The Onion Router", einem weltweiten Netzwerk von Servern, die Daten so
       lange untereinander austauschen und verschlüsseln, bis nicht mehr
       nachvollziehbar ist, woher die ursprüngliche Anfrage kam. Wer das
       Tor-Netzwerk nutzt, kann so zu einem gewissen Maße anonym surfen und auch
       Zensur umgehen.
       
       Ein neueres Projekt, an dem Appelbaum arbeitet, soll eben diese Zensur
       dokumentieren und - noch wichtiger - zeigen, wie die Zensur durchgesetzt
       wird. „Das wird uns die Daten geben, um über konkrete
       Menschenrechtsverletzungen sprechen zu können“, sagt Appelbaum. Das
       Programm, das Appelbaum und andere Hacker aus dem Tor Projekt entwickelt
       haben, nennt sich [2][OONI-Probe]. Rechner, die das Programm ausführen,
       versuchen Internetadressen abzurufen oder Schlagworte zu versenden, die
       zensiert sein könnten und wiederholen die Tests so lange, bis die
       zensierten Adressen und Wörter identifiziert sind. Wenn mehrere Rechner den
       Test durchführen, können sie identifizieren, wie Daten umgeleitet oder gar
       blockiert werden.
       
       Noch entwickeln Appelbaum und seine Mithacker das Programm und haben
       [3][wichtige Hürden noch nicht genommen]: Wie erstellt man die bestmögliche
       Liste von Websites und Schlagwörtern die blockiert werden könnten? Wie
       anonymisiert man die Datensätze, die öffentlich zugänglich gemacht werden
       sollen, um die Menschen zu schützen, die diese Tests durchführen? Doch
       schon die jetzige Version verhilft Appelbaum und seinem Team zu neuen
       Erkenntnissen. „Als ich vor Kurzem in Burma war, habe ich OONI-Probe
       verwendet“, erzählt Jacob Appelbaum auf dem CCC-Kongress. „Dadurch haben
       wir zufällig eine neue Methode entdeckt, um Zensur aufzuspüren.“
       
       ## OONI-Probe erfolgreich
       
       Anfang 2012 wurde OONI-Probe außerdem mehrmals erfolgreich getestet.
       Appelbaum nutzte es beispielsweise, um den Jugendschutzfilter in dem
       vorinstallierten Browser von T-Mobile in den USA zu testen. Das Programm
       blockierte unter andern auch die Website des Cosmopolitan-Magazins, eine
       polnische Sportseite und - pikanterweise - die Website des Tor Projekts.
       Der Browser wurde mit dem Filter und ohne eine Anleitung um ihn
       auszuschalten geliefert, sodass unbedarfte Nutzer nur eine offenbar
       willkürlich zensierte Version des Internets abrufen konnten.
       
       Aufsehenerregender war ein [4][Test im Westjordanland], wo OONI-Probe
       zeigte, dass acht oppositionelle Websites von Netzanbietern blockiert
       wurden. Die Seiten waren bereits von Journalisten vor Ort identifiziert
       worden, doch der Test mit OONI-Probe zeigte, dass es die einzigen
       blockierten Seiten waren. Kurz darauf trat der [5][palästinensische
       Kommunikationsminister zurück] und warf der Staatsanwaltschaft vor die
       Zensur in Auftrag gegeben zu haben.
       
       Doch es geht nicht nur um Zensur. „Wo einiges zensiert wird, wird alles
       überwacht", schreibt das Team in einer [6][Einleitung über das Projekt].
       Statt vom Internet zu sprechen, nennen sie das weltweite Netzwerk in
       solchen Fällen lieber das „Filternet“ - eine eingeschränkte Version, in der
       mächtige Staaten und Firmen bestimmen, wer was abrufen und sehen darf.
       
       28 Dec 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=Wl5OQz0Ko8c
 (DIR) [2] http://ooni.torproject.org/reports/2012/T-Mobile_USA_WebGuard.html
 (DIR) [3] http://www.usenix.org/conference/foci12/ooni-open-observatory-network-interference
 (DIR) [4] http://ooni.torproject.org/reports/2012/Hadara_Palestine.html
 (DIR) [5] http://www.jpost.com/MiddleEast/Article.aspx?id=267666
 (DIR) [6] http://www.slideshare.net/hellais/ooniprobe-long-version
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lalon Sander
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