# taz.de -- Vierschanzentournee mit Martin Schmitt: Meilengeiler Vielflieger
       
       > Martin Schmitt hat es auf den letzten Drücker ins Team der deutschen
       > Springer geschafft. Der alte Kämpfer ist zurück – auf dem 17. Platz der
       > Gesamtwertung.
       
 (IMG) Bild: Martin Schmitt fliegt wieder!
       
       OBERSTDORF taz| Es war wie in seinen besten Zeiten. Martin Schmitt konnte
       den Schanzenauslauf nicht einfach verlassen. Der Skispringer mit der lila
       Mütze wurde herumgereicht, von Fernsehstation zu Fernsehstation. Auch die
       Vertreter verschiedener Radiostationen und Zeitungen wollten von dem
       34-Jährigen wissen, wie seine Gefühlslage ist, nachdem er jetzt wieder zum
       Weltcuptross gehört. „Ich kann noch Ski springen, das habe ich gezeigt“,
       sagte er. Als 21. hatte er sich für das Auftaktspringen der
       Vierschanzentournee in Oberstdorf qualifizieren können.
       
       Da war er wieder, der alte Kämpfer. Mit seiner Erfahrung aus 17
       Weltcupjahren hat er bewiesen, dass er es noch immer kann. „Martin ist kein
       Springer mehr für eine ganze Saison, aber er kann sich sehr gut auf ein
       Ereignis hin vorbereiten“, weiß Bundestrainer Werner Schuster. Mit seiner
       Last-Minute-Qualifikation für die Tournee durch den Sieg am Freitag im
       zweitklassigen Continental-Cup hat er das wieder unter Beweis gestellt.
       
       Als der Stadionsprecher Martin Schmitt am Samstag als nächsten Springer
       ankündigte, brandete Applaus durchs weite Rund der Schattenbergschanze. Und
       zwar so heftig wie bei keinem der 69 anderen Springer. „Martin elektrisiert
       die Massen“, hat Schuster erkannt. Dies war auch in den Wochen zuvor zu
       spüren, als immer wieder über den vierfachen Weltmeister diskutiert wurde.
       Kontrovers. „Martin Schmitt hat den Absprung verpasst“, hieß es. Zuletzt
       war er am 1. Januar 2012 beim Neujahrsspringen in Garmisch angetreten,
       damals schied er als 38. nach dem ersten Durchgang aus.
       
       ## Personalie Schmitt heftig diskutiert
       
       Danach begann der Kampf ums Comeback. Obwohl kaum einer glauben konnte,
       dass dem Olympiasieger das noch Spaß machen könnte, bejahte er Fragen
       danach immer wieder. „Ich habe mir noch etwas vorgenommen“, sagte er Mitte
       Dezember, „ich will versuchen, den Anschluss wieder herzustellen.“ Das ist
       ihm tatsächlich gelungen.
       
       Auch innerhalb des Skisprungtrosses wurde die Personalie Schmitt heftig
       besprochen. Armin Kogler, wie Schmitt zweimal Sieger des Gesamtweltcups und
       heute Experte im österreichischen Fernsehen, hatte Schuster schon vor zwei
       Jahren aufgefordert, Schmitt zum Rücktritt zu drängen. „Als Trainer hat man
       auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber seinem Athleten“, argumentierte er,
       „er macht sich sein gutes Image kaputt.“ Doch Schuster tat dies nicht. Sein
       Argument: „Ich muss den Rahmen schaffen, dass er einen ordentlichen
       Ausklang hat – ob das heuer ist oder nächstes Jahr.“
       
       Wichtig sei die emotionale Abnabelung. Diese sei bei Schmitt noch nicht
       vollständig erfolgt. Eindeutig Partei für Schmitt ergreift Dieter Thoma.
       „Es ist allein seine Entscheidung, sein Leben. Ihn scheint die öffentliche
       Meinung nicht stark zu beeinflussen, das finde ich irgendwie
       bewundernswert“, sagt der 43-Jährige, der als Experte der ARD das
       Skispringen verfolgt.
       
       ## Im normalen Leben gibt's weniger Geld
       
       Volles Verständnis zeigen auch Schmitts Kollegen. Ob Gregor Schlierenzauer,
       Simon Ammann oder Anders Bardal – sie alle haben großen Respekt vor der
       Energie des Kollegen. Ebenfalls durch ein Leistungstal musste Wolfgang
       Loitzl, vor vier Jahren Tourneesieger. Mit 32 Jahren ist er ähnlich alt wie
       Schmitt. „Solange Skispringen Spaß macht, gibt es für keinen Springer einen
       Grund aufzuhören“, sagt er. Zumal Schmitt im deutschen Team keinem Jüngeren
       den Startplatz wegnimmt.
       
       Neben dem emotionalen gibt es auch noch den wirtschaftlichen Gesichtspunkt.
       Der Umstieg vom professionellen Hochleistungssport zurück ins normale Leben
       ist schwer. Ein Betriebswirtschaftsstudium hat Schmitt früh abgebrochen,
       seit Oktober studiert er an der Sporthochschule in Köln. „Wenn ich nach dem
       Springen nicht einmal ein Drittel verdiene, dann zögere ich den Umstieg ins
       andere Leben hinaus“, sagt Toni Innauer. Als Olympiasieger und langjähriger
       Sportdirektor im Österreichischen Skiverband kennt er sich bestens mit
       dieser Situation aus.
       
       Sein Landsmann Andreas Goldberger habe sein Karriereende auch solange wie
       möglich hinausgeschoben. Noch heute springt er als 40-Jähriger von der
       Schanze – als Kameramann.
       
       Martin Schmitt will jedoch als Wettkämpfer antreten. Vielleicht auch in
       Garmisch am Neujahrstag. „Ich werde sicher nicht in Garmisch am Abend im
       Zimmer sitzen und mir Gedanken übers Karriereende machen. Ich mache meine
       Zukunft nicht von einem Sprung oder zwei Sprüngen abhängig. Wenn ich aber
       sehe, dass ich nicht näher rankomme, mache ich mir sicher Gedanken, ob ich
       noch ein Jahr dranhänge“, sagt Schmitt. Warnend erhebt Trainer Schuster
       seine Stimme bezüglich übereilter Nachrufe: „Schreibt mir den Martin nicht
       zu früh ab.“ Noch genießt er es, im Mittelpunkt zu stehen.
       
       30 Dec 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Eckhard Jost
       
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