# taz.de -- Nach Massenvergewaltigung in Indien: Nackt und blutend auf der Straße
       
       > Der Freund des verstorbenen Opfers erhebt Vorwürfe gegen die Polizei.
       > Diese hätte die Verletzten erst nach zwei Stunden in die Klinik gebracht.
       
 (IMG) Bild: Erinnerung an das Opfer in Delhi.
       
       DELHI taz | Die fünf des Mordes angeklagten Verdächtigen im Fall der
       23-jährigen indischen Medizinstudentin, die an den Folgen ihrer mehrfachen
       Vergewaltigung durch sechs Männer im Dezember gestorben ist, sollen am
       Montag erstmals einem Schnellgericht in Delhi vorgeführt werden.
       
       Alles deutet auf einen komplikationslosen Prozess. Zwei der Verdächtigen
       stellten am Sonntag Anträge an das Gericht, als Kronzeugen vernommen zu
       werden. Offenbar sehen sie keinen anderen Ausweg, der von der
       Staatsanwaltschaft verlangten Todesstrafe für alle fünf Angeklagten zu
       entgehen.
       
       Ein sechster Angeklagter gilt als minderjährig, obwohl sein Alter bisher
       nicht eindeutig festgestellt wurde. Er muss sich, sofern sich sein Alter
       nicht durch eine Untersuchung widerlegen lässt, vor einem Jugendgericht
       verantworten, wo für Vergewaltigung nur eine Höchststrafe von drei Jahren
       Haft gilt. Gleichwohl gilt er als einer der Haupttäter.
       
       Der Fall hat in Indien viele juristische Diskussionen ausgelöst. Im Zuge
       der Ablehnung einer Revision mahnte der Oberste Gerichtshof eine „komplette
       Überarbeitung“ aller sexuelle Gewalt betreffenden Gesetze an. Indiens
       höchste Richter forderten „abschreckende Strafmaße“ nicht nur für
       Vergewaltigungen, sondern auch im Fall der sogenannten Brautverbrennungen.
       Dabei werden Frauen von der Familie ihres Ehemannes ermordet, weil sie
       angeblich nicht die vereinbarte Mitgift erbrachten. Ebenso mahnten die
       Richter eine stärkere Verfolgung von Vergewaltigungen in der Ehe an. Diese
       werden bisher nicht als Verbrechen geahndet.
       
       ## Juristische Diskussionen
       
       Umstritten bleibt, ob die Todesstrafe vermehrt bei Vergewaltigungen
       eingesetzt werden soll. Viele Bundesstaaten lehnen das offenbar ab. Dagegen
       befürworten die Polizeichefs der meisten Regionen die Herabsetzung der
       Minderjährigkeit bei Sexualverbrechen von 18 auf 16 Jahre. Besonders in der
       Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen sei die Zahl der Vergewaltigungen
       stark gestiegen, berichtete der indische Innenminister Sushilkumar Shinde
       aus Gesprächen mit Behörden der Bundesstaaten.
       
       Besonders heftig kritisiert wird derzeit die Delhier Polizei. Auf ihr
       lasten die Vorwürfe des Freundes des Opfers, der die vergewaltigte
       Studentin am Abend der Tat begleitete und zu schützen versuchte. Beide
       wurden von den Tätern nackt aus einem Bus auf die Straße in Delhi geworfen.
       
       Doch nach Auskunft des Freundes gegenüber einem indischen Fernsehsender
       vergingen zwei Stunden, bis die Polizei die beiden in ein öffentliches
       Krankenhaus einlieferte. Zunächst hätten sich mehrere Einsatzkommandos der
       Polizei um die Zuständigkeit gestritten. Dabei lag das Opfer angeblich
       blutend und nackt vor den Polizisten. Die Delhier Polizei widersprach den
       Aussagen des Freundes. Die Verletzten seien innerhalb von 45 Minuten
       geborgen und ins Krankenhaus gebracht worden.
       
       ## Unangemessene Reaktion der Polizei
       
       In der Öffentlichkeit aber verstärkt sich der Eindruck, dass die Polizei
       den beiden Opfern gegenüber völlig unangemessen reagierte. Später am Abend
       der Tat wurden beide verhört, ohne medizinisch ausreichend versorgt gewesen
       zu sein. Der Freund wurde sogar erst vier Tage später ärztlich behandelt.
       
       Innenminister Shinde beklagte, dass von 238.000 registrierten Fällen von
       Gewalt gegen Frauen 2009 nur 164.000 Fälle zu einer Anklage führten und nur
       27.977 ein Urteil zur Folge hatten. Dies sei „Grund zur Selbstkritik der
       Behörden“. Insgesamt sind in Indien über 180.000 Vergewaltigungsfälle bei
       Gerichten anhängig. Ihre Prozesse dauern bis zu zehn Jahre und enden meist
       ergebnislos.
       
       6 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Blume
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