# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Kettenrauchende Meerjungfrauen
       
       > Im Internet kann man sich nicht nur in Partnerbörsen verlieben. Ein
       > One-Night-Stand am Whiskyregal von Amazon.
       
 (IMG) Bild: Auch so kann Whisky schmecken: Wie eine Meerjungfrau.
       
       Mein neuer Freund heißt Frank. Er ist immer ordentlich rasiert, hat
       gepflegte Zähne und weiche Haare, weil er so ’ne ziemlich teure Spülung
       benutzt. Er trägt gern Outdoorkleidung, weil er jeden Tag lange mit dem
       Fahrrad fährt, bei jedem Wetter. Als Unterwäsche mag er am liebsten
       Micromodal. Eigentlich hatten wir nur eine Affäre, keine richtige
       Beziehung.
       
       Kennen gelernt haben wir uns beim Whisky. Ich bin eher der Wodka-Typ, aber
       Frank ist Whisky-Liebhaber und weiß darüber viel zu erzählen, und ich höre
       mir das gern an. Frank sagt, ein bestimmter Whisky riecht „süßlich angenehm
       nach Honiggelee“, und nach dem Probieren stellt er fest: „Das starke
       Volumen gleitet langsam und lang aus.“ Oder: „Das Nachreifen rundet die
       scharfen Ecken ein bisschen ab, trotzdem ist das Biest noch erkennbar.“
       Seine Meinung zu einem anderen Whisky betitelt er mit: „In der Arztpraxis
       von kettenrauchenden Meerjungfrauen“.
       
       Frank ist Poet. Am liebsten schreibt er über Whisky und Energiesparlampen.
       Gern aber auch über Rasierer oder Sicherheitsdosenöffner. Frank weiß nichts
       von meiner Liebe. Aber ich habe eine ganze Nacht damit verbracht, seine 198
       Kundenrezensionen auf Amazon zu lesen, und war heftig beeindruckt.
       
       Erst wollte ich nur wissen, wie viel eine Flasche Glenmorangie kostet, als
       ich sah, dass es dazu Rezensionen gab. Schon hatte ich mich in Franks Welt
       verfangen und las über „Meeresnoten und Torfrauch“ und „nachsetzenden
       Rauch, die nicht jeder auf der Zunge bändigen kann“. Hui.
       
       ## Und kochen kann er auch
       
       Ich guckte, was Frank noch rezensiert hat. Viele Filme, so in Richtung
       James Bond und so. Teure Kopfhörer. Ein Unterhemd. Bluetooth-Lautsprecher.
       Ein paar Bücher. Einen Zahnzwischenraumreiniger, diverse Haartrimmer und
       Rasierer, Shampoo und Spülung. Eine teure Bratpfanne und geschroteten
       Pfeffer. Hach, dachte ich, ein sehr gepflegter Mann, und kochen kann er
       auch noch.
       
       Aber dann: ein Golf-Spiel fürs Klo („sehr witzige Idee“).
       Star-Wars-Bettwäsche („Nähte sind ordentlich“). Manno, Frank! Tu mir das
       nicht an, rief ich meinem Laptop zu. Und einen Toaster mit
       Swarovski-Kristallelementen („elegante Erscheinung“). Uff.
       
       Und dann war erst mal alles verloren: Mitte September hatte er einen
       künstlichen, aufklappbaren Weihnachtsbaum gekauft. Der hieß „Snowtime
       CT05023 AM“, 180 cm hoch, aus PVC. „Die Farbgebung ist sehr natürlich“,
       schrieb Frank. Das war unsere endgültige Beziehungskrise. Ich goss mir
       einen Wodka ein und blätterte durch die sonstigen Rezensionen. Ein
       Schnellkochtopf. Vorsicht, Frank. Noch mehr Filme, noch mehr Whisky, noch
       mehr Rasierer. Beziehungsroutine, tödlich.
       
       Im Dezember kaufte er zum Weihnachtsbaum noch eine LED-Kette dazu, mit 16
       warm-weißen Dioden. Außerdem ein Teleskop („Einstiegsdroge“) und mehrere
       Ferngläser. Ich stellte mir einen einsamen Spanner vor, der von seinem
       Zimmer mit Plastikbaum und Star-Wars-Bett in Wohnungen guckt. Das war der
       Moment, in dem ich merkte, dass ich selbst die Spannerin war. Ich trennte
       mich mit einem kurzen Klick von Frank und ging schlafen.
       
       9 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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