# taz.de -- Ausstellung zu Müll im Meer: Erregt Euch!
       
       > Die Ausstellung "Endstation Meer?" zeigt in Hamburg, wie Plastik die
       > Meere vermüllt. Sie zielt auf eine Verhaltensänderung.
       
 (IMG) Bild: Verhungert mit vollem Magen: Eissturmvogel, der Plastik fraß.
       
       HAMBURG taz | Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe befindet sich in
       einem Gebäude, das gut einer Adelsfamilie gehören könnte. Außen prunkt eine
       Neorenaissance-Fassade, innen gibt es opulente Treppenhäuser und hohe
       Decken. Viele der Räume wurden gerade erst saniert, die Schilder, Türen und
       Heizungen sehen nagelneu aus. Das Museum wird allen erdenklichen
       repräsentativen Bedürfnissen gerecht.
       
       Nur im ersten Obergeschoss gibt es derzeit einen Raum, der sich nicht für
       den Neujahrsempfang der Handelskammer eignen würde. In diesem Raum liegen
       fünf Tonnen Plastikmüll: Plastikflaschen, Kanister, Fischernetze,
       Flipflops, alles Schwemmgut aus verschiedenen Meeren der Welt, säuberlich
       aufeinandergetürmt.
       
       Der Müllberg gehört zur Ausstellung „Endstation Meer?“, die sich mit der
       Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll beschäftigt. Im Museum für Kunst
       und Gewerbe liegt er zwischen einem Raum mit vielen Schautafeln und einem,
       der viele Texte und Plastik-Exponate zeigt. Der Müllberg ist dazu da, der
       Ausstellung eine sinnliche Komponente zu geben. Allein: Er stinkt nicht.
       Der Müllhaufen dient als rein optisches Ereignis einem wohl dosierten
       Schauder.
       
       Das Problem, für das der Müllberg steht, ist nicht neu, hat aber wie viele
       Umweltprobleme an Bedrohlichkeit gewonnen: Bereits im Jahr 2004 berichtete
       die Zeitschrift Geo von einem Müllteppich im Pazifik zwischen Kalifornien
       und Hawaii, der die Größe von Mitteleuropa erreicht habe. Die Macher der
       Hamburger Ausstellung sprechen nicht mehr von einem Teppich aus Müll,
       sondern von einer Insel. Der Müll nämlich sammelt sich in den stillen Zonen
       jener Wasserwirbel, die durch die Meeresströmungen entstehen. Allerdings
       schwimmt nur ein kleiner Teil des Mülls oben – der weitaus größere Teil
       geht unter.
       
       ## Plastik im Magen
       
       Lernen kann man das im Ausstellungsbereich „Plastik im Meer“, in dem viele
       alarmierende Zahlen präsentiert werden: 1,5 Millionen Tonnen Plastik wurden
       1950 produziert, heute sind es über 250 Millionen Tonnen. Etwa 6 Millionen
       Tonnen davon landen jedes Jahr in den Meeren. 95 Prozent der verendeten
       Eissturmvögel haben Plastik in ihren Mägen. Sie können das Plastik nicht
       mehr ausscheiden und verhungern, weil neben dem Plastik kein Platz mehr ist
       für Nahrung. Eine Ausstellungswand zeigt Fotos von halb verwesten
       Eissturmvögeln, bei denen da, wo mal der Magen war, Plastikmüll ist.
       
       Nebenan im Ausstellungsbereich „Plastik im Alltag“ werden die verschiedenen
       Kunststoffe vorgestellt. Auch hier viele Zahlen: Etwa ein Drittel des
       weltweit produzierten Plastiks wird für Verpackungen eingesetzt. Ein
       Europäer verwendet pro Jahr circa 500 Plastiktüten. Die häufigsten
       Schwemmgut-Objekte sind Plastikflaschen. Textilien aus Fleece verlieren
       beim Waschen bis zu 1.900 Kunststofffasern, die als Mikroplastikpartikel in
       die Meere gespült werden, dort in die Nahrungskette gelangen und
       schließlich wieder auf unseren Tellern landen.
       
       Weil das alles schwer verdaulich und rein faktenorientiert ist, gibt es als
       Ergänzungen zu den Texten, Schautafeln und Filmbeiträgen das eine oder
       andere Kunstwerk in der Ausstellung. Dazu gehören die fotografischen
       Großaufnahmen von Mikroplastikstücken, mit denen die kalifornischen
       Künstler Richard und Judith Lang zeigen wollen, wie schön diese sind – und
       wie schwer es ist, sie von Sandkörnern zu unterscheiden. Dazu gehört auch
       der wandfüllende Comic von Alexandra Klobouk, in dem Holland klimatisch
       bedingt absäuft und ein Wissenschaftler ein neues Holland schafft, indem er
       aus dem Plastikmüll im Meer eine bewohnbare Insel baut.
       
       ## Seltener Optimismus
       
       Mit seinem verspielten Optimismus ist der Comic eine Ausnahmeerscheinung in
       der Ausstellung, die das erklärte Ziel hat, das Konsumverhalten ihrer
       Besucher zu ändern. „Endstation Meer?“ solle die Menschen aufrütteln und
       emotional ansprechen, sagt Kuratorin Angeli Sachs vom Museum für Gestaltung
       Zürich. Dort wurde die Wanderausstellung konzipiert und erstmals gezeigt.
       Hamburg ist nun die zweite Station, viele weitere Stationen sollen folgen.
       
       Mit ihrem appellativen und emotionalen Ansatz wirkt die Ausstellung wie ein
       Relikt der 1980er: Beim Betrachter entsteht ein Gefühl des Schocks und der
       Betroffenheit, der Wunsch, dem Übel sofort und entschlossen
       entgegenzutreten. Erreicht wird die emotionale Anteilnahme weniger durch
       das Mittel der Kunst als durch die Lebensnähe der Exponate – schließlich
       ist Plastik von der Zahnbürste bis zur Schokoriegelverpackung
       allgegenwärtiger Bestandteil unseres Alltags.
       
       Blöd nur, dass eine simple Verzichtslogik nicht immer die Lösung ist. Die
       von den Herstellern viel zitierte Idee der Ökobilanz eines Produktes ist
       nicht ganz von der Hand zu weisen. Ferner gibt es die auch nicht ganz
       schlechte Idee des Recyclings. Beides, die Ökobilanz und das Recycling,
       werden in der Ausstellung berücksichtigt. Aber eher am Rande – es geht hier
       schließlich ums Aufrütteln.
       
       9 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
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