# taz.de -- Biathlon in Thüringen: Oberhof darf nicht schwächeln
       
       > Der Biathlon-Zirkus hat Oberhof für dieses Jahr verlassen. Zurück bleibt
       > die Klage über fehlenden Nachwuchs. Steuermillionen verpulvern geht aber
       > noch.
       
 (IMG) Bild: Wusch, vorbei. Der Zirkus zieht weiter, die Probleme bleiben.
       
       OBERHOF taz | Die inzwischen 35 Jahre alte Biathletin und Olympiasiegerin
       von Salt Lake City (2002), Andrea Henkel, ist die derzeit einzige
       A-Kader-Athletin, die aus der Wintersporthochburg Oberhof kommt. Und noch
       immer ist sie die beste Thüringer Skijägerin, was sie auch mit dem dritten
       Platz beim Weltcup-Rennen am letzten Samstag bewies. Als Henkel wegen
       Erkältung zuvor die Staffel absagen musste, stand erstmals in Oberhof keine
       einzige Thüringerin im Aufgebot.
       
       Es hat den Anschein, dass die im Thüringer Wald seit 1958 etablierte
       Sportdisziplin ein großes Nachwuchsproblem hat. Hinter der nur 158
       Zentimeter großen Sportsoldatin Henkel (SV Großbreitenbach), die nach
       Olympia in Sotschi 2014 ihre Karriere beenden möchte, ist momentan im
       Thüringer Wintersportzentrum keine Nachfolgerin in Sicht.
       
       Bei den Männern sieht es derzeit mit den beiden in Oberhof trainierenden
       Weltcup-Athleten Arnd Peiffer (WSV Clausthal-Zellerfeld) und Erik Lesser
       (SV Frankenhain) nur wenig besser aus. Der Vizeweltmeister von 2009,
       Christoph Stephan, versucht nach langer Krankheit wieder in den Weltcup
       zurückzukehren. Läuferisch ist der 27-Jährige vom WSV Oberhof schon wieder
       ganz gut, bloß mit dem Schießen hadert er noch mächtig.
       
       Holger Wick, einst DDR-Biathlet und Skilangläufer im Armeesportklub Oberhof
       sowie Stasi-Spitzel, heute Sportdirektor des Thüringer Skiverbandes, glaubt
       die Problemfelder zu kennen: die Demografie – zu wenige Kinder, eine
       angeblich weniger ausgeprägte Leistungsbereitschaft und die Konkurrenz
       durch andere Sportarten.
       
       ## Kooperation mit Grundschulen
       
       Dies dürfte allerdings auch für Bayern und selbst Niedersachsen gelten, wo
       derzeit Talente offenbar leichter den Aufstieg in den Biathlon-Weltcup
       schaffen. Man müsse sich auf diese Umstände einstellen und kooperiere
       deshalb schon länger auch mit Sportlehrern aus Grundschulen, sagt Wick. Der
       für Thüringen zuständige Biathlon-Landestrainer Hartmut Gollhardt, ein
       Vertreter der alten DDR-Schule und bekannt für cholerische Attacken, hat in
       den vergangenen Jahren indes mit seinem autoritären Führungsstil nicht
       wenige Talente zum Ausstieg aus dem Leistungssport animiert.
       
       DOSB-Präsident Thomas Bach und der Generalsekretär des Deutschen
       Skiverbandes Thomas Pfüller (eine DDR-Dopingtrainer-Altlast) waren beim
       Oberhofer Weltcup auch vor Ort. Es liefen im Hintergrund Verhandlungen mit
       dem Biathlon-Weltverband (IBU), den Weltcupstandort Oberhof bis 2018
       vertraglich zu sichern. Mit Biathlon und den üppigen Fernsehgeldern hat der
       Deutsche Skiverband in den vergangenen Jahren viel Geld eingenommen. Die
       einst stetige Talentschmiede Oberhof dürfe auf keinen Fall schwächeln, hieß
       es hinter den Kulissen.
       
       Die 1.500 Einwohner zählende Kleinstadt bekommt deshalb für den Ausbau der
       Sportstätten und der touristischen Infrastruktur insgesamt 33 Millionen
       Euro an Fördermitteln vom Land. Neben einem zusätzlichen Stadiongebäude,
       das die IBU bis 2014 fordert, sollen jetzt auch die beiden
       Skisprungschanzen im Kanzlersgrund für rund 7,7 Millionen Euro umgebaut
       werden.
       
       ## Einzigartige Dichte von Wintersportanlagen
       
       Dass Oberhof einen hochdefizitären Haushalt hat, ein Fass ohne Boden ist
       und dies maßgeblich auch an den lokalen Verantwortungsträgern liegt, ist
       schon lange bekannt. Dennoch pumpt die Landesregierung aus Erfurt weiterhin
       Millionen in die Stadt, die über eine in Deutschland einzigartige Dichte
       von Wintersportanlagen verfügt. Allein vier verschiedene
       Weltcupveranstaltungen und das Blödel-Event „Wok-WM“ sollen in diesem
       Winter stattfinden.
       
       Erst kurz vor Weihnachten hatte der Staatssekretär im Thüringer
       Wirtschaftsministerium, Jochen Staschewski (SPD), dem hauptamtlichen
       Bürgermeister von Oberhof, Thomas Schulz (Freie Wähler), einen Scheck über
       5,4 Millionen Euro übergeben. Damit soll die weitere Erschließung rund um
       die Biathlon- und Langlauf-Arena finanziert werden. Schulz wurde nach
       umfassenden Korruptionsermittlungen wegen Untreue und Steuerhinterziehung
       2011 verurteilt.
       
       Der Tourismus GmbH mit deren Chef Enrico Heß, der einst überregional auf
       sich aufmerksam machte, weil er ein Flugzeug für Nacktflieger von Erfurt an
       die Ostsee chartern wollte, gehen die Ideen nicht aus. „Von Mitte bis Ende
       Januar“ hat nun Heß allen Ernstes „eine Schneegarantie für Oberhof“
       versprochen.
       
       Gegen Heß wurde im Januar 2012 ein Strafbefehl rechtskräftig, wegen
       unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das Amtsgericht Suhl verurteilte ihn
       zu 1.500 Euro Geldstrafe und einem mehrmonatigen Fahrverbot. Er hatte im
       September 2011 in der Nacht mit seinem Pkw in Oberhof mehrere Autos
       zerbeult. Im „Haus des Gastes“ kann man eine Musik-CD für wenige Euro
       erwerben mit dem Song „Wir setzen keinen Schuss daneben“. Da scheint etwas
       dran zu sein.
       
       10 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Purschke
       
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