# taz.de -- Kommentar Organspende: Das perfekte Verbrechen
       
       > Ärzte, die ihre Patienten auf der Warteliste hochrutschen ließen, bleiben
       > wohl straffrei. Die Standesorganisation ist in der Pflicht, Demut zu
       > zeigen.
       
 (IMG) Bild: Der Styroporbehälter soll das gekühlte Spenderorgan zum Patienten bringen. Nur zu welchem?
       
       Mehr als einhundert gezielte Manipulationen von Patientendaten sind seit
       dem vergangenen Sommer nun schon aufgeflogen – und dabei ist erst ein
       knappes Viertel aller 47 Zentren für Organtransplantation in Deutschland
       auf kriminelle Betrügereien bei der Organvergabe untersucht worden.
       
       Bereits jetzt ist das Vertrauen vieler Menschen in Ärzte, Kliniken und
       deren Aufsichtsbehörden spürbar erschüttert; erst zu Wochenanfang
       vermeldete die Stiftung Organtransplantation ein historisches Spendentief:
       Um noch einmal fast 13 Prozent sind 2012 die – im internationalen Vergleich
       ohnehin mäßigen – Organspenden im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
       
       Und als wären dies der bestürzenden Nachrichten nicht genug, sorgen nun die
       Strafverfolgungsbehörden mit ihrer ernüchternden juristischen Botschaft
       dafür, dass der Mangel noch dramatischer werden dürfte: Ärzte, die
       todkranke Patienten andernorts um (Über-)Lebenschancen betrogen haben,
       indem sie die Laborwerte ihrer eigenen Transplantationspatienten fälschten,
       werden wohl straffrei bleiben.
       
       Die Täter dürfen weiter, als sei nichts geschehen, an ihren Karrieren
       feilen, denn je mehr einer operiert hat, egal auf welcher betrügerischen
       Grundlage, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er noch weiter
       aufsteigt im System – vom Gesetzgeber ungebremst und, so steht zu
       befürchten, als Vorbild für nachfolgende Ärztegenerationen. Und wenn es
       ganz schlecht läuft, dann werden diese Ärzte halt ein bisschen Buße tun –
       vielleicht ein kleines Ordnungsgeld zugunsten der Ärzte ohne Grenzen?
       
       ## Die Lücke im Rechtsraum
       
       Es ist ein fatales Signal. Und dabei ist es nur bedingt rührend, dass nicht
       einmal das Vorstellungsvermögen der Verfasser des Strafgesetzbuchs offenbar
       so weit reichte, als dass sie derartige ärztliche Skrupellosigkeit in
       Paragrafen zu kleiden vermocht hätten. Fassungslos darf nun auch das
       Parlament auf die „Strafbarkeitslücke“ blicken, die da klafft, auf diesen
       rechtsfreien Raum, den so viele Ärzte jahrelang für sich gepachtet hatten.
       
       Verachtenswerte Taten zu ersinnen, für die man nicht belangt werden kann –
       das darf man mit Fug und Recht ein perfektes Verbrechen nennen. Der
       Gesetzgeber muss nun aktiv werden. Doch bis das zu konkreten Ergebnissen
       führt, sind die ärztlichen Standesorganisationen in der Pflicht. Sie müssen
       dem Bild des karrieristischen Mediziners, der Blutröhrchen vertauscht und
       Dialysen vortäuscht, etwas entgegensetzen. Ein bisschen mehr Demut zuerst.
       So schwer das fällt.
       
       11 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Haarhoff
       
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