# taz.de -- Kolumne Lustobjekte: Selektive Demenz
       
       > Gern wüsste ich noch, wer 2012 Nobelpreisträger war. Stattdessen weiß
       > ich: Bettina Wulff hat einen Dunstabzug.
       
 (IMG) Bild: Man muss das Buch von Bettina Wulff nicht mal gelesen haben um zu wissen, was drin steht. Leider.
       
       Eine neue Dunstabzugshaube. Das ist es also, was mir von der, ähem,
       Nachrichtenlage im vergangenen Jahr am besten im Gedächtnis geblieben ist.
       Die Dunstabzugshaube hat Bettina Wulff im Schloss Bellevue einbauen lassen,
       weil es ihr ohne nicht prinzessinnenhaft genug war. Muss sie die jetzt
       eigentlich rausreißen? Aber ich schweife ab. Bis vor Kurzem wusste ich
       nicht mal, dass diese Information in meinem Kopf existiert. Dann habe ich
       ein Jahresrückblick-Quiz gemacht.
       
       Und ich weiß noch viel mehr! Dass zum ersten Mal seit mehr als 300 Jahren
       neue Thronfolge-Regeln für das britische Königshaus beschlossen wurden und
       britische Royals bald Katholiken heiraten dürfen. Dass Kim Jong Un sich mit
       einem Kraken fotografieren ließ, nicht jedoch mit einem Superman-Comic.
       
       In der Neon gibt es eine Rubrik mit solchen Fakten, sie heißt „Unnützes
       Wissen“. Mein Gehirn ist quasi die Neon unter meinen Organen. Eigentlich
       sollte es erwachsen werden, stattdessen beschäftigt es sich die ganze Zeit
       mit Befindlichkeitsgedöns.
       
       Von den Olympischen Spielen hingegen weiß ich nur eines sicher: dass sie
       stattgefunden haben. Vermutlich hat auch Angela Merkel mit dem griechischen
       Ministerpräsidenten Antonis Samaras nicht nur einen gemütlichen Plausch
       gehalten („Das hier ist mein Büro.“ – „Das ist ein schönes Büro.“), sondern
       über Geld gesprochen. Und den Nobelpreis für Medizin, hm, den haben doch
       2012 so zwei bis drei Männer über 50 bekommen, von denen mindestens einer
       US-Amerikaner ist (stimmt in 90 Prozent der Fälle, muss reichen).
       
       Vergessen? Kann ich. Jedenfalls alle Informationen, die potenziell relevant
       sind. Wie funktioniert noch mal Prozentrechnen? Mit welcher Briefmarke
       frankiert man einen Standardbrief? Welcher war jetzt der Pin für die
       Bankkarte und welcher der fürs Handy? Ich weiß es nicht. Aber hey, ich
       weiß, dass die Narben von Seal nicht von einem Wohnungsbrand stammen,
       sondern von der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes. Das wird mich
       bestimmt irgendwann weiterbringen. Jedenfalls rede ich mir das ein.
       
       Vielleicht sind es aber auch die Gene. Selektive Demenz liegt bei uns in
       der Familie, und die Augen habe ich schließlich auch von der Oma. Leider
       ist dabei die falsche Hälfte des Gehirns betroffen. Die linke, die für
       analytisches Denken zuständig ist. Oder war es die rechte? Egal. Wussten
       Sie eigentlich, dass Hirn mit bis zu 3 Gramm pro 100 Gramm das meiste
       Cholesterin aller Lebensmittel enthält, etwa doppelt so viel wie Eigelb?
       
       Es scheint, als bräuchte auch ich dringend eine neue Dunstabzugshaube – für
       mein Gehirn. Vielleicht ist der Ventilator kaputt, der den Mief nicht mehr
       fachgerecht absaugt. Oder die Rückstauklappe. Oder der Fettfilter ist
       verstopft.
       
       Ach was weiß ich. Ich weiß ja nur Dinge, die ich gar nicht wissen will.
       
       12 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Seyboldt
       
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