# taz.de -- Social-Media-Dienst Klout: Ah, ich bin eine 34
       
       > Klout vergibt 0 bis 100 Punkte dafür, wie aktiv man in sozialen
       > Netzwerken ist. Der virtuelle Gästelistenplatz kann sogar bei der
       > Jobsuche helfen.
       
 (IMG) Bild: Je mehr Likes, Freunde und Follower, desto höher klettert der Klout-Score.
       
       Als Kerstin Hoffmann aus dem Urlaub zurückkam, war sie sechs Punkte weniger
       wert. Zwei Wochen hatte sie es sich gut gehen lassen, ihr soziales Netzwerk
       links liegen lassen, nichts bei Facebook oder Twitter veröffentlicht, und
       schon sackte ihr Klout-Score von 76 auf 70 Punkte ab. Glaubt man dem 2008
       in San Francisco gegründeten Unternehmen Klout, hat Hoffmann in ihren zwei
       internetfreien Wochen also deutlich an Einfluss verloren.
       
       Der Name Klout leitet sich aus dem englischen Wort clout ab, bedeutet also
       so viel wie Schlagkraft oder Macht. Das Unternehmen wirbt mit dem Slogan
       „Entdecke Deinen Einfluss“, und vielleicht lässt sich die Idee am
       leichtesten mit dem Gästelisteneffekt erklären: Wer schon mal vor einem
       Club gestanden und die Leute mit einem Platz auf der Gästeliste an sich hat
       vorbeiziehen lassen müssen, weiß um den Funken Neid. Ist die Gästeliste
       doch so ein herrlich sichtbarer Ausdruck für die Anerkennung der anderen.
       
       Social-Media-Ranking-Dienste wie [1][Klout] oder [2][Peerindex] machen sich
       diesen Effekt zunutze und generieren aus den Kontakten in sozialen
       Netzwerken einen Wert auf einer Skala von 0 bis 100. Wer 0 Punkte hat, ist
       auch eine Null, und 100 Punkte garantieren einen Platz auf der Gästeliste.
       Der bereits 2003 erschienene Roman „Backup“ von Cory Doctorow hat aus
       diesem Gedanken eine postmonetäre Gesellschaft ersonnen. Nicht mehr der mit
       dem dicken Portemonnaie hat in dieser Welt das Wort und überall Zutritt,
       sondern der mit den meisten Anerkennungspunkten aus der Netzgemeinde.
       
       ## Es geht nicht nur um Jobs
       
       So weit ist es noch nicht, und in Deutschland kann man mit seiner
       Klout-Punktezahl bisher eher in informierten Nerd-Kreisen angeben. Aber in
       den USA sieht das schon anders aus. Das Magazin [3][Wired] etwa berichtete
       im April 2011 über den PR-Manager Sam Fiorella, der in einem
       Bewerbungsgespräch nach seinem Klout-Score gefragt wurde und nicht wusste,
       was das sein solle. Sein Wert lag bei 34, den Job bekam ein anderer mit 67
       Punkten. Aber es geht nicht nur um Jobs.
       
       Die Fluggesellschaft Cathay Pacific aus Hongkong etwa hat im vergangenen
       Frühjahr Menschen mit einem Klout-Score von über 40 in die Lounge der
       ersten Klasse am Flughafen eingeladen. Ein Privileg, das man sich sonst nur
       mit einem teuren Ticket erkaufen kann, wird hier allein über die Reputation
       im Netz vergeben.
       
       Die Unternehmen wiederum erhoffen sich, dass die Gebauchpinselten im
       Gegenzug möglichst von ihrem Erlebnis erzählen und so kostenlos Werbung
       machen. Hoffmann hat für ihren hohen Wert bisher noch keine Vergünstigungen
       oder Privilegien angeboten bekommen. Aber wer wirklich einflussreich sei,
       werde ohnehin kaum hinter irgendwelchen Rabattmarken herlaufen, sagt sie.
       Wozu auch?
       
       ## Obama hat 99 Punkte
       
       Sucht man nach Menschen mit einem hohen Klout-Score, finden sich fast nur
       noch Medienprofis wie die Kommunikationsberaterin Kerstin Hoffmann. Das
       widerspricht eigentlich dem, was Klout vorgibt, zu wollen. Jahrhundertelang
       hätten einige wenige die Macht in ihren Händen gehabt, sagt Firmengründer
       Joe Fernandez, aber dank Social Media habe nun jeder Einfluss und könne
       etwas bewegen. Auf den ersten Blick ein schöner demokratischer
       Grundgedanke, der aber sofort nicht mehr hinhaut, wenn US-Präsident Barack
       Obama mit 99 Punkten einen der höchsten Klout-Scores hat.
       
       „Wer nicht beruflich sehr viel in Social Networks unterwegs ist, wird kaum
       einen wirklich hohen Wert bekommen“, sagt Hoffmann. Es sei denn, jemand
       habe den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als bei Facebook & Co Dinge zu
       posten. Denn Klout generiert den Score daraus, wie aktiv jemand etwa in
       sozialen Netzwerken wie [4][Facebook] oder in Kurznachrichtendiensten wie
       [5][Twitter] ist.
       
       ## Google für soziale Netzwerke
       
       Je mehr Freunde, Views und Followers, je häufiger eigene Beiträge, Videos
       oder Fotos kommentiert, weitergeleitet und geliket werden und je besser
       wiederum die eigenen Freunde vernetzt sind, desto höher klettert der Wert.
       Das Prinzip der Suchmaschine Google, das die Relevanz der Webseiten danach
       bemisst, wie viele Links auf sie verweisen, wird hier also auf soziale
       Netzwerke angewandt.
       
       „Influencer“ nennt Klout die Nutzer mit einem hohen Wert, wie Hoffmann eine
       ist. Sie hatte sich schon mal abgemeldet, kehrte aber nach einem Jahr
       zurück. In ihrer Branche gehöre das einfach dazu und es schade ja auch
       nicht. „Aber das ist allenfalls ein Wert unter vielen. Zudem einer, der
       kaum nachvollziehbar ist“, sagt sie. Meinungsführer wie Obama hätten zwar
       einen hohen Klout-Score, doch der Umkehrschluss funktioniere nicht.
       
       Aber die Menschen mögen so was etwas Plakatives wie Klout eben. Es ist so
       schön einfach: Seite aufrufen, Namen eingeben und heraus kommt eine Zahl –
       das suggeriert eine einfache Welt. Ah, ich bin eine 34, dann ist ja gut.
       
       Jeder, der einen Facebook- oder Twitter-Account hat, hat automatisch auch
       einen Klout-Score – ob er oder sie das nun weiß oder nicht. Über 100
       Millionen Scores hat Klout nach eigenen Angaben schon generiert. Doch wie
       genau der Algorithmus dahinter funktioniert, verrät das Unternehmen nicht.
       
       ## Datenschutz?
       
       „Würde man die Kriterien nach dem Bundesdatenschutzgesetz anlegen, wären
       Dienste wie Klout bei uns definitiv nicht rechtens“, sagt Thilo Weichert
       vom Unabhängigen Datenschutzzentrum in Schleswig-Holstein. Allein deswegen
       nicht, weil das Unternehmen keine Angaben darüber macht, wie Daten
       ausgewertet und gespeichert werden.
       
       „Die Idee dahinter ist: Es muss doch ein Geschäft damit zu machen sein,
       dass die Menschen sich gern wichtig und exklusiv fühlen“, sagt der
       Soziologe Nils Zurawski. Denn es löst automatisch etwas aus, wenn man die
       eigene Bedeutung in eine Zahl gegossen vor sich hat.
       
       Das ging auch Helge Thomas so, der sich erst vor Kurzem das erste Mal
       seinen Klout-Socre angesehen hat – der Filmemacher ist 61 Punkte wert. „Ich
       bin wie jeder Mensch mehr oder weniger süchtig nach Anerkennung“, sagt er.
       „Jedes ’like‘ auf Facebook, jeder Retweet auf Twitter und jeder schöne
       Kommentar zu meinen Gedanken ist wie ein Streicheln der Seele und wertvolle
       Hinweisschilder, die ich früher vermisst habe.“
       
       ## Das Phänomen des Vitamin B
       
       Pierre Bourdieu hat mit seiner Theorie vom sozialen Kapital das Phänomen
       des Vitamin B beschrieben. „Und der Klout-Score überträgt die Idee des
       sozialen Kapitals aufs Netz“, sagt Zurawski. Wer ein gutes Netzwerk hat,
       Kontakte pflegt, auf gegenseitige Geschenke und die kleinen und großen
       Gefälligkeiten achtet, bekommt am Ende den Platz auf der Gästeliste oder
       den einen Job.
       
       „Noch richtet sich das Augenmerk von Klout zwar eher auf den amerikanischen
       Markt“, sagt Zurawski. Aber das Prinzip kennen wir auch hier schon von der
       Kundenkarte.
       
       Zurawski hat am Institut für Volkskunde der Universität Hamburg ein
       qualitatives Forschungsprojekt zur Bedeutung von Kundenkarten geleitet. „Es
       wurde deutlich, dass sich durch die Kundenkarten der gefühlte Status
       erhöht“, sagt Zurawski. Viele der Befragten schätzen es, wenn sie mit ihrer
       goldenen Kundenkarte vom Lieblingsklamottenladen mit exklusiven
       Shoppingtagen belohnt wurden oder im Großmarkt die Sonderkasse für die
       zahlungskräftige Kundschaft nutzen durften.
       
       „Die Menschen sind anfällig für solche Bevorzugungen“, sagt Zurawski.
       „Unsere Gesellschaft erscheint heute klassenlos, Reiche fahren kleine Autos
       und kaufen beim Discounter ein und die Schichten sind durchlässig.“ Es gäbe
       nur wenig Bereiche, die ganz offen ausschließend seien – auch an Kleidung
       oder Wohnort sei nicht unmittelbar der Stand erkennbar.
       
       Es gibt also den Raum dafür, sich im Alltag auf andere Weise Exklusivität
       zu schaffen – diese Lücke kann Dienste wie Klout groß machen.
       
       18 Jan 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.klout.com
 (DIR) [2] http://www.peerindex.com/
 (DIR) [3] http://www.wired.com/
 (DIR) [4] http://www.facebook.com
 (DIR) [5] http://www.twitter.com
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ilka Kreutzträger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Social Media
 (DIR) Schwerpunkt Meta
 (DIR) Algorithmus
 (DIR) Google
 (DIR) Suchmaschine
       
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